Nach § 4 Nr. 1 Einleitungshalbsatz des zwischen der IG Metall und dem Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie e.V. geschlossenen „Tarifvertrags zum Einsatz von Leih-/Zeitarbeitnehmern für die bayerische Metall- und Elektroindustrie“ (TV LeiZ) hat der Entleiher dem Leiharbeitnehmer nach 24 Monaten Überlassung einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten, wenn keine „Betriebsvereinbarung gemäß § 3“ besteht.

Dabei erfordert der Begriff der „betrieblichen Regelung“ iSd. § 3 Nr. 3 Satz 1 TV LeiZ nicht, dass im Betrieb eine – nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG normativ wirkende – Betriebsvereinbarung gilt. Vielmehr erfasst er auch sonstige Vereinbarungen zwischen den Betriebsparteien iSv. § 77 Abs. 1 BetrVG und damit auch Regelungsabsprachen. Dies ergibt die Auslegung der Norm1.
Sowohl der Wortlaut der Bestimmung als auch ihr Inhalt zeigen, dass es sich bei den betrieblichen Regelungen in formeller Hinsicht gerade nicht um eine Betriebsvereinbarung handeln muss. Die Vorschrift stellt die bei Inkrafttreten des TV LeiZ am 22.05.2012 schon in den Betrieben der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vorhandenen Regelungen zum Einsatz von Leiharbeitnehmern ausdrücklich einer Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 2 Satz 2 BetrVG gleich. Sprachlich haben die Tarifvertragsparteien in der Norm ausdrücklich zwischen beiden Begriffen unterschieden.
Diese differenzierende Wortwahl findet sich auch in den sonstigen Normen des TV LeiZ. So verlangt § 3 Nr. 1 Satz 1 TV LeiZ ausdrücklich den Abschluss einer (freiwilligen) Betriebsvereinbarung. Auch § 3 Nr. 1 (II) Satz 1, Nr. 1 (II) Spiegelstrich 2 und Nr. 2 TV LeiZ knüpfen an diesen Begriff an. Soweit die Tarifvertragsparteien in § 3 Nr. 1 (I) TV LeiZ das Wort „Vereinbarung“ verwendet haben, zeigt das vorangestellte Demonstrativpronomen („diese“), dass es sich hierbei um die im vorhergehenden Satz genannte freiwillige Betriebsvereinbarung handelt. Entsprechendes gilt für § 3 Nr. 1 (II) Satz 1 TV LeiZ. Der dort angeführte Begriff „betriebliche Regelungen“ bezieht sich – wie der spezifizierende Zusatz „gemäß Ziffer 1 Abs. (I)“ verdeutlicht – lediglich auf die inhaltlich in der freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 3 Nr. 1 Satz 1 TV LeiZ vereinbarten Bestimmungen. Demgegenüber haben die Tarifvertragsparteien sowohl in § 6 als auch in § 7 TV LeiZ die sprachlich weitergehende Formulierung der betrieblichen Regelungen gewählt. Dies bestätigt, dass hiervon nicht nur Betriebsvereinbarungen, sondern auch sonstige, auf Regelungsabsprachen der Betriebsparteien beruhende und damit für die betrieblichen Verhältnisse maßgebende Vorgaben für den Einsatz von Leiharbeitnehmern im Betrieb erfasst werden sollten.
Der Sinn und Zweck von § 3 Nr. 3 TV LeiZ unterstreicht dieses Verständnis. Die Tarifvertragsparteien wollten bereits bestehende Regelungen im Betrieb zur Leiharbeit ausreichen lassen, um eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Abgabe des in § 4 TV LeiZ geregelten Übernahmeangebots auszuschließen. Die Betriebsparteien sollten in diesem Fall nicht zum Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 3 Nr. 1 TV LeiZ angehalten werden, da dem hiermit verfolgten – und durch die andernfalls möglichen Übernahmeansprüche von Leiharbeitnehmern in § 4 Nr. 1 Spiegelstrich 2 TV LeiZ flankierten – Ziel, den Einsatz von Leiharbeitnehmern im Betrieb zu reglementieren, bereits Genüge getan war. Die Handlungspflicht der Betriebsparteien sollte sich lediglich darauf beschränken, die Gleichwertigkeit der schon vorhandenen betrieblichen Regelungen zu überprüfen (vgl. § 3 Nr. 3 Satz 2 TV LeiZ).
Nach der Systematik und dem Normzweck von § 3 Nr. 3 TV LeiZ müssen sich die bei Inkrafttreten des TV LeiZ bereits im Betrieb anwendbaren Regelungen inhaltlich auf den in § 3 Nr. 1 Satz 1 TV LeiZ aufgeführten Regelungsgegenstand „Einsatz von Leih-/Zeitarbeit“ beziehen. Soweit dort auch die „Ausgestaltung der betrieblichen Flexibilität“ genannt ist, kann dahinstehen, ob es sich hierbei um einen weiteren – eigenständigen – Regelungsgegenstand handelt. Selbst wenn dies der Fall wäre, zeigen § 3 Nr. 1 (I) und (II) Satz 1 TV LeiZ, dass Bestimmungen zur Gestaltung der betrieblichen Flexibilität – etwa die Erhöhung der zulässigen Quote von Arbeitnehmern mit verlängerter individueller wöchentlicher Arbeitszeit nach § 3 Nr. 1 (II) Spiegelstrich 2 Satz 1 TV LeiZ – von den Betriebsparteien nicht zwingend vereinbart sein müssen („soll … genutzt werden“). Weitergehende inhaltliche Anforderungen an die schon bestehenden betrieblichen Regelungen zum Einsatz von Leiharbeitnehmern iSv. § 3 Nr. 3 TV LeiZ stellt der Tarifvertrag nicht auf. Die sprachliche Fassung von § 3 Nr. 1 (I) TV LeiZ („können“ und „u. a.“) verdeutlicht, dass es sich bei den dort genannten Inhalten lediglich um Beispiele für mögliche Inhalte von Regelungen handelt.
Daran gemessen schloß in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall das im Jahr 2007 zwischen der (tarifgebundenen) Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat geschossene „Memorandum of Understanding Flexibilisierungsinstrument Zeitarbeit“ (MoU) als bereits bestehende betriebliche Regelung zum „Einsatz von Leih-/Zeitarbeit“ iSv. § 3 Nr. 3 TV LeiZ einen Anspruch des Arbeitnehmers nach § 4 Nr. 1 Spiegelstrich 2 TV LeiZ aus.
In Nr. 3 des MoU hat die Arbeitgeberin sich gegenüber dem Gesamtbetriebsrat verpflichtet, Verleihverträge nur mit Unternehmen zu schließen, die sich an den Grundentgelten der Metall- und Elektroindustrie orientieren. Die Höhe der in Verleihverträgen zu vereinbarenden Vergütung von Leiharbeitnehmern ist in § 3 Nr. 1 (I) TV LeiZ ausdrücklich als möglicher Regelungsinhalt erwähnt. Unschädlich ist, dass die Gesamtbetriebsparteien lediglich eine Orientierung des Entgelts einer bei der Arbeitgeberin eingesetzten Zeitarbeitskraft an den Grundentgelten der Metall- und Elektroindustrie vereinbart haben. Mit dieser Vereinbarung sollte die Arbeitgeberin angehalten werden, nur solche Leiharbeitsunternehmen zu beauftragen, die ihren Arbeitnehmern in etwa die Grundentgelte der bei der Arbeitgeberin tätigen Stammbelegschaft zahlen.
Das MoU stellt auch eine betriebliche Regelung dar. Diese erfordert nicht, dass die den Einsatz von Leiharbeit begrenzende oder zumindest ausgestaltende Vorgabe mit dem Betriebsrat vereinbart wurde. Die mit dem Gesamtbetriebsrat getroffene Regelungsabsprache reicht aus, da sie den Einsatz von Leiharbeitnehmern in allen Betrieben der Arbeitgeberin und damit auch im Betrieb, in dem der Arbeitnehmer eingesetzt war, betrifft. Dies folgt aus Sinn und Zweck von § 3 Nr. 1 und § 4 TV LeiZ. Den Tarifvertragsparteien ging es darum, den Einsatz von Leiharbeitnehmern zugunsten der Stammbelegschaft zu beschränken. Daher kommt es auch im Rahmen von § 3 Nr. 3 TV LeiZ lediglich darauf an, ob für den Betrieb eine Regelung zur Anwendung gelangt, die diesen Einsatz in irgendeiner Art und Weise reglementiert.
Die in § 3 Nr. 3 Satz 2 TV LeiZ vorgesehene Prüfpflicht der Betriebsparteien steht dem durch das MoU bewirkten Ausschluss des Übernahmeanspruchs nach § 4 TV LeiZ nicht entgegen. Unabhängig davon, dass die Betriebsparteien dieser Aufgabe durch den Abschluss der Protokollnotiz – die das MoU ausdrücklich erweitert und damit bestätigt – nachgekommen sind, hätte ein Verstoß hiergegen weder die Unwirksamkeit der betrieblichen Regelungen noch den Wegfall der Fiktionswirkung nach § 3 Nr. 3 Satz 1 TV LeiZ zur Folge.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Oktober 2019 – 1 AZR 217/18
- zu den Auslegungsgrundsätzen vgl. etwa BAG 23.10.2018 – 1 ABR 10/17, Rn. 26 mwN[↩]