Hat das Finanzamt den Einspruch einer GmbH gegen einen ihr gegenüber ergangenen Schenkungsteuerbescheid als unbegründet zurückgewiesen, ist ein zum Einspruchsverfahren der GmbH hinzugezogener Gesellschafter nicht befugt, gegen die Einspruchsentscheidung und den Schenkungsteuerbescheid zu klagen.

Nach § 40 Abs. 2 FGO ist eine Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der GmbH-Gesellschafter geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
Der gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO durch die Finanzbehörde zum Einspruchsverfahren hinzugezogene Dritte erlangt zwar im Einspruchsverfahren die Stellung eines Verfahrensbeteiligten (§ 359 Nr. 2, § 360 Abs. 1 und 4 AO). Die Hinzuziehung begründet aber für sich betrachtet nicht die Klagebefugnis des Hinzugezogenen1.
Eine Rechtsverletzung des Hinzugezogenen i.S. des § 40 Abs. 2 FGO ist gegeben, wenn er durch die Einspruchsentscheidung formell und materiell-?rechtlich beschwert ist2. Die formelle Beschwer setzt voraus, dass der Hinzugezogene Anträge im Verfahren des Hauptbeteiligten stellt und diese Anträge zurückgewiesen werden3. Entgegen der Ansicht des Finanzgericht genügt es nicht, dass dem Einspruchsbegehren des Hauptbeteiligten nicht entsprochen worden ist.
Der gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO zum Einspruchsverfahren hinzugezogene Dritte ist materiell-rechtlich beschwert, wenn der Steuerbescheid zugunsten des Hauptbeteiligten geändert wird und damit in verbindlicher Weise gegenüber dem Hinzugezogenen entschieden ist, welche die diesem gegenüber zu ziehenden „richtigen steuerlichen Folgen“ gemäß § 174 Abs. 4 und 5 AO sind4. Sieht die Finanzbehörde den angefochtenen Steuerbescheid als rechtmäßig an und weist es daher den Einspruch des Hauptbeteiligten als unbegründet zurück, beschwert die Einspruchsentscheidung den hinzugezogenen Dritten materiell-rechtlich nicht. Das Finanzamt kann in diesem Fall nicht gemäß § 174 Abs. 4 und 5 AO aus der Einspruchsentscheidung den Dritten belastende Folgerungen ziehen. Dass eine Klage des Hauptbeteiligten gegen den Steuerbescheid Erfolg haben könnte, begründet abweichend von der Auffassung des Finanzgericht nicht die Klagebefugnis des Dritten. Die Beschwer des Hinzugezogenen i.S. des § 40 Abs. 2 FGO muss sich aus der Einspruchsentscheidung selbst ergeben. Diese ist zusammen mit der Steuerfestsetzung aufzuheben, wenn die Anfechtungsklage des Hauptbeteiligten Erfolg hat. Die von der Finanzbehörde in der Einspruchsentscheidung vertretenen Ansichten sind dann gegenstandslos. Sie können daher keine bindende Wirkung zulasten der zum Einspruchsverfahren hinzugezogenen Dritten entfalten.
Der GmbH-Gesellschafter ist im vorliegenden Fall somit durch den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung nicht i.S. des § 40 Abs. 2 FGO beschwert. Zum einen fehlt es nach Aktenlage an der formellen Beschwer. Das Finanzgericht hat nicht festgestellt und aus der Einspruchsentscheidung sowie aus den dem Bundesfinanzhof vorgelegten Akten ist auch nicht ersichtlich, dass der GmbH-Gesellschafter im Einspruchsverfahren der GmbH Anträge gestellt habe und diese zurückgewiesen worden seien. Zum anderen ist der GmbH-Gesellschafter auch materiell-rechtlich nicht beschwert. Das Finanzamt hat in der Einspruchsentscheidung die Steuerschuldnerschaft der GmbH bejaht und durch den während des Klageverfahrens ergangenen Steuerbescheid die festgesetzte Steuer lediglich wegen einer geänderten Bewertung herabgesetzt. Folgerungen zulasten des GmbH-Gesellschafters kann das Finanzamt somit weder aus der Einspruchsentscheidung noch aus dem geänderten Steuerbescheid ziehen.
Die Klagebefugnis lässt sich auch nicht aus der Stellung als früherer Gesellschafter der GmbH ableiten. Der GmbH-Gesellschafter ist nicht Inhaltsadressat des Steuerbescheids vom 13.11.2013 und der Einspruchsentscheidung vom 14.02.2013 und somit dadurch nicht in einer Weise betroffen, die sich als eine Verletzung seiner eigenen Rechte darstellen könnte5.
Dem Antrag des Finanzamt, die übrigen zum Einspruchsverfahren der GmbH hinzugezogenen Gesellschafter der GmbH gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO notwendig beizuladen, war nicht stattzugeben. Zwar ist eine notwendige Beiladung im Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO zulässig. Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung sind aber schon deshalb nicht erfüllt, weil die Klage des GmbH-Gesellschafters wegen fehlender Beschwer (§ 40 Abs. 2 FGO) offensichtlich unzulässig ist6.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 4. März 2015 – II R 1/14
- BFH, Urteile vom 20.07.1988 – I R 174/85, BFHE 154, 495, BStBl II 1989, 87, unter II.A.; in BFHE 160, 123, BStBl II 1990, 696, unter II.A.02.c; vom 29.05.2001 – VIII R 10/00, BFHE 195, 486, BStBl II 2001, 747, unter I. 2.; und vom 29.04.2009 – X R 16/06, BFHE 225, 4, BStBl II 2009, 732, unter II. 2.c aa aaa, m.w.N.[↩]
- BFH-?Urteil in BFHE 225, 4, BStBl II 2009, 732, unter II. 2.c aa bbb, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 160, 123, BStBl II 1990, 696, unter II.A.02.c[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 225, 4, BStBl II 2009, 732, unter II. 2.c aa bbb, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 27.08.2003 – II R 18/02, BFH/NV 2004, 203[↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 26.08.2013 – IV B 62/13, BFH/NV 2013, 1940, Rz 14; und vom 07.05.2014 – II B 117/13, BFH/NV 2014, 1232, Rz 23, je m.w.N.[↩]
Bildnachweis:
- Verhandlungstisch: P. | CC0 1.0 Universal