Absenkung der Sonderzahlung in kirchlichen Arbeitsverhältnissen

§ 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 der Ordnung zur Beschäftigungssicherung für kirchliche Mitarbeiter (Beschäftigungssicherungsordnung – BSO) der (evangelischen) Rheinisch-Westfälisch-Lippischen Arbeitsrechtlichen Kommission ermöglichen die Abweichung von der Regelung in § 19 BAT-KF für Angehörige einer Dienststelle iSd. § 3 MVG-EKD aufgrund einer Dienstvereinbarung gemäß § 36 MVG-EKD.

Absenkung der Sonderzahlung in kirchlichen Arbeitsverhältnissen

Eine abweichende Regelung über die Höhe der Sonderzuwendung konnte nach der in § 36 Abs. 1 Satz 3 MVG-EKD enthaltenen Öffnungsklausel durch Dienstvereinbarung erfolgen, wobei den Dienststellenleiter nach § 2 Abs. 2 BSO bestimmte Informationspflichten treffen. Die Wirksamkeit dieser Dienstvereinbarung ist jedoch nicht von einer Erfüllung dieser Informationspflichten abhängig.

Nach § 36 Satz 1 MVG-EKD können Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung Dienstvereinbarungen abschließen. Dienstvereinbarungen dürfen Regelungen weder erweitern, einschränken noch ausschließen, die ua. auf Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission beruhen (Satz 2). Nach der in Satz 3 enthaltenen Öffnungsklausel können durch eine solche Regelung ausgestaltete Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen nicht Gegenstand einer Dienstvereinbarung sein, es sei denn, die Regelung nach Satz 2 lässt eine Dienstvereinbarung ausdrücklich zu. Dies ist vorliegend der Fall. § 1 Abs. 1 Satz 1 BSO gestattet den Abschluss einer Dienstvereinbarung zur Reduzierung der Höhe der Jahressonderzahlung nach § 19 BAT-KF um bis zu 50 vH.

Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 BSO für eine Dienstvereinbarung über die Höhe der Sonderzahlung für das Jahr 2011 sind erfüllt. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war die Beklagte bei Abschluss der DV 2011 nicht in der Lage, aus den erwirtschafteten Mitteln die laufenden Verpflichtungen zu erfüllen.

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Ein etwaiger Verstoß des Dienststellenleiters gegen die in § 2 Abs. 2 BSO bestimmten Informationspflichten führt nicht zur Unwirksamkeit einer auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 BSO abgeschlossenen Dienstvereinbarung.

Kirchliche Arbeitsrechtsregelungen sind, obwohl sie nicht als Tarifverträge anzusehen sind, nach den für Tarifnormen geltenden Grundsätzen auszulegen. Danach ist vom Wortlaut der Arbeitsrechtsregelung auszugehen und anhand dessen der Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Wortlaut zu haften. Der wirkliche Wille der Regelungsgeber und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Bestimmungen sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den Arbeitsrechtsregelungen ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist auch auf den systematischen Zusammenhang. Verbleibende Zweifel können durch die Heranziehung weiterer Auslegungskriterien, wie der Entstehungsgeschichte der Arbeitsrechtsregelungen oder ihrer praktischen Handhabbarkeit geklärt werden1.

Danach hing die Wirksamkeit der Dienstvereinbarung zur Absenkung der Sonderzahlungen nicht von einer bestimmten Informationspflicht des Dienststellenleiters ab.

Hierfür spricht schon der Wortlaut. Nach § 2 Abs. 1 BSO kann eine Dienstvereinbarung unter den dort bestimmten Voraussetzungen abgeschlossen werden. Hierauf nimmt § 2 Abs. 2 BSO ersichtlich Bezug und bestimmt ein Verfahren, das dem Abschluss der Dienstvereinbarung nach § 1 Abs. 1 BSO voranzugehen hat. Dass die Einhaltung dieses Verfahrens Wirksamkeitsvoraussetzung für den Abschluss der Dienstvereinbarung ist, legen weder die BSO noch das MVG-EKD fest.

Auch der Regelungszweck der BSO spricht gegen die Annahme der von der Revision vertretenen Unwirksamkeitsfolge.

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Zweck der durch die BSO eröffneten Abweichungsmöglichkeit ist die Reduzierung der Personalkosten bei Vorliegen der in § 1 Abs. 1 und Abs. 2 BSO genannten Voraussetzungen. Die Kürzung der Jahressonderzuwendung oder alternativ die Veränderung der Arbeitszeit sollen dazu beitragen, in einer für die Dienststelle schwierigen wirtschaftlichen Situation den Abbau von Arbeitsplätzen zu verhindern.

Mit dem in § 2 Abs. 2 BSO festgelegten Verfahren für den Abschluss einer Dienstvereinbarung wird dem Dienststellenleiter und der Mitarbeitervertretung ein Handlungsrahmen vorgegeben, der aus Sicht der Arbeitsrechtlichen Kommission vor Abschluss einer solchen Dienstvereinbarung zu beachten ist. Die gegenüber dem MVG-EKD erweiterten Unterrichtungs- und Nachweispflichten des Dienststellenleiters sollen es der Mitarbeitervertretung ermöglichen, die gegenwärtige wirtschaftliche Lage der Dienststelle und ihre voraussichtliche Entwicklung einzuschätzen. Auf der Grundlage der vom Dienststellenleiter erhaltenen mündlichen und schriftlichen Angaben kann sie eine von ihr zu verantwortende Entscheidung über den Abschluss einer Dienstvereinbarung treffen, mit der die Jahressonderzahlung um bis zu 50 vH abgesenkt wird. Bei dieser handelt es sich um eine freiwillige Dienstvereinbarung, deren Abschluss die Dienststelle gegen den Willen der Mitarbeitervertretung nicht erzwingen kann. Auch daher bedarf es der Annahme einer Unwirksamkeitsfolge als Sanktion zur Wahrung der Informationspflichten des Dienststellenleiters nicht.

Gegen ein anderes Verständnis von § 2 Abs. 2 BSO sprechen auch Gründe der Rechtssicherheit.

Hinge die Wirksamkeit der nach § 1 Abs. 1 BSO abzuschließenden Dienstvereinbarung von der Erfüllung einer abstrakt bestimmten Informations- und Nachweispflicht des Dienststellenleiters ab, wäre in jedem Individualstreit nachzuprüfen, ob das in § 2 Abs. 2 BSO vorgesehene Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Eine solche Auslegung stünde im Widerspruch zu dem mit § 1 Abs. 1 BSO verfolgten Regelungsziel. Selbst wenn die für den Abschluss der Dienstvereinbarung maßgeblichen Gründe bestanden haben und die Reduzierung der Jahressonderzahlung durch die wirtschaftliche Situation der Dienststelle gerechtfertigt war, wäre die dadurch beabsichtigte Reduzierung der Personalkosten gefährdet, wenn die Dienstvereinbarung allein deshalb unwirksam wäre, weil aus der individuellen Sicht von Dritten bestimmte Erörterungen zwischen dem Dienststellenleiter und der Mitarbeitervertretung unterblieben sind. Es hätte daher einer ausdrücklichen Regelung bedurft, sollte eine etwaige Nichtbeachtung des in § 2 Abs. 2 BSO beschriebenen Handlungsrahmens zur Unwirksamkeit einer gleichwohl abgeschlossenen Dienstvereinbarung führen.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Juni 2014 – 1 AZR 1044/12

  1. BAG 12.06.2013 – 7 AZR 917/11, Rn. 15[]