Ansprüche auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs können grundsätzlich tariflichen Ausschlussfristen unterfallen1. Bezieht sich die tarifliche Ausschlussfrist – wie die Regelung in § 18 des MTV für die Angestellten der Druckindustrie in den Ländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern – ausdrücklich nur auf „Ansprüche aus dem Manteltarifvertrag und den Gehaltstarifverträgen“, wird der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs von dieser Ausschlussfrist nicht erfasst.

Zwar können grundsätzlich auch Ansprüche auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs tariflichen Ausschlussfristen unterfallen. Der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG steht dem nicht entgegen2. Dass der Urlaubsabgeltungsanspruch verfallen kann, ist eine notwendige Folgewirkung der Aufgabe der Surrogatstheorie durch die Rechtsprechung3. Nach Aufgabe der Surrogatstheorie stellt der Urlaubsabgeltungsanspruch nunmehr stets einen auf eine finanzielle Vergütung gerichteten Geldanspruch i. S. des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung4 (Arbeitszeitrichtlinie) dar. Damit ist die Möglichkeit verbunden, dass der Abgeltungsanspruch bei Nichtwahrung tarifliche Ausschlussfristen verfällt5.
Im vorliegenden Fall ist der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch der Arbeitnehmerin jedoch nicht verfallen. Zwar findet der MTV im Arbeitsverhältnis der Parteien kraft vertraglicher Bezugnahme Anwendung. Doch wird der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch von der Ausschlussfrist des § 18 Ziff. 1 lit a) MTV nicht erfasst. Dies ergibt sich aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift.
§ 18 MTV bezieht sich auf Ansprüche aus dem Manteltarifvertrag und aus den Gehaltstarifverträgen der Druckindustrie in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und regelt die Fristen, innerhalb derer diese Ansprüche geltend gemacht werden müssen. Nach § 18 Abs. 2 MTV ist die Geltendmachung nach Ablauf der Fristen ausgeschlossen. Für „sonstige tarifliche Geldansprüche“ ist in 18 Ziff. 1 lit b) MTV eine Geltendmachungsfrist von „drei Monaten nach dem Zeitpunkt, an dem sie hätten erfüllt werden müssen“ vorgesehen.
Der auf § 7 Abs. 4 BUrlG gestützte Anspruch der Arbeitnehmerin auf Abgeltung des gesetzlichen Urlaubs ist kein „sonstiger tariflicher Geldanspruch“ i. S. des § 18 Ziff. 1 lit. b) MTV, sondern ein gesetzlicher Anspruch.
Beziehen sich tarifliche Verfallklauseln auf „tarifliche Geldansprüche“, betreffen sie Ansprüche, die ihre materielle Anspruchsgrundlage im Tarifvertrag haben. Darüber hinaus erfassen sie auch solche gesetzlichen oder vertraglichen Ansprüche, deren Bestand von einem tariflich ausgestalteten Anspruch abhängig ist oder in einem rechtlichen Zusammenhang mit einem tariflichen Anspruch steht6. Ziel der Tarifvertragsparteien ist es, mit einer derartigen Klausel typischerweise langwierige Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen von tariflichen Ansprüchen zu vermeiden7.
Durch die Begrenzung des sachlichen Geltungsbereichs einer Ausschlussfrist auf tarifliche Ansprüche werden solche gesetzlichen oder vertraglichen Ansprüche ausgenommen, deren Bestand von einem tariflich ausgestalteten Anspruch unabhängig ist8. Zu diesen Ansprüchen gehört der Anspruch auf Abgeltung des nicht genommenen gesetzlichen Urlaubs. Dieser Abgeltungsanspruch hat seine Rechtsgrundlage allein in § 7 Abs. 4 BUrlG. Von tariflichen Regelungen ist er unabhängig; denn Bestimmungen in Tarifverträgen können nur zu Gunsten der Arbeitnehmer von der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 4 BUrlG abweichen (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG).
Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 26. März 2014 – 6 Sa 104/13
- im Anschluss an BAG 09.08.2011 – 9 AZR 365/10 – BAGE 139, 1-14[↩]
- BAG 13.12.2011 – 9 AZR 399/10 – BAGE 140, 133 ff.; BAG, 09.08.2011 – 9 AZR 365/10 – NZA 2011, 1421[↩]
- BAG 19.06.2012 – 9 AZR 652/10 – BAGE 142, 64 ff; BAG, 09.08.2011 – 9 AZR 365/10 – NZA 2011, 1421[↩]
- ABL. EU L 299 vom 18.11.2003[↩]
- BAG 19.06.2012 – 9 AZR 652/10 – BAGE 142, 64 ff[↩]
- BAG 01.10.2002 – 9 AZR 215/01 – BAGE 103, 45 ff.; BAG, 19.01.1999 – 9 AZR 637/97 – BAGE 90, 311 ff.[↩]
- BAG 01.10.2002 – 9 AZR 215/01 – BAGE 103, 45 ff.[↩]
- BAG, 19.01.1999 – 9 AZR 637/97 – BAGE 90, 311 ff.; BAG 16.10.1985 – 5 AZR 187/84 –juris[↩]