Prospekthaftung oder Verschulden bei Vertragsschluss?

Beim Bundesgerichtshof sind mehrere Verfahren anhängig, die die Haftung von Gründungsgesellschaftern einer Publikumskommanditgesellschaft betreffen, die Immobilieninvestments auf dem USamerikanischen Markt plante.

Prospekthaftung oder Verschulden bei Vertragsschluss?

Die Anleger, die sich Ende 2010 bzw. im Jahr 2011 an der Gesellschaft beteiligten, machen geltend, sie seien nicht hinreichend über kapitalmäßige bzw. personelle Verflechtungen aufgeklärt worden. Die im Wesentlichen auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht gerichteten Klagen hatten in den Vorinstanzen vor dem Landgericht Hamburg1 und dem Hanseatischen Oberlandesgericht2 Erfolg. Auf die Beschwerden der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Bundesgerichtshof die Revisionen zugelassen3.

Die Parteien der Revisionsverfahren wurden jetzt vom Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass nach der vorläufigen rechtlichen Bewertung eine Haftung der geschäftsführenden Kommanditistin der Fondsgesellschaft unter dem Gesichtspunkt eines Verschuldens bei Vertragsschluss in Betracht kommt.

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, bei dem die Revisionsverfahren anhängig sind, beabsichtigt, an seiner Rechtsprechung festzuhalten, nach der im Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31.05.2012 geltenden Fassung eine Haftung der Altgesellschafter wegen Verletzung von Aufklärungspflichten gemäß § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB nicht ausgeschlossen wird. Die mit dem Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes vom 28.10.20044 geschaffenen spezialgesetzlichen Aufklärungspflichten und das mit ihnen verbundene Haftungsregime rechtfertigen unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des XI. Zivilsenats allerdings eine Neuausrichtung der nach der bisherigen Rechtsprechung des II. Zivilsenats bestehenden allgemeinen Aufklärungspflichten der Altgesellschafter. Eine vorvertragliche Aufklärungspflicht trifft danach nur noch solche Altgesellschafter, die entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernehmen oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung tragen.

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Prospekthaftungsansprüche

Vertriebsverantwortung tragen danach, soweit der Vertriebsauftrag von der Fondsgesellschaft erteilt wurde, die geschäftsführungsbefugten Altgesellschafter. Eine Altgesellschafterin trägt die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Aufklärung der Beteiligungsinteressenten aber nicht allein deswegen, weil ihr Alleingesellschafter aufgrund eines von der Fondsgesellschaft erteilten Auftrags den Vertrieb der Beteiligungen übernommen hat. Eine personelle Verflechtung eines Altgesellschafters mit der Vertriebsgesellschaft begründet ebenfalls keine Verantwortung für den Vertrieb.

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Anfrage des II. Zivilsenats mitgeteilt, dass seine Rechtsprechung, nach der die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß den § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31.05.2012 geltenden Fassung in ihrem Anwendungsbereich eine Haftung der Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB ausschließt, einer an die Vertriebsverantwortung anknüpfenden Haftung der Altgesellschafter gemäß § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten nicht entgegensteht.

Bundesgerichtshof, Hinweisbeschlüsse vom 27. Juni 2023 – II ZR 57/21, II ZR 58/21 und II ZR 59/21

  1. LG Hamburg, Urteile vom 19.07.2019 – 412 HKO 165/17, 412 HKO 158/17 und 412 HKO 161/17[]
  2. OLG Hamburg, Urteile vom 25.03.2021 – 1 U 180/19, 1 U 177/19 und 1 U 178/19[]
  3. BGH, Beschlüsse vom 21.03.2023 – II ZR 57/21, – II ZR 58/21 und – II ZR 59/21[]
  4. BGBl. I S. 2630[]
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