Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts1, des Bundesgerichtshofs2, des Bundesverwaltungsgerichts3 und des Bundesarbeitsgerichts4 sehen das Grundgesetz und die Gerichtsverfassung im Interesse der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit der Richter vor, dass ihr Amt grundsätzlich von bei dem betreffenden Gericht planmäßig und auf Lebenszeit ernannten Richtern ausgeübt wird. Richter sind nach Art. 97 Abs. 1 GG weisungsunabhängig; ihre sachliche Unabhängigkeit wird durch die Garantie der persönlichen Unabhängigkeit in Art. 97 Abs. 2 GG institutionell gesichert. Auch Art. 92 GG setzt als Normalfall Richter voraus, die unversetzbar und unabsetzbar sind5.

Der Einsatz von nicht planmäßigen Richtern bei einem Gericht ist deshalb auf das zwingend gebotene Maß zu beschränken. Die Notwendigkeiten, die eine solche Verwendung rechtfertigen, können in den einzelnen Gerichtszweigen, bei den einzelnen Gerichten und bei ihren Kammern odas Bundesarbeitsgerichten örtlich und zeitlich verschieden sein; daher hängt es von den jeweiligen besonderen Umständen ab, ob und in welchem Maß im Einzelfall die Besetzung der Gerichte mit nicht planmäßigen Richtern zulässig ist. In jedem Fall muss es sich um unumgängliche Bedürfnisse der Rechtspflege handeln. Das Grundgesetz beschränkt eine solche Verwendung auf das zwingend gebotene Maß5.
Ein zwingender Grund für den Einsatz planmäßiger Richter unterer Gerichte in Abordnung an obere Gerichte ist die Eignungserprobung6. Die Notwendigkeit, Nachwuchs heranzubilden oder Beurteilungsgrundlagen für ein richterliches Beförderungsamt zu schaffen, erlaubt die Heranziehung auch solcher Richter an ein Gericht, die nicht planmäßige Richter dieses Gerichts sind7.
Zudem liegen zwingende Gründe für einen Einsatz nicht planmäßiger Richter an oberen Gerichten vor, wenn vorübergehend ausfallende planmäßige Richter, deren Arbeit von den im Geschäftsverteilungsplan bestimmten Vertretern neben den eigenen Aufgaben nicht bewältigt werden kann, vertreten werden müssen oder wenn ein zeitweiliger außergewöhnlicher Arbeitsanfall aufzuarbeiten ist. Auch in solchen Fällen ist die Verwendung von nicht planmäßigen Richtern nicht gerechtfertigt, wenn die Arbeitslast des Gerichts deshalb nicht bewältigt werden kann, weil es unzureichend mit Planstellen ausgestattet ist, oder weil die Justizverwaltung es verabsäumt hat, offene Planstellen binnen angemessener Frist zu besetzen8.
Danach war, wie sich aus der vom Revisionsgericht eingeholten dienstlichen Auskunft des Sächsischen Landesarbeitsgerichts ergibt, die Kammer 7 des Landesarbeitsgerichts im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 01.08.2014 sowie im Verkündungstermin am 29.08.2014, in dem das anzufechtende Urteil ergangen ist, nicht ordnungsgemäß besetzt.
Aus der dienstlichen Auskunft des Sächsischen Landesarbeitsgerichts geht hervor, dass das Sächsische Landesarbeitsgericht grundsätzlich nach den Berechnungen des Personalbedarfsberechnungssystems (PEBB§Y) mit sieben Vorsitzenden einschließlich des Präsidenten und des Vizepräsidenten ausreichend besetzt ist. Die Geschäftsverteilungspläne 2007 bis 2014 weisen dementsprechend bei neun Kammern jeweils mindestens sieben als planmäßig mit Vorsitzenden Richtern/Richterinnen besetzte Kammern aus. Danach spricht nichts dafür, dass die Arbeitslast des Landesarbeitsgerichts im Geschäftsverteilungszeitraum 2014 wegen fehlender oder offener Planstellen nicht bewältigt werden konnte und die hier zu beurteilende Abordnung vor dem Hintergrund eines derartigen Mangels aufzufassen wäre.
Aus der dienstlichen Auskunft des Sächsischen Landesarbeitsgerichts geht weiter hervor, dass Richter am Arbeitsgericht als ständiger Vertreter des Direktors T vom 01.01.2013 bis zum 31.12 2013 mit seiner vollen Arbeitskraft (1,0 AKA) an das Sächsische Landesarbeitsgericht abgeordnet war. Seine Abordnung wurde zum 1.01.2014 zunächst bis zum 31.12 2014 mit seiner halben Arbeitskraft (0,5 AKA) verlängert. Im Übrigen (0,5 AKA) nimmt er seine Aufgaben als ständiger Vertreter des Direktors beim Arbeitsgericht C wahr. Aus dem Geschäftsverteilungsplan 2015 ergibt sich, dass eine weitere Verlängerung mit halber Arbeitskraft (0,5 AKA) bis zum 31.12 2015 erfolgt ist.
Richter am Arbeitsgericht als ständiger Vertreter des Direktors T war nach den jährlichen Geschäftsverteilungsplänen 2013 bis 2014 und den dazu ergangenen Änderungsbeschlüssen zunächst der Kammer 7 zugeordnet, mit Wirkung vom 06.09.2013 (auch) der Kammer 8, in den Jahren 2014 und 2015 der Kammer 7.
In der dienstlichen Auskunft des Sächsischen Landesarbeitsgerichts heißt es: „Die Reduzierung der Arbeitsanteile des Richters am Arbeitsgericht als ständiger Vertreter des Direktors T zum 1.01.2014 erfolgte, um zeitgleich auch der Richterin am Arbeitsgericht M eine Erprobungsabordnung zu ermöglichen.“ Die Abordnung der Richterin am Arbeitsgericht M zur Erprobung erfolgte laut der dienstlichen Auskunft für den Zeitraum 1.01.2014 bis 31.12 2015. Weiter heißt es in der dienstlichen Auskunft: „Die Abordnung des Herrn T erfolgte ebenfalls zur Erprobung. Jedenfalls ab Juli 2014 bestand sie auch aufgrund einer befürchteten vorübergehenden Überlastung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts, so dass Herrn Ts Abordnung zum Sächsischen Landesarbeitsgericht zu 0, 5 AKA nochmals verlängert wurde.“ Dazu heißt es, ab April 2014 habe sich eine unvorhergesehene Überbelastung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts abgezeichnet, weil zwei Vorsitzende krankheitsbedingt auszufallen drohten, was bei nur sieben Vorsitzenden Richterstellen nicht durch die Vertreter ausgeglichen werden könne. Vor diesem Hintergrund sei die „weitere Abordnung des Herrn T unabdingbar gewesen“. Allerdings hätten sich die Befürchtungen längerfristiger Ausfälle der beiden Kollegen bis zum Jahresende 2014 als unbegründet erwiesen. An anderer Stelle heißt es, Herrn T, der aufgrund seiner positiven Entwicklung für eine Stelle als Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht in Betracht komme, „sollte die Möglichkeit der Erprobung, insbesondere einer weiteren Bewährung in der zweiten Instanz gegeben werden.“
Zwingende Gründe für einen Einsatz des Richters am Arbeitsgericht als ständiger Vertreter des Direktors T am Sächsischen Landesarbeitsgericht ab dem 1.01.2014 sind nicht dargelegt worden.
Aus der dienstlichen Auskunft des Sächsischen Landesarbeitsgerichts geht für die Verlängerung ab dem 1.01.2014 der zuvor bereits ein Jahr in Vollzeit zur Erprobung erfolgten Abordnung nicht hervor, dass auch sie zur Erprobung erfolgt ist. Bezogen auf den Verlängerungszeitraum reicht allein ein „auch“ (jedenfalls „ab Juli 2014 bestand sie auch aufgrund einer befürchteten vorübergehenden Überlastung“) nicht aus, um mit der gebotenen Eindeutigkeit von einer Eignungserprobung ausgehen zu können. Auch sind tatsächliche Umstände dafür nicht aufgezeigt worden. Eine „weitere Bewährung in der zweiten Instanz“, für die ebenfalls keine tatsächlichen Umstände angeführt worden sind, kann nicht als zwingender Grund iSd. Vorgaben angesehen werden.
Auch ein anderer zwingender Grund ist für die Verlängerung ab dem 1.01.2014 nicht erkennbar.
Eine Erprobungsabordnung eines anderen Richters, auch wenn diese in Teilzeitbeschäftigung erfolgt, ist an sich kein zwingender Grund, der eine Besetzung in Abordnung der anderen Hälfte der Vorsitzendenstelle tragen kann.
Allein die Befürchtung, es werde vermutlich zu einem vorübergehenden Ausfall planmäßiger Richter kommen, deren Arbeit von den im Geschäftsverteilungsplan bestimmten Vertretern dann neben den eigenen Aufgaben nicht bewältigt werden könnte, reicht nicht aus. Abgesehen davon, dass sich eine solche Situation nach der dienstlichen Auskunft (erst) ab April 2014 abzeichnete, während der Geschäftsverteilungsplan für 2014 mit der durchgängigen Besetzung der Kammer 7 durch Richter am Arbeitsgericht als ständiger Vertreter des Direktors T bereits im Dezember 2013 beschlossen worden ist, ist allein die Befürchtung eines durch die regelmäßige Vertretung nicht auffangbaren Ausfalls planmäßiger Richter kein zwingender Grund, sondern erst eine solcherart eingetretene Situation.
Ein aufzuarbeitender – also bereits tatsächlich bestehender – zeitweiliger außergewöhnlicher Arbeitsanfall ist nicht dargelegt worden.
Auf den mit der Beschwerde gerügten Gesichtspunkt der Teilabordnung kommt es nach allem nicht mehr an.
Einer Darlegung, dass das Berufungsurteil auf dem gerügten Verfahrensfehler beruht, bedurfte es nicht, weil das Gesetz davon ausgeht, dass in einem solchen Fall die Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend angesehen wird (§ 547 Nr. 1 ZPO).
Wegen der im Jahre 2015 fortbestehenden Abordnung des Richters am Arbeitsgericht als ständiger Vertreter des Direktors T, für die ein zwingender Abordnungsgrund nicht erkennbar ist, machte das Bundesarbeitsgericht von der Möglichkeit der Zurückverweisung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts Gebrauch.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18. Juni 2015 – 8 AZN 881/14
- BVerfG 13.11.1997 – 2 BvR 2269/93; 23.01.1996 – 1 BvR 1551/95; 8.07.1992 – 2 BvL 27/91, 2 BvL 31/91, zu C III 2 a der Gründe mwN, BVerfGE 87, 68; 3.07.1962 – 2 BvR 628/60, 2 BvR 247/61, zu B I der Gründe, BVerGE 14, 156[↩]
- ua. BGH 16.03.2005 – RiZ (R) 2/04, zu II 2 b der Gründe, BGHZ 162, 333; 13.07.1995 – V ZB 6/94, zu III 1 b aa der Gründe, BGHZ 130, 304; 5.06.1985 – VIII ZR 135/84, zu II 2 der Gründe, BGHZ 95, 22; 15.11.1956 – III ZR 84/55 – BGHZ 22, 142, 145[↩]
- BVerwG 23.08.1996 – 8 C 19.95 – BVerwGE 102, 7[↩]
- BAG 6.06.2007 – 4 AZR 411/06, Rn. 34, BAGE 123, 46; 25.03.1971 – 2 AZR 187/70[↩]
- BVerfG 3.07.1962 – 2 BvR 628/60, 2 BvR 247/61, zu B I der Gründe, BVerfGE 14, 156[↩][↩]
- BVerfG 22.06.2006 – 2 BvR 957/05, Rn. 7 mwN; 3.07.1962 – 2 BvR 628/60, 2 BvR 247/61, zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 14, 156[↩]
- BVerfG 22.06.2006 – 2 BvR 957/05, Rn. 7 mwN; 13.11.1997 – 2 BvR 2269/93; 23.01.1996 – 1 BvR 1551/95; 9.11.1955 – 1 BvL 13/52, 1 BvL 21/52, zu IV 2 b der Gründe, BVerfGE 4, 331[↩]
- BVerfG 3.07.1962 – 2 BvR 628/60, 2 BvR 247/61, zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 14, 156[↩]