Es ist unzutreffend, dass Wartezeiten beim Be- und Entladen unter den Voraussetzungen des § 21a Abs. 3 ArbZG generell keine vergütungspflichtige Arbeitszeit darstellen.

Zwar ist nach § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 ArbZG die Zeit, während derer sich ein als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten beschäftigter Arbeitnehmer am Arbeitsplatz bereithalten muss, um seine Tätigkeit aufzunehmen, abweichend von § 2 Abs. 1 ArbZG keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitrechts, wenn der Zeitraum und dessen voraussichtliche Dauer im Voraus, spätestens unmittelbar vor Beginn des betreffenden Zeitraums bekannt ist. Ob die Norm in ihrer Pauschalität mit der Definition der Arbeitszeit in Art. 3 Buchst. a Nr. 1 2. Spiegelstrich Richtlinie 2002/15/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.03.2002 zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben1 vereinbar ist2, kann dahingestellt bleiben. § 21a ArbZG hat nur arbeitszeitschutzrechtliche Bedeutung und ist für die Vergütungspflicht des Arbeitgebers ohne Belang3.
Kann der Arbeitnehmer während des Be- und Entladens durch Dritte nicht frei über seine Zeit verfügen, sondern muss sich etwa in einer Warteschlange zum Aufrücken bereithalten, leistet er vergütungspflichtige Arbeit iSv. § 611 Abs. 1 BGB. Dazu zählt nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste oder ihm zuzurechnende Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz4 oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung seiner Zeit bestimmen kann, er also weder eine Pause (§ 4 ArbZG) noch Freizeit hat. Diese Voraussetzung ist bei Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst erfüllt5, und zwar auch dann, wenn sich die Notwendigkeit von Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst aus Verzögerungen im Betriebsablauf des zu beliefernden Kunden ergibt. Denn nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber trägt das Wirtschaftsrisiko.
Soweit die Arbeitgeberin bislang pauschal die Anordnung von Überstunden bestritten hat, ist das unbehelflich. Wenn ein Kraftfahrer für eine angewiesene Tour eine bestimmte Zeit benötigt und sie nur unter Leistung von Überstunden ausführen kann, waren die Überstunden – unabhängig von einer ausdrücklichen Anordnung – jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig. Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber darlegen kann, dass die von ihm dem Arbeitnehmer zugewiesene Tour unter Beachtung der Rechtsordnung, insbesondere der für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Fahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten geltenden (Sozial-)Vorschriften und des Straßenverkehrsrechts, innerhalb der Normalarbeitszeit gefahren werden kann. Erst dann obliegt es dem Arbeitnehmer, besondere Umstände darzutun, die zur Überschreitung der Normalarbeitszeit führten6.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 5 AZR 362/16
- ABl. EG L 80 vom 23.03.2002 S. 35, im Folgenden RL 2002/15/EG[↩]
- verneinend: Schliemann ArbZG 3. Aufl. § 21a Rn. 29; Buschmann/Ulber ArbZG 8. Aufl. § 21a Rn. 13; vgl. auch Baeck/Deutsch ArbZG 3. Aufl. § 21a Rn. 15; ErfK/Wank 17. Aufl. § 21a ArbZG Rn. 5; HWK/Gäntgen 7. Aufl. § 21a ArbZG Rn. 5 Fn. 6[↩]
- vgl. im Einzelnen: BAG 20.04.2011 – 5 AZR 200/10, Rn.19 ff., BAGE 137, 366; 16.05.2012 – 5 AZR 347/11, Rn. 9, BAGE 141, 330; Baeck/Deutsch ArbZG 3. Aufl. § 21a Rn. 21; Buschmann/Ulber ArbZG 8. Aufl. § 21a Rn. 12; ErfK/Wank 17. Aufl. § 21a Rn. 5; HWK/Gäntgen 7. Aufl. § 21a Rn. 6[↩]
- zum Begriff des Arbeitsplatzes bei der Beschäftigung als Fahrer oder Beifahrer im Straßentransport sh. Art. 3 Buchst. c RL 2002/15/EG[↩]
- st. Rspr., vgl. nur BAG 19.11.2014 – 5 AZR 1101/12, Rn. 16 mwN, BAGE 150, 82; 29.06.2016 – 5 AZR 716/15, Rn. 28[↩]
- BAG 16.05.2012 – 5 AZR 347/11, Rn. 31 mwN, BAGE 141, 330[↩]