Verpflichtungsklage – und kein vorheriger Antrag bei der Behörde

Die Zulässigkeit sowohl der Verpflichtungsklage als auch der allgemeinen Leistungsklage setzt grundsätzlich einen vorherigen Antrag bei der Behörde voraus.

Verpflichtungsklage – und kein vorheriger Antrag bei der Behörde

In Bezug auf die Verpflichtungsklage ist anerkannt, dass deren Zulässigkeit allgemein davon abhängt, dass der Kläger den klageweise verlangten Erlass des Verwaltungsakts in dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren ohne Erfolg beantragt hat. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung ergibt sich aus § 68 Abs. 2, § 75 Satz 1 VwGO („Antrag auf Vornahme“) und stellt eine Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gewaltenteilung dar, nach dem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden.

Die Voraussetzung steht unter dem Vorbehalt, dass das einschlägige bundesrechtlich geordnete Verwaltungsverfahrensrecht keine abweichende Regelung trifft. Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die allgemeine Leistungsklage entsprechend. Fehlt es an einem gesetzlich geregelten Verfahren, in dem der geltend gemachte Anspruch durch eine zuständige Verwaltungsbehörde zu prüfen ist, kann jedoch aus prozessökonomischen Gründen im Einzelfall auch ohne vorherige Antragstellung im Verwaltungsverfahren ein Rechtsschutzbedürfnis für die Leistungsklage anzuerkennen sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Behörde die fehlende Vorbefassung nicht spezifisch gerügt hat1.

Aus prozessökonomischen Gründen kann es zudem angezeigt sein, auf das Erfordernis des vorherigen Antrags bei der Behörde zu verzichten, wenn das Beharren auf einer Vorbefassung der Verwaltung als bloße Förmelei erscheint, weil die Behörde klar und eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass sie einen solchen Antrag definitiv ablehnen wird2.

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Vereinfachtes Berufungsverfahren - und das rechtliche Gehör

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 2. März 2022 – 6 C 7.20

  1. vgl. BVerwG, Urteil vom 25.11.2020 – 6 C 7.19, BVerwGE 170, 345 Rn. 36 m.w.N.; Beschluss vom 22.11.2021 – 6 VR 4.21, NVwZ-RR 2022, 164 Rn. 8 f.[]
  2. vgl. zum Verfahren nach § 123 VwGO BVerwG, Beschluss vom 22.11.2021 – 6 VR 4.21, NVwZ-RR 2022, 164 Rn. 10; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl.2018, § 123 Rn. 70; siehe auch VG Berlin, Urteil vom 24.09.2020 – 19 K 69.16 83[]