Die Geltendmachung oder Zurückweisung zivilrechtlicher Ansprüche im Rahmen eines Vertragsverhältnisses hat grundsätzlich keine wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen, solange der Unternehmer die erforderliche Sorgfalt im Sinne einer Plausibilitätskontrolle einhält.

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne des UWG jedes Verhalten einer Person zugunsten eines Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss dar, auch wenn dieses Verhalten nur mit der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen zusammenhängt. Das mit der UWG-Novelle 2008 eingeführte Lauterkeitsrecht, das eine notwendige Anpassung an die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken vom 11.05.2005 (UGP-Richtlinie) vollzogen hat, setzt keine Handlung zur Förderung des unternehmerischen Absatzes oder Bezugs, also keine Wettbewerbshandlung mehr voraus, sondern es genügt jedes Verhalten eines Unternehmers, das objektiv darauf gerichtet ist, geschäftliche Entscheidungen des Vertragspartners bei Durchführung des Vertrages zu beeinflussen.
Hierzu gehört grundsätzlich auch die Abwehr vertraglicher Rechte des Vertragspartners1, wie dies der Beklagte getan hat, als er die Anfrage des Testkäufers zurückwies, ihm die Hin- und Rücksendekosten zu erstatten und sich insoweit auf die Widerrufsbelehrung berief.
Das Verhalten des Beklagten war aber nicht unlauter im Sinne der §§ 3 Abs. 1 und 2, 4 Nr. 11 UWG, weil nicht jeder Vertragsverstoß und jede Zurückweisung vertraglich begründeter Ansprüche als wettbewerbsrechtlich unlauter anzusehen ist. Denn der Beklagte verstieß nicht gegen die für ihn geltende fachliche Sorgfalt, § 3 Abs. 2 UWG oder gesetzliche Marktverhaltensregeln, § 4 Nr. 11 UWG.
Die Möglichkeit der Geltendmachung oder Zurückweisung zivilrechtlicher Ansprüche gehört zu den grundgesetzlich geschützten Rechten von Unternehmen, Art. 12 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 und 19 Abs. 4 GG. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist daher anerkannt, dass allein in der Erhebung einer Klage zur Durchsetzung vermeintlicher Rechte weder eine unerlaubte Handlung zu sehen ist noch eine Vertragsverletzung2. Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das ihr nach dem Vertrag nicht zusteht, oder etwas zurückweist, das der anderen zusteht, verletzt das Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB nach dieser Rechtsprechung nur dann, wenn sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt im Sinne einer „Plausibilitätskontrolle“ missachtet. Dies gebietet der freie Zugang zu staatlichen Rechtspflegeverfahren, da die Berechtigung der Forderung sicher nur in einem Rechtsstreit geklärt werden kann3.
Es ist daher weiter anerkannt, dass die Verletzung vertraglicher Bindungen im Grundsatz keine wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen hat. Mangelnde Vertragstreue führt nicht automatisch zu einem Unlauterkeitsverdikt4. Ob und wie sich ein Unternehmer gegen Ansprüche seines Vertragspartners zur Wehr setzt, ist nicht Regelungsgegenstand des Wettbewerbsrechts, sondern des Zivilrechts, und bleibt damit dem Unternehmer überlassen5. Verträge sind daher grundsätzlich keine gesetzlichen Vorschriften im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG6.
Vorliegend war es daher nicht unlauter im Sinne der §§ 3 Abs. 1 und 2 sowie 4 Nr. 11 UWG, die Ansprüche des Testkäufers auf Erstattung der Hin- und Rücksendekosten außergerichtlich zurückzuweisen.
In Anbetracht der nach Art. 6 Abs. 2 Fernabsatzrichtlinie grundsätzlich bestehenden Möglichkeit, dem Verbraucher vertraglich die unmittelbaren Kosten der Rücksendung aufzuerlegen, in Anbetracht der noch bis 2010 höchstrichterlich ungeklärten Frage, ob der Verbraucher nach Widerruf die Erstattung der Hinsendekosten verlangen kann sowie in Anbetracht zu diskutierender Fragen des Internationalen Privatrechts und des Prüfungsmaßstabs hat der Beklagte mit der Zurückweisung der Ansprüche des Testkäufers auch nicht die erforderliche Plausibilitätskontrolle missachtet, sondern den Sorgfaltsmaßstab des § 3 Abs. 2 UWG eingehalten. Auf dem Wege des Wettbewerbsrechts ist dem Beklagten damit nicht die Möglichkeit zu nehmen, sich gegen zivilrechtliche Ansprüche des Testkäufers zu wehren und sie einer zivilgerichtlichen Klärung zuzuführen.
Mit der Zurückweisung der vom Testkäufer geltend gemachten Erstattung von Hin- und Rücksendekosten nahm der Beklagte auch keine irreführende geschäftliche Handlung vor, insbesondere nicht durch zur Täuschung geeignete Angaben über Verbraucherrechte, § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 7 UWG.
In der Zurückweisung der vom Testkäufer geltend gemachten Erstattungsansprüche zu den Hin- und Rücksendekosten ist keine Irreführung im Sinne der genannten Vorschriften zu sehen. Insbesondere wurde der Testkäufer durch die Zurückweisung der Ansprüche auch nicht über seine Verbraucherrechte getäuscht.
Im Zusammenhang mit der Geltendmachung oder Zurückweisung einer vertraglichen Forderung liegt nicht in jeder unrichtigen Angabe eine Irreführung7. Erforderlich ist vielmehr ein systematisches Vorgehen. Mithilfe des Irreführungsverbots dürfen die Rechte eines Geschäftspartners, sich gegenüber einem Anspruch zu verteidigen, nicht beschnitten werden. Keinesfalls kann es einem Unternehmer im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG verwehrt werden, im Rahmen der Abwehr von Ansprüchen eine bestimmte Rechtsansicht zu vertreten. Eine als solche geäußerte Rechtsansicht ist als Meinungsäußerung einer inhaltlichen Überprüfung nicht zugänglich. Ob sie sich als richtig erweist, kann auch insoweit nicht im Wettbewerbsprozess, sondern muss in dem Rechtsverhältnis geprüft und entschieden werden, auf das sich diese Rechtsansicht bezieht.
Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 16. Dezember 2011 – 14 O 27/11 KfH III
- Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 2. Rn. 85, m.w.N.[↩]
- BGHZ 179, 238, m.w.N.[↩]
- BGH a.a.O.[↩]
- Harte-Bavendamm/Henning/Bodewig, UWG, 2. Aufl., § 4, Rn. 143 ff.[↩]
- Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 2, Rn. 88[↩]
- Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4, Rn. 11.29[↩]
- hierzu und zum Folgenden Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Auf., § 5, Rn. 2.8 ff.[↩]