Wenn ein landwirtschaftliches Grundstück seine rechtlich gesicherte Anbindung an das öffentliche Straßen- und Wegenetz dadurch verliert, dass ein ersatzloser Rückbau eines Privatwegbahnübergangs geplant wird, handelt es sich im Rahmen der fachplanerischen Abwägung nach § 18 Satz 2 AEG zugunsten des betroffenen Grundstückseigentümers um einen regelmäßig nicht zu überwindenden privaten Belang.

So die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in dem hier vorliegenden Fall. Hier begehrt die Klägerin den Erlass einer planungsrechtlichen Zulassungsentscheidung für den Rückbau eines die Beigeladene begünstigenden privaten Bahnübergangs.
Die Klägerin betreibt die Bahnstrecke 4124 von Seckach nach Walldürn/Rippberg. Der Bahnverkehr wird seit dem 01.01.2006 durch die Westfrankenbahn – einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG, an welche die Strecke verpachtet wurde – durchgeführt. Auf dem Streckenabschnitt Walldürn – Rippberg befindet sich bei Bahn-km 22,843 seit dem Bau der Bahnstrecke Anfang des 20. Jahrhunderts ein privater Bahnübergang („Privatwegübergang“), über den zumindest in der Vergangenheit das jenseits der Bahnlinie gelegene landwirtschaftliche Grundstück Flst. Nr. 10159 der Beigeladenen von der parallel zur Bahnlinie verlaufenden B 47 aus mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen erreicht werden konnte.
Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hier das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) in der zum Zeitpunkt des Ergehens der Planungsentscheidung gültigen Fassung1, hier also das AEG vom 27.12.19932, zuletzt geändert durch Gesetz vom 29.07.20093.
Bereits die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Plangenehmigung dürften nicht in vollem Umfang vorliegen.
Zweifel an der Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamts als Planfeststellungsbehörde bestehen allerdings nicht (§ 74 Abs. 1 VwVfG, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 des Gesetzes über die Eisenbahnverwaltung des Bundes, BEVVG). Auch das nach § 74 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 VwVfG erforderliche Benehmen mit den Trägern öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich berührt wird, wurde hier hergestellt. Das Benehmenserfordernis verlangt (lediglich), dass die Träger öffentlicher Belange Gelegenheit erhalten, innerhalb angemessener Frist zu dem Vorhaben Stellung zu nehmen4. In diesem Sinne hatten die hier in Betracht kommenden Träger öffentlicher Belange – die Stadt Walldürn und das Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis – Gelegenheit zur Stellungnahme, die sie vorliegend auch wahrgenommen haben.
Die weitere formelle Voraussetzung, dass für das Vorhaben nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung keine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmen ist (§ 74 Abs. 6 VwVfG i.V.m. § 18b Nr. 1 AEG) liegt ebenfalls vor. Eine UVP-Pflicht ergibt sich hier nicht aus der Art, Größe und Leistung des Vorhabens (§ 3b UVPG). Als Verkehrsvorhaben fällt es allenfalls unter Nr. 14.8 der Anlage 1 zum UVP-Gesetz („Bau einer sonstigen Anlage von Eisenbahnen“), wo nur eine UVP-Pflicht im Einzelfall vorgeschrieben ist. Nach § 3c UVP-Gesetz muss in diesem Fall eine Umweltverträglichkeitsprüfung nur durchgeführt werden, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung erhebliche Umweltauswirkungen haben kann. Das Eisenbahn-Bundesamt ist hier am 26.04.2010 nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass dies nicht der Fall ist. Die Klägerin wendet sich hiergegen auch nicht.
Problematisch ist hingegen die weitere Verfahrensvoraussetzung, dass Rechte anderer durch das Vorhaben nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt werden oder die Betroffenen sich mit der Inanspruchnahme ihres Eigentums oder eines anderen Rechts schriftlich einverstanden erklärt haben müssen (§ 74 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 VwVfG i.V.m. § 18b Nr. 2 AEG). Ein Einverständnis der hier allenfalls betroffenen Beigeladenen liegt nicht vor, weshalb von der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens vorliegend nur abgesehen werden konnte, wenn die Planung in ein „Recht“ der Beigeladenen entweder gar nicht oder nur unwesentlich eingreift. Mit einer solchen Rechtsbeeinträchtigung ist nur der direkte Zugriff auf fremde Rechte – insbesondere das Eigentum – gemeint, nicht aber die bei jeder Raum beanspruchenden Planung gebotene wertende Einbeziehung der Belange Dritter in die Abwägungsentscheidung5. Eine Plangenehmigung ohne Zustimmung der Betroffenen scheidet aber auch dann aus, wenn Rechte in Rede stehen, die im Rahmen der Abwägung nicht überwunden werden können6. Das ist etwa der Fall, wenn Vorschriften des zwingenden Rechts nicht eingehalten werden können7 oder die Beeinträchtigung die Zumutbarkeitsschwelle überschreitet (in diesem Sinne auch Bonk/Neumann in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 74 Rn. 232)).
Eine in diesem Sinne direkte Inanspruchnahme von Eigentum der Beigeladenen, insbesondere am Grundstück Flst. Nr. 10159, hat die angegriffene Planung nicht zum Inhalt. Es spricht aber vieles dafür, dass mit dem Vorhaben gegen den Willen der Beigeladenen in ein ihr zustehendes Überfahrtsrecht über die Bahngleise bei Bahn-km 22,843 direkt eingegriffen wird. Denn die tatsächliche Überfahrtsmöglichkeit würde bei Verwirklichung des Vorhabens beseitigt.
Dieses Überfahrtsrecht dürfte entstanden und rechtlich auch noch nicht untergegangen sein. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
- Ein dinglich – durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit im Grundbuch – gesichertes Überfahrtsrecht zugunsten des Flst. Nr. 10159 der Beigeladenen besteht unstreitig nicht. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass zugunsten dieses Grundstücks bereits vor dem Inkrafttreten des BGB nach altem badischen Recht eine entsprechende Grunddienstbarkeit begründet wurde. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben der Großherzoglichen Generaldirektion der Badischen Staatseisenbahnen vom 09.10.1911 ergibt sich diesbezüglich nichts. Zwar ist dort davon die Rede, dass mit Vertrag vom 27.01.1898 von dem Flst. Nr. 10159 eine Teilfläche von 51a, 21 qm „zum Bau der Bahn von Walldürn nach Amorbach“ an den „Landesfiskus, Eisenbahnverwaltung“ abgetreten worden sei; es fehlen aber jegliche Anhaltspunkte dafür, dass zugleich bei Bahn-km 22,843 ein im Wege einer altrechtlichen Grunddienstbarkeit gesichertes Überfahrtsrecht über die Bahntrasse begründet worden sein könnte.
- Entgegen der Rechtsaufassung der Beklagten kann ein über die Bahntrasse bei Bahn-km 22,843 führendes Wegerecht auch nicht kraft des Rechtsinstituts der unvordenklichen Verjährung als nachgewiesen angesehen werden. Denn hierfür wäre bis zum Inkrafttreten des Straßengesetzes im badischen Landesteil Voraussetzung, dass eine erkennbare Wegeanlage vorhanden war, der Weg – ausdrücklich oder stillschweigend – für den Gemeingebrauch gewidmet war und in einer rechtlichen Beziehung zu einem wegebaupflichtigen Verband stand8. Diese Voraussetzungen sind offensichtlich schon deshalb nicht erfüllt, weil der über die Bahntrasse führende Weg unstreitig immer ein Privatweg war, der niemals als – auch nur beschränkt – öffentlicher Weg benutzt wurde. Um eine öffentlich-rechtliche Widmung kraft unvordenklicher Verjährung geht es hier deshalb von vornherein nicht.
- Es ist wahrscheinlich, dass ein Überfahrtsrecht über die Bahngleise bei Bahn-km 22,843 vertraglich zwischen dem Großvater der Beigeladenen und der Bahn vereinbart worden war. Die Beigeladene spricht in diesem Zusammenhang von einer schriftlichen Zusicherung an ihren Großvater, die Klägerin selbst hat zunächst vorgetragen – auch wenn sie sich hiervon später wieder distanziert hat -, es sei ein „Nutzungsvertrag zwischen Herrn … und der DB“ abgeschlossen worden. Weder die Beigeladene noch die Klägerin können jedoch Unterlagen über die getroffene Vereinbarung vorlegen. Selbst wenn man unterstellte, dass eine solche vertragliche Vereinbarung zwischen dem Großvater der Beigeladenen und der Bahn tatsächlich abgeschlossen wurde, fehlt es jedenfalls an Anhaltspunkten dafür, das auch die Beigeladene selbst aus dieser Vereinbarung noch Rechte ableiten könnte.
- Zwischen der Beigeladenen und der Bahn dürfte ein Überfahrtsrecht bei Bahn-km 22,843 aber jedenfalls im Wege der Leihe (§§ 598ff BGB) begründet worden sein. Es ist in der Zivilrechtsprechung anerkannt, dass ein unentgeltliches Nutzungsrecht an einem Grundstück zum Zwecke des Überfahrens in Form der Leihe oder zumindest in Form eines leiheähnlichen Rechtsverhältnisses vereinbart werden kann . Dieses Rechtsverhältnis kann – gerade wenn es um ein Wegerecht geht – langfristig angelegt sein und stillschweigend, etwa durch langjährige Duldung der Überfahrt, zustande kommen (vgl. BGH, Urt. v. 17.03.1994 – III ZR 10.93, NJW 1994, 3156, 3157; OLG Hamm, Urt. v. 09.10.1986 – 5 U 66/86, NJW-RR 1987, 138; OLG Köln, Urt. v. 10.01.1992 – 19 U 178/91, OLGR Köln 1992, 33; Hanseatisches OLG Hamburg, Urt. 27.01.2000 – 6 U 217/99, OLGR Hamburg 2000, 231; LG Kassel, Urt. v. 26.09.1968 – 1 S 122/68, NJW 1969, 1174)). Ein solches Rechtsverhältnis dürfte auch hier anzunehmen sein:
Nach den insoweit übereinstimmenden Angaben der Beteiligten ist davon auszugehen, dass die Beigeladene – ebenso wie ihre Rechtsvorgänger im Eigentum des Flst. Nr. 10159 – die Bahntrasse bei Bahn-km 22,843 zum Zwecke der Bewirtschaftung dieses Grundstücks jahrzehntelang – gerechnet ab dem Bau der Bahntrasse in den 1910-er Jahren – überquert haben und der Eisenbahnbetreiber zu diesem Zweck einen Bahnübergang errichtet und jahrzehntelang unterhalten hat. Dass dies in dem Bewusstsein einer Rechtsbindung und nicht nur in Form der reinen Gebrauchsüberlassung geschehen ist, ergibt sich nicht zuletzt aus der Tatsache, dass sich die Klägerin noch im Laufe des vorliegenden Antragsverfahrens selbst auf den Abschluss eines – allerdings nicht mehr auffindbaren – Nutzungsvertrages zwischen dem Großvater der Beigeladenen und der DB berufen und auf die Bereitschaft der Westfrankenbahn zur Zahlung einer Entschädigung für den Rückbau des Bahnübergangs hingewiesen hat. In diesem Zusammenhang ist auch von entscheidender Bedeutung, dass der Bahnübergang jedenfalls unter der Verantwortlichkeit der Deutschen Bundesbahn jahrzehntelang regelmäßig in Stand gehalten und im Bereich der Wegetrasse von Strauchbewuchs freigehalten wurde. Dass dies so war – und die entsprechende Behauptung der Beigeladenen zutrifft – ergibt sich deutlich aus den in der Behördenakte vorhandenen Lichtbildern zum Zustand des Bahnübergangs im Sommer 2004. Dort ist nicht nur die Wegeführung von der B 47 hinunter zu den Bahngleisen und jenseits der Gleise zum Flst. Nr. 10159 zu erkennen, sondern auch ein über die Gleise selbst führendes Schotterbett, das ersichtlich angelegt wurde, um diese mit Fahrzeugen mehr oder weniger höhengleich queren zu können.
Der Umstand, dass die Beigeladene den Bahnübergang „in den vergangenen Jahren seit Übernahme der Bahnstrecke durch die Westfrankenbahn“, d.h. seit dem 01.01.2006, nicht mehr genutzt hat, führt nicht dazu, dass das anzunehmende Leihe- bzw. leiheähnliche Rechtsverhältnis wieder entfallen wäre. Denn nach Lage der Dinge wurde es vereinbart, um dem Flst. Nr. 10159 zu Bewirtschaftungszwecken eine Anbindung an den öffentlichen Straßenraum (B 47) zu verschaffen. Der so vereinbarte Zweck der Leihe (vgl. §§ 603 Satz 1, 604 Abs. 2 Satz 1, 604 Abs. 3 BGB) sollte mithin erst dann entfallen, wenn das Flst. Nr. 10159 eine anderweitige Anbindung an den öffentlichen Straßenraum erhält. Über eine solche anderweitige Anbindung verfügt es jedoch gerade nicht; eine solche soll auch nicht im streitgegenständlichen Plangenehmigungsverfahren geschaffen werden. Abgesehen davon haben Beklagte und Beigeladene nachvollziehbar – und im Übrigen von der Klägerin nicht substantiiert bestritten – vorgetragen, dass die Nichtnutzung des Bahnübergangsrechts auf den in den Verantwortungsbereich der Klägerin fallenden schlechten baulichen Zustand des Bahnübergangs zurückzuführen ist. Bei dieser Sachlage kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass der vereinbarte Zweck des anzunehmenden Rechtsverhältnisses entfallen wäre, zumal die Beigeladene auch schon vor förmlicher Stellung des Antrags auf planrechtliche Genehmigung vom 13.07.2009 konstant darauf hingewiesen hat, auf die Nutzung des Bahnübergangs mangels anderweitiger rechtlich gesicherter Zufahrtsmöglichkeit zum Flst. Nr. 10159 weiterhin angewiesen zu sein.
Auch dem von der Klägerin im Klageverfahren problematisierten Umstand, dass der Privatbahnübergang bei Bahn-km 22,843 möglicherweise nicht ohne Mitbenutzung des in unbekannten Dritteigentum stehenden Flst. Nr. 10159/1 befahren werden kann, kommt hier keine entscheidende Bedeutung zu. Denn es ist davon auszugehen, dass auch bezüglich dieses Grundstückes (jedenfalls) das o.g. Rechtsverhältnis entstanden ist. Nach dem übereinstimmenden Vortrag sämtlicher Beteiligten sowie nach den in den Akten befindlichen Plänen und Lichtbildern sind die Grundstücksgrenzen schon seit Jahrzehnten unverändert und ist der Privatweg (auch) im Bereich des Flst. Nr. 10159/1 seitdem vorhanden. Wie sich aus den Lichtbildern ergibt, besteht insbesondere die dort vorhandene befestigte Fahrrampe zur B 47 bereits seit langem.
Das beschriebene Rechtsverhältnis ist entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin auch nicht dadurch hinfällig geworden, dass die Klägerin das Nutzungsrecht – jedenfalls mit Stellung des Antrags auf Rückbau des Bahnübergangs bei der Beklagten – berechtigt zurückgefordert hätte (§ 604 Abs. 3 BGB). Denn dieses Rückforderungsrecht besteht nur, wenn „eine Dauer der Leihe nicht bestimmt ist und auch dem Zweck der Leihe nicht zu entnehmen ist“. Hier dürfte die Dauer der Leihe aber aus dem Umstand zu entnehmen sein, dass dem Flst. 10159 eine Zufahrtsmöglichkeit in Form eines Privatwegbahnübergangs so lange verschafft werden soll wie keine anderweitige rechtlich gesicherte Zufahrtsmöglichkeit zu diesem Grundstück besteht.
- Eine gewohnheitsrechtliche Begründung eines „Privatwegbahnübergangs“ bei Bahn-km 22,843 dürfte hingegen – anders als die Beigeladene meint – nicht möglich sein. Nach allgemeiner Ansicht entsteht Gewohnheitsrecht bezüglich einer konkret als Rechtssatz formulierbaren Regelung durch eine entsprechende langandauernde und gleichmäßige Übung (longa consuetudo) in dem Bewusstsein und in der Überzeugung, dass diese Übung rechtlich geboten sei9.
Es unterliegt hier zwar keinem Zweifel, dass sich die Frage des Übergangs über die Bahntrasse bei Bahn-km 22,843 mit der notwendigen inhaltlichen Bestimmtheit als Rechtssatz formulieren lässt. Der Bildung eines solchen gewohnheitsrechtlichen Rechtssatzes steht aber entgegen, dass die Begründung bzw. Unterhaltung von privaten Wegerechten auf privaten Grundstücken sich wie aufgezeigt in den rechtlichen Bahnen der §§ 598 ff. BGB vollzieht. Für die Bildung von Gewohnheitsrecht ist deshalb kein Raum mehr.
Geht man von einem bestehenden Privatwegbahnübergangsrecht der Beigeladenen bei Bahn-km 22,843 aus, so wird in dieses Recht – entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin – nicht nur in unwesentlicher Weise (vgl. § 18b Nr. 2 AEG) eingegriffen. Die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung nach dieser Vorschrift bemisst sich, anders als die Klägerin meint, nicht danach, ob die Folgen des Rückbaus des Bahnübergangs von der Beigeladenen – i.S. einer abwägenden Betrachtung – im Ergebnis hingenommen werden müssen, sondern danach, ob und inwieweit in ihr konkret betroffenes „Recht“ i.S.v. § 74 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 VwVfG eingegriffen wird. „Unwesentlich“ ist ein Eingriff jedenfalls dann nicht mehr, wenn die Substanz des Rechts – wie hier – beseitigt wird. Der Umstand, dass die Beigeladene auch durch Ausübung eines Notwegrechts (vgl. § 917 BGB) – auf ihrem Flst. Nr. 10145 oder einem dritten Grundstück – auf ihr Flst. Nr. 10159 gelangen könnte, ändert hieran nichts.
Damit dürften die Voraussetzungen für den Erlass einer Plangenehmigung schon in formeller Hinsicht nicht vorliegen.
Letztlich kann dies aber offenbleiben. Denn die Klägerin kann den Erlass der begehrten Plangenehmigung für das streitgegenständliche Vorhaben jedenfalls deshalb nicht beanspruchen, weil die materiellrechtlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Allerdings fehlt dem Vorhaben nicht bereits die Planrechtfertigung. Diese setzt nicht voraus, dass für die Planung ein unabweisbares Bedürfnis besteht, vielmehr genügt es, wenn das Vorhaben vernünftigerweise geboten ist. Die Planrechtfertigung ist daher praktisch nur bei groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriffen eine wirksame Schranke der Planungshoheit10. Ein solcher Missgriff liegt hier nicht vor. Der beantragte Rückbau des Bahnübergangs bei Bahn-km 22,843 dient dem zulässigen und vernünftigen Planungsziel, einerseits eine Gefahrenunfallstelle – der Bahnübergang liegt in einer schlecht einsehbaren Kurve – zu beseitigen und andererseits Unterhaltungsarbeiten und -kosten der Westfrankenbahn zu minimieren.
Der Planung stehen auch keine zwingenden Versagungsgründe entgegen. Solche Gründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Ablehnung der planungsrechtlichen Zulassung des Vorhabens lässt aber keinen Verstoß gegen das Abwägungsgebot des § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG erkennen; insbesondere war das Planungsermessen des Eisenbahn-Bundesamts hier nicht in der Weise reduziert, dass sein Gestaltungsfreiraum auf den Erlass der beantragten Plangenehmigung reduziert wäre.
Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich ihrer Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Gem. §§ 18 Satz 3 AEG, 74 Abs. 6 Satz 2 zweiter Halbsatz VwVfG gilt dies in gleicher Weise bei der Plangenehmigung. Das Abwägungsgebot verlangt, dass überhaupt eine Abwägung stattfindet, dass an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, dass die Bedeutung der betroffenen Belange nicht verkannt und der Ausgleich zwischen den betroffenen Belangen nicht in einer Weise vorgenommen wird, die zur Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 07.07.1978 – 4 C 79.76, BVerwGE 56, 110; BVerwG, Urt. v. 28.03.2007 – 9 A 17.06, NuR 2007, 488).
Eine Abwägung hat das Eisenbahn-Bundesamt hier ersichtlich vorgenommen. In die Abwägungsentscheidung wurden auch die nach Lage der Dinge in Betracht kommenden Belange, nämlich das Interesse der Beigeladenen an einer Beibehaltung des Bahnübergangs als Zufahrt zu ihrem Flst. Nr. 10159 und die für einen Rückbau sprechenden wirtschaftlichen, eisenbahnbetrieblichen und sicherheitstechnischen Belange der Vorhabenträgerin eingestellt.
Es begründet keine Abwägungsfehleinschätzung, dass das Eisenbahn-Bundesamt zum einen davon ausgegangen ist, bei ersatzlosem Rückbau des Bahnübergangs verliere das Flst. Nr. 10159 der Beigeladenen seine Anbindung an das öffentliche Wegenetz und diesem Gesichtspunkt zum anderen hohe Bedeutung beigemessen hat.
Nimmt man zugunsten der Beigeladenen ein Privatwegbahnübergangsrecht bei Bahn-km 22,843 an (s.o.), so verfügt sie über eine gefestigte Rechtsposition auf Beibehaltung des Bahnübergangs jedenfalls so lange, wie keine anderweitige vergleichbare, direkte Anbindung ihres Grundstücks Flst. Nr. 10159 an das öffentliche Straßennetz verfügbar ist11. Bereits diese gefestigte Rechtsposition würde ein Überwiegen ihrer Interessen über die gegenläufigen Interessen der Klägerin rechtfertigen. Aber auch dann, wenn man der Beigeladenen keine solche gefestigte Rechtsposition (im Sinne eines Übergangsrechts) zuerkennte, wäre ihr Interesse an einer weiteren Aufrechterhaltung des Bahnübergangs (als „Belang“) vorrangig im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Zwar hat der Anlieger einer Straße regelmäßig keinen Anspruch darauf, dass eine ihm durch einen Bahnübergang vermittelte günstige Verkehrslage beibehalten wird, allerdings sind seine diesbezüglichen Belange in die Abwägung einzustellen und zu gewichten12. Hier ist entscheidend, dass ein Anlieger – die Beigeladene – durch den Rückbau eines Bahnübergangs vom öffentlichen Straßennetz abgeschnitten wird. Das Flst. Nr. 10159 verfügt über keine anderweitige Erschließung. Privatrechtliche Zugangs- bzw. Zufahrtsrechte über andere Grundstücke bestehen nicht. Auf ein Notwegrecht i.S.v. § 917 BGB muss sich die Beigeladene – wovon auch das Eisenbahn-Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid der Sache nach ausgegangen ist – nicht verweisen lassen. Als „ultima ratio“ zum Ausgleich einer ansonsten fehlenden Verbindung zu einem öffentlichen Weg13 ist es von vornherein kein gleichwertiger Ersatz für den Wegfall ebendieser Anbindung. Hinzu kommt, dass das nicht grundbuchfähige Notwegrecht anders als eine vorhandene Verbindung zum öffentlichen Straßen- und Wegenetz gegebenenfalls gegenüber dem jeweiligen Eigentümer des belasteten Grundstück (neu) erstritten werden muss.
Zu Recht ist das Eisenbahn-Bundesamt auch davon ausgegangen, dass der bei Bahn-km 22,555 vorhandene – weitere – Bahnübergang keinen adäquaten Ersatz für den Wegfall des Bahnübergangs bei Bahn-km 22,843 darstellt. Denn unstreitig kann der über jenen Bahnübergang führende Weg – wegen seiner Abschüssigkeit und U-förmigen Gestaltung – mit längeren landwirtschaftlichen Fahrzeugen nicht befahren werden. Die Beigeladene nutzt das Flst. Nr. 10159 – wie sich in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt hat – aber als Mähweide und Standort für Zuchtbäume. Deshalb ist sie nachvollziehbar auf eine Zufahrtsmöglichkeit mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Maschinen angewiesen. Hinzu kommt, dass das Flst. 10159 auch bei Benutzung des Bahnübergangs bei Bahn-km 22,555 nicht auf öffentlichen Wegen, sondern nur unter Inanspruchnahme eines Notwegrechts über andere Grundstücke angefahren werden könnte. Dem Gesichtspunkt, dass das Flst. Nr. 10159 jedenfalls derzeit über ebenfalls im Eigentum der Beigeladenen stehende Nachbargrundstücke angefahren werden könnte, hat das Eisenbahn-Bundesamt im Rahmen der Abwägung zu Recht keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Denn die Eigentumsidentität kann sich jederzeit ändern, etwa wenn die Beigeladene ihr (Nachbar)Grundstück verkauft. Zudem schließt der Gesichtspunkt der Zufahrtsmöglichkeit über eigene Drittgrundstücke zwar möglicherweise die Inanspruchnahme eines Notwegerechts über Fremdgrundstücke aus14, kann aber nicht als zumutbare Zufahrtsalternative gegen die Beseitigung einer direkten Anbindung eines Grundstücks an das öffentliche Straßen- und Wegenetz ins Feld geführt werden.
Aus denselben Gründen musste das Eisenbahn-Bundesamt auch nicht zulasten der Beigeladenen berücksichtigen, dass diese ihr Flst. Nr. 10159 tatsächlich seit einigen Jahren über das in ihrem Eigentum stehende Drittgrundstück Nr. 10145 anfährt, zumal die Nichtnutzung des Privatwegbahnübergangs maßgeblich darauf zurückzuführen ist, dass die Klägerin ihrer Unterhaltungspflicht bezüglich des Bahnübergangs bei Bahn-km 22,843 nicht hinreichend nachgekommen ist.
Zu Recht hat das Eisenbahn-Bundesamt schließlich den gegenläufigen wirtschaftlichen bzw. sicherheitstechnischen Interessen der Klägerin bzw. Westfrankenbahn und der Öffentlichkeit keine durchschlagende Bedeutung zugemessen. Das wirtschaftliche Interesse der Klägerin daran, den Bahnübergang in Zukunft nicht mehr unterhalten zu müssen, ist vor dem Hintergrund des fortbestehenden Interesses der Beigeladenen an einer Aufrechterhaltung des Bahnübergangs nicht allzu hoch zu veranschlagen. Dasselbe gilt auch in Bezug auf das Sicherheitsinteresse der Klägerin bzw. der Öffentlichkeit daran, dass eine „Gefahrenunfallstelle“ beseitigt wird. Es spricht nichts dafür, dass es sich bei dem Bahnübergang um eine konkrete Gefahrenunfallstelle handelt. Hierzu hat die Klägerin auch nichts vorgetragen. Bei Bahn-km 22,843 besteht allenfalls eine abstrakte Gefahrenlage dadurch, dass der Bahnübergang in einer schlecht einsehbaren Kurve liegt. Dieser Gefahr kann aber ohne weiteres – wie bereits in der Vergangenheit – durch eine entsprechende Hinweisbeschilderung und regelmäßiges Freischneiden der Sichtflächen begegnet werden. Nach § 11 Abs. 10 Nr. 1a) i.V.m. Abs. 12 EBO reicht diese – herabgestufte – Sicherungsart bei „Privatwegbahnübergängen ohne öffentlichen Verkehr“ aus. Außerdem ist nicht nur der – im Wesentlichen nur den Interessen der Beigeladenen dienende – Bahnübergang selbst, sondern auch die Bahnstrecke – wenig frequentiert. Es handelt sich um eine sog. Nebenbahn, auf der nur 41 Reisezüge pro 24 h verkehren. Es ist ferner nicht zu beanstanden, dass das Eisenbahn-Bundesamt der ungünstigen Straßenverkehrssituation – der Privatweg mündet im Kurvenbereich in die B 47 ein – keine durchschlagende Bedeutung beigemessen hat. Auch diesbezüglich ist nicht erkennbar, dass der auf dem Privatweg anfallende, allenfalls äußerst geringfügige Verkehr eine signifikante Gefahrensituation begründen könnte. Zudem könnte dieser Gefahr mit straßenverkehrsrechtlichen Mitteln (Hinweisschilder, Geschwindigkeitsreduzierung) Rechnung getragen werden.
Soweit die Klägerin mit ihrem Klagevorbringen noch rügt, ihr sei eine Ertüchtigung des Bahnübergangs bei Bahn-km 22,843 nicht zumutbar, hat das Eisenbahn-Bundesamt zu Recht darauf verwiesen, dass sich ihre Verpflichtung, den Bahnübergang – als Bestandteil der Eisenbahninfrastruktur – in betriebssicherem Zustand zu halten, unmittelbar aus § 4 Abs. 1 AEG ergibt. Der Umstand, dass die von der Klägerin zu diesem Zweck zu tätigenden Investitionen – vor dem Hintergrund bisheriger Versäumnisse – möglicherweise nicht unerheblich sind, kann jedenfalls im Rahmen der Abwägung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG nicht entscheidend ins Gewicht fallen. An dem von der Klägerin ins Feld geführten Investitionsvolumen sind unabhängig davon aber auch Zweifel angebracht, weil es nach § 11 Abs. 10 Nr. 1a i.V.m. Abs. 12 EBO bei Bahnübergängen der vorliegenden Art ausreicht, eine Kennzeichnung als Privatweg anzubringen und die Übersicht auf die Bahnstrecke zu gewährleisten. Schranken, Posten oder eine Sprechanlage zum zuständigen Betriebsbeamten sind gerade nicht erforderlich.
Bei einer Gesamtbetrachtung sämtlicher öffentlicher und privater Belange ist es damit nicht zu beanstanden, dass das Eisenbahn-Bundesamt den privaten Belange der Beigeladenen an einer Aufrechterhaltung des Bahnübergangs den Vorzug eingeräumt hat vor den gegenläufigen Interessen der Klägerin. Eine anderweitige Konfliktlösung drängt sich nach Lage der Dinge nicht auf; auch die von der Klägerin eingereichten Planunterlagen geben hierfür nichts her.
Aus gegebenem Anlass weist der Verwaltungsgerichtshof noch darauf hin, dass die Klägerin nach dem oben Ausgeführten – jedenfalls derzeit aufgrund der von ihr eingereichten Planunterlagen – den Rückbau des Bahnübergangs bei Bahn-km 22,843 auch nicht im Wege einer Planfeststellung statt einer Plangenehmigung beanspruchen könnte.
Der hilfsweise verfolgte Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung ihres Antrags vom 13.07.2009 entsprechend der Rechtsauffassung des Gerichts ist ebenfalls zulässig, aber unbegründet. Wie oben bereits ausgeführt wurde, dürften bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Plangenehmigung nicht vorliegen und ist auch ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot nicht zu erkennen. Ein Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags vom 13.07.2009 steht der Klägerin daher nicht zu (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2011 – 5 S 2436/10
- BVerwG, Beschl. v. 25.05.2005 – 9 B 41.04[↩]
- BGBl I S. 2378, ber. BGBl. 1994 I S. 2439[↩]
- BGBl. I 2542[↩]
- BVerwG, Beschl. v. 07.02.2005 – 9 VR 15.04; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 24.09.2002 – 7 MS 180/02, NVwZ 2003, 478 jeweils zu der mit § 74 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 VwVfG wortlautidentischen Vorgängervorschrift des § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AEG[↩]
- vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.1996 – 11 A 100.95, NVwZ 1997, 994; Beschl. v. 24.02.1998 – 4 VR 13.97 (4 A 39.97), NVwZ 1998, 1187 u. Urt. v. 20.12.2000 – 11 A 7.00, NVwZ-RR 2001, 360 sowie VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.10.1999 – 5 S 2575/98, NVwZ-RR 2000, 420; v. 01.03.2005 – 5 S 2272/03[↩]
- BVerwG, Beschluss vom Beschl. v. 31.10.2000 – 11 VR 12.00, NVwZ 2001, 90[↩]
- vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 07.05.1998 – 5 S 1060/98, NVwZ 1999, 550[↩]
- VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.04.1980 – V 3260/78 und Urt. v. 19.11.2009 – 5 S 1065/08 , VRS 118, 231[↩]
- opinio juris, vgl. zu den Entstehungsvoraussetzungen Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. Rdnr. 60 ff. m.w.N.[↩]
- vgl. BVerwG, Urt. v. 03.06.1971 – 4 C 64.70, BVerwGE 38, 152; Urt. v. 07.07.1978 – 4 C 79.76, BVerwGE 56, 110; Urt. v. 22.03.1985 – 4 C 15.83, BVerwGE 71, 166; Urt. v. 24.11.1989 – 4 C 41.88, BVerwGE 84, 123; Urt. v. 08.07.1998 – 11 A 53.97, BVerwGE 107, 142[↩]
- vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 28.01.2004 – 9 A 27.03, DVBl. 2004, 658[↩]
- BVerwG, Urt. v. 28.01.2004, a.a.O.; Urt. v. 21.12.2005 – 9 A 12.05 u.a., NVwZ 2006, 603[↩]
- vgl. OVG Niedersachsen, Beschl. v. 28.01.2011 – 7 ME20/11[↩]
- BGH, Urt. v. 07.07.2006 – V ZR 159/05, NJW 2006, 3426; OLG Brandenburg, Urt. v. 02.07.2009 – 5 U 120/07[↩]