Änderungskündigung zur „Rückgruppierung“

Wenn der Arbeitgeber von einer „Rückgruppierung“ in der für den Arbeitnehmer erkennbaren Annahme absieht, sie sei wegen Zeitablaufs unzulässig, verzichtet er damit nicht auf das Recht, eine entsprechende Änderungskündigung zu erklären. Auch wird das Vertrauen des Arbeitnehmers, eine „Rückgruppierung“ werde nicht erfolgen, für die Zukunft regelmäßig nicht nach § 242 BGB geschützt.

Änderungskündigung zur „Rückgruppierung“

Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG ist zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags an die verbliebenen Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist1.

Im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall ist die 1955 geborene Arbeitnehmer Facharbeiterin für Schreibtechnik und besitzt den Abschluss als Sekretärin. Sie ist seit 1992 mit 25 Wochenstunden bei der beklagten Stadt beschäftigt, nach § 1 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 08.11.1993 als „Angestellter“. In § 5 des Arbeitsvertrags heißt es: „Der Arbeitnehmer erhält gemäß § 22 BAT-O die Vergütungsgruppe VII.“ Tatsächlich wurde die Arbeitnehmer als Schreibkraft im Umweltamt eingesetzt. Die Vergütung erfolgte zunächst aus Vergütungsgruppe (VG) VII, nach Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses in den TVöD-VKA aus Entgeltgruppe (EG) 5. Im September 2009 beanstandete der Landesrechnungshof die Bewertung der Schreibkraftstellen bei der Stadt mit EG 5 und bat um „korrigierende Rückgruppierung“. Die Stadt sah hiervon jedoch ab, da sie, wie sie der Angestellten in einem Schreiben erklärte, sich hieran aufgrund des langjährigen Vertrauenstatbestandes gehindert sah. Im Juni 2012 beschloss der Stadtrat, die Stelle der Schreibkraft im Umweltamt zum Monatsende zu streichen und zugleich die Stelle eines Boten mit fünf Wochenstunden zu schaffen. Die Stadt unterrichtete den Personalrat über ihre Absicht, das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer zu kündigen und ihr dessen Fortsetzung „mit der Entgeltgruppe E 3“ anzubieten. Der Personalrat stimmte der beabsichtigten Änderungskündigung zu.

Für das Bundesarbeitsgericht lag hier ein Kündigungsgrund lag vor, da kein Bedarf an einer Beschäftigung der Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen bestand.

Die Arbeitnehmer wäre nach dem Arbeitsvertrag mit Tätigkeiten entsprechend VG VII (EG 5) zu betrauen gewesen. Die Arbeitnehmer wurde als Angestellte (§ 1) mit Aufgaben gemäß VG VII (§ 5) eingestellt. Es handelte sich um eine im öffentlichen Dienst übliche Vertragsgestaltung, die die geschuldete Arbeitsleistung allein durch eine allgemeine Tätigkeitsbezeichnung („Angestellter“) und die Nennung einer Vergütungsgruppe („VG VII“) beschreibt. Bei einer solchen Vereinbarung können dem Arbeitnehmer kraft Direktionsrechts alle – aber auch nur solche – Arbeiten zugewiesen werden, die die Merkmale der Vergütungsgruppe erfüllen, in die er „eingestuft“ ist. Die Übertragung einer Tätigkeit, die geringere Qualifikationsmerkmale erfüllt, ist auch dann unzulässig, wenn der Arbeitgeber die vertraglich vereinbarte Vergütung (weiter) zahlt2.

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Zwar wurde die Arbeitnehmer lange Jahre als Schreibkraft im Umweltamt mit Aufgaben beschäftigt, die nur der VG VIII entsprachen, weil sie über eine abgeschlossene Berufsausbildung hinaus keine (gründlichen) Fachkenntnisse im Tarifsinne erforderten. Dadurch haben die Parteien den Arbeitsvertrag jedoch nicht, zumal nicht bloß auf „Tätigkeitsseite“ – stillschweigend geändert. Ihnen fehlte schon deshalb der entsprechende Wille, weil sie übereinstimmend davon ausgingen, dass der Arbeitnehmer Aufgaben gemäß VG VII übertragen seien. Die Stadt wurde erst durch den Landesrechnungshof eines besseren belehrt. Die Arbeitnehmer wurde folglich nicht übertariflich vergütet, sondern „untervertraglich“ beschäftigt.

Die Stadt hat auch mit dem Schreiben vom 01.09.2009 nicht angeboten, den Arbeitsvertrag dahin abzuändern, dass fortan Tätigkeiten entsprechend EG 3 (VG VIII) bei einer Vergütung nach EG 5 (VG VII) geschuldet sein sollten. Vielmehr hat sie sich im drittletzten Absatz des Schreibens ausdrücklich vorbehalten, der Arbeitnehmer „entsprechende höherwertige Tätigkeiten im Rahmen (ihrer) bestehenden vertraglichen Eingruppierung zu übertragen“. Danach sollte die Arbeitnehmer weiterhin Tätigkeiten gemäß der vereinbarten Vergütungsgruppe (VG VII) schulden.

Es bestand kein Bedarf an einer Beschäftigung der Arbeitnehmer mit Aufgaben der Wertigkeit EG 5. Weder waren – nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Stadt – Arbeitsplätze dieser Entgeltgruppe im Kündigungszeitpunkt frei, noch war absehbar, dass solche vor Ablauf der Kündigungsfrist am 31.03.2013 frei würden. Im Übrigen hat die Arbeitnehmer nicht dargetan, dass sie einen entsprechenden Arbeitsplatz – ggf. nach zumutbarer Einarbeitungszeit – habe besetzen können.

Die Stadt hat mit der Kündigung ein hinreichend bestimmtes Änderungsangebot unterbreitet. Die Arbeitnehmer konnte dem Kündigungsschreiben zweifelsfrei entnehmen, welche Arbeitsbedingungen künftig gelten sollen3.

Die Arbeitnehmer sollte fortan Tätigkeiten nach EG 3 bei Vergütung aus eben dieser Entgeltgruppe schulden. Hierzu musste lediglich in § 5 des – vom Landesarbeitsgericht nicht mit in den Blick genommenen – „Ausgangsvertrags“ vom 08.11.1993 „VG VII“ durch „EG 3“ ersetzt werden. Damit wurde nicht bloß die zu beanspruchende Vergütung, sondern zugleich die geschuldete Tätigkeit geändert. Sogar der Verweis auf § 22 BAT-O für die Bestimmung der zuweisbaren Tätigkeiten konnte „unangetastet“ bleiben, weil die Vorschrift über § 17 TVöD-VKA solange weiter gilt, bis die §§ 12, 13 TVöD-VKA belegt sind.

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Dass die Stadt der Arbeitnehmer schon am 16.07.2012 – weit vor Ablauf der Kündigungsfrist am 31.03.2013 – die Tätigkeiten als Schreibkraft für den Personalrat und als Botin übertragen hat, spielt für die Auslegung des Angebots keine Rolle. Insofern kommt es auf den objektiven Empfängerhorizont im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an. Dieser lag vor dem 16.07.2012. Die vorfristige Umsetzung besagt nicht mehr, als dass die Stadt sich berechtigt sah, vorübergehend vertragsfremde Tätigkeiten unter Fortzahlung der (noch) vereinbarten höheren Vergütung zuzuweisen. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass sie die vertragliche Tätigkeitsbeschreibung dauerhaft hätte „unberührt“ lassen wollen. Das hätte im Übrigen bedeutet, dass die Arbeitnehmer Tätigkeiten entsprechend EG 5 künftig für eine Vergütung aus EG 3 hätte verrichten sollen. Diese behauptet selbst nicht, sie habe das ihr mit der Kündigung angesonnene Änderungsangebot so verstehen müssen.

Das Änderungsangebot wahrt die Grenzen der Verhältnismäßigkeit.

Das gilt zunächst für die erstrebte Änderung der geschuldeten Arbeitstätigkeit.

Einerseits war die Änderung – unbeschadet der Frage, ob dies der Klage zum Erfolg verhülfe – nicht „überflüssig“. Die Stadt konnte der Arbeitnehmer Tätigkeiten entsprechend EG 3 (VG VIII) nicht im Wege des Direktionsrechts nach § 106 GewO übertragen. Damit hätte sie die Grenzen des Arbeitsvertrags vom 08.11.1993 überschritten.

Andererseits war die Änderung nicht deshalb weitergehend als nötig, weil der Arbeitnehmer wenigstens Tätigkeiten gemäß EG 4 hätten übertragen werden können. Sie hat nicht behauptet, dass bei Zugang der Kündigung entsprechende, von ihr qualifikationsgemäß „auszufüllende“ Arbeitsplätze unbesetzt gewesen oder doch absehbar während des Laufs der Kündigungsfrist frei geworden wären.

Das Änderungsangebot ist auch hinsichtlich der mit ihm verbundenen Entgeltminderung weder unverhältnismäßig noch sonst unbillig.

Werden einem Arbeitnehmer im Wege der Änderungskündigung Tätigkeiten gemäß den Qualifikationsmerkmalen einer bestimmten Vergütungsgruppe eines im Betrieb angewandten tariflichen Vergütungssystems angeboten, ist es grundsätzlich nicht unverhältnismäßig, wenn er künftig auch „nur“ entsprechend dieser Entgeltgruppe bezahlt wird4. Hier hatten die Parteien die Geltung des BAT-O bzw. seit Oktober 2005 des TVöD-VKA und des TVÜ-VKA vereinbart. Diese Abrede blieb von der Änderungskündigung unberührt.

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Im Streitfall ist von dem Grundsatz des Gleichklangs von Tätigkeit und tariflich für sie vorgesehenem Entgelt keine Ausnahme zu machen. Das Änderungsangebot der Stadt musste nicht aufgrund besonderer Umstände dahin gehen, dass die Arbeitnehmer für Tätigkeiten entsprechend EG 3 ein Entgelt aus EG 5 beanspruchen könne.

Die Stadt hat das Recht, die streitgegenständliche Änderungskündigung zu erklären, nicht allein dadurch verwirkt, dass sie die Arbeitnehmer von November 1993 bis September 2009 „übertariflich“ vergütet hätte. Es fehlte an hinreichenden zusätzlichen vertrauensbegründenden Umständen5. Das hat die Stadt – anders als in ihrem Schreiben vom 01.09.2009 zum Ausdruck kommt – inzwischen selbst erkannt und dies wird auch von der Arbeitnehmer nicht anders gesehen.

Die Vergütungsabsenkung verbot sich auch nicht aufgrund eben dieses Schreibens vom 01.09.2009.

Mit ihrem Schreiben hat die Stadt nicht auf das Recht zu einer – nunmehr erklärten – Änderungskündigung verzichtet. Sie hat der Arbeitnehmer darin im Kern Folgendes mitgeteilt: Die Tätigkeit als Schreibkraft im Umweltamt entspreche richtigerweise nur EG 3. Die Vergütung aus EG 5 beruhe auf einem Irrtum. Grundsätzlich dürfe deshalb eine „Korrektur“ erfolgen. Eine solche sei indes gemäß § 242 BGB ausgeschlossen, weil die Arbeitnehmer „Vertrauensschutz“ genieße. Eine „Herabgruppierung“ werde „somit“ unterbleiben. Hiernach wollte die Stadt – für die Arbeitnehmer erkennbar – nicht davon absehen, ein auch nach ihrer Auffassung durchaus bestehendes Recht geltend zu machen. Sie ging vielmehr davon aus, die Befugnis zur „Herabgruppierung“ durch Zeitablauf verloren zu haben. Darin liegt keine konstitutive, rechtsgeschäftliche Verzichtserklärung – ebensowenig wie umgekehrt eine sog. betriebliche Übung nicht dadurch begründet wird, dass der Arbeitgeber Leistungen in der irrigen Annahme erbringt, zu diesen bereits aus anderen Gründen verpflichtet zu sein6. Die Stadt hätte auch schwerlich „aus freien Stücken“ auf eine „Rückgruppierung“ der Arbeitnehmer verzichten können. Sie befand sich in der Haushaltskonsolidierung gemäß § 158 Abs. 3 iVm. § 156 Abs. 3 GO LSA aF. Zudem war sie durch den Landesrechnungshof angehalten worden, die „Fehlvergütung“ der bei ihr beschäftigten Schreibkräfte zu korrigieren7.

Es stellt sich aufgrund der Ausführungen in dem Schreiben vom 01.09.2009 und der anschließenden Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer mit „vertragswidrigen“ Aufgaben entsprechend EG 3 nicht als rechtsmissbräuchlich widersprüchlich dar, dass die Stadt später dennoch die streitgegenständliche Änderungskündigung erklärt hat. Die Voraussetzungen des engen Ausnahmetatbestands eines treuwidrigen Selbstwiderspruchs liegen nicht vor8. Hat ein Arbeitgeber von einer „Rückgruppierung“ in der irrigen Annahme abgesehen, eine solche sei nicht zulässig, wird das Vertrauen des Arbeitnehmers auf ein solches Unterlassen für die Zukunft in der Regel nicht geschützt. Anders liegt es nur dann, wenn ausreichende vertrauensbegründende Umstände vorliegen9. Das ist hier nicht der Fall. Die Arbeitnehmer, die im Übrigen noch im hiesigen Rechtsstreit davon ausgeht, alle Schreibkraftstellen bei der Stadt seien mit EG 5 zu bewerten, hat nicht behauptet, sie habe im Vertrauen auf den ihr mitgeteilten „Bestandsschutz“ bestimmte Vermögensdispositionen getroffen. Das Verhalten der Stadt stellt sich auch nicht deshalb als rechtsmissbräuchlich dar, weil sie selbst aus der Mitteilung mit Schreiben vom 01.09.2009 erhebliche Vorteile gezogen hätte10. Zwar hat sie die Arbeitnehmer anschließend weiter „untervertraglich“ beschäftigt. Das beruhte jedoch nicht darauf, dass sie diese über die tarifliche Rechtslage „getäuscht“ hätte. Sie hat der Arbeitnehmer vielmehr ausdrücklich nahe gelegt, an dem Beschäftigtenlehrgang I teilzunehmen, damit sie – erst dann – entsprechend ihrer „vertraglichen Eingruppierung“ eingesetzt werden könne, falls ein solcher Arbeitsplatz frei würde. Es war allein die Arbeitnehmer, die aus der Fehleinschätzung der Stadt, eine „Herabgruppierung“ sei nicht möglich, einen Vorteil gezogen hat. Sie hat für ihre von ihr selbst als vertragsgemäß erachteten Arbeiten, die in Wahrheit nur EG 3 entsprachen, noch bis zum 31.03.2013 eine „übertarifliche“ Vergütung nach EG 5 erhalten.

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Die Änderungskündigung gegenüber der Arbeitnehmer stellt sich nicht deshalb als „herausgreifend“11 dar, weil andere Schreibkräfte, die ebenfalls Tätigkeiten nach EG 3 verrichteten, von einer Vertragsänderung „verschont“ geblieben sind. Die Stadt sah sich nur deshalb zur „Herabgruppierung“ der Arbeitnehmer berechtigt, weil deren bisheriger Arbeitsplatz weggefallen war. Aus diesem Anlass hat sie die Situation hinsichtlich der Entgeltgruppe als Neueinstellung gemäß dem seit 2010 geltenden Haushaltsplan betrachtet. Es lässt sich nicht erkennen, dass der Anlass bloß vorgeschoben wäre. Die Arbeitnehmer ist dem schlüssigen Vortrag der Stadt dazu, dass die Stelle einer Schreibkraft im Umweltamt in Umsetzung des für sich plausiblen, nicht offenkundig unsachlichen Beschlusses des Stadtrats weggefallen ist, nicht in erheblicher Weise entgegen getreten. Einen Rechtsmissbrauch der Stadt hat sie nicht dargetan. Wenn die Arbeitnehmer übermäßige Belastungen zweier Kolleginnen vermutet, übersieht sie, dass es sich bei den fraglichen Tätigkeiten nicht um streng taktgebundene Arbeiten handelt und die Stadt mögliche Verzögerungen als Teil ihres Konzepts hinnimmt. Das steht ihr – entgegen der Ansicht der Arbeitnehmer – frei12.

Die Änderungskündigung ist nicht aufgrund einer unzureichenden Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG unwirksam.

Die Stadt hat den in die soziale Auswahl einzubeziehenden Personenkreis zutreffend bestimmt.

Sie hat die Auswahl zu Recht nur auf Arbeitnehmer mit vertraglichen Aufgaben gemäß EG 5 erstreckt. Eben solche Tätigkeiten schuldete die Arbeitnehmer. Das galt zwar auch für andere Schreibkräfte, die von der Stadt nicht in die Auswahl einbezogen worden sind. Jedoch konnten der Arbeitnehmer deren tatsächlich ausgeübte Aufgaben der tariflichen Wertigkeit EG 3 nicht – wie für die Vergleichbarkeit erforderlich – kraft Direktionsrechts übertragen werden. Für die Arbeitnehmer hätte es sich, weil sie – wie gezeigt – bis dahin mit Arbeiten nach EG 5 zu betrauen war, um „untervertragliche“ Tätigkeiten gehandelt.

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Es ist nicht zu beanstanden, dass die Stadt lediglich zwei Arbeitnehmerinnen für auch nach Qualifikation und Arbeitsplatz vergleichbar erachtet hat. Die Arbeitnehmer ist dem detaillierten Vorbringen der Stadt zu den Umständen, die einer Vergleichbarkeit mit anderen tatsächlich nach EG 5 beschäftigten Arbeitnehmern entgegenstehen sollen, nicht ausreichend entgegen getreten. Sie hat nicht konkret dargelegt, welchen Arbeitsplatz sie unter Beachtung der arbeitgeberseitig aufgestellten Qualifikationsmerkmale – ggf. nach kurzer Einarbeitung – hätte besetzen können und welcher Arbeitnehmer statt ihrer ein Angebot zur Weiterbeschäftigung mit Aufgaben nach EG 3 hätte erhalten müssen. Zum einen beschränkt sie sich darauf, den Vortrag der Stadt zu den für eine Tätigkeit nach EG 5 erforderlichen Qualifikationen (insbesondere entsprechende Verwaltungsausbildungen) mit Nichtwissen zu bestreiten. Zum anderen hat sie nicht aufgezeigt, dass andere Arbeitnehmer mit Tätigkeiten der Wertigkeit EG 5 binnen kurzer Einarbeitungszeit in der Lage gewesen wären, Aufgaben entsprechend EG 3 – namentlich solche einer Schreibkraft (beim Personalrat) – auszuüben.

Innerhalb der korrekt bestimmten Vergleichsgruppe hat die Stadt die sozialen Gesichtspunkte gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zumindest ausreichend berücksichtigt. Die Arbeitnehmer weist nach dem von der Stadt verwendeten Schema eine deutlich geringere Punktzahl auf als die beiden vergleichbaren Arbeitnehmerinnen. Entscheidend kommt hinzu, dass bei Berücksichtigung aller Sozialdaten die Auswahlentscheidung der Stadt mindestens vertretbar ist. Keine der drei in die Auswahl einbezogenen Arbeitnehmerinnen ist schwerbehindert oder Dritten zum Unterhalt verpflichtet. Zwar ist die Arbeitnehmer zwei bzw. vier Jahre älter als die beiden anderen Arbeitnehmerinnen, diese weisen jedoch eine fünf bzw. elf Jahre längere Betriebszugehörigkeit auf als sie. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, die von der Stadt vorgenommene Sozialauswahl sei mangelhaft. Die Arbeitnehmer ist im Verhältnis zu ihren beiden Kolleginnen jedenfalls nicht, zumal nicht deutlich13 – schutzbedürftiger.

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Der Personalrat ist ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Stadt hat ihn gemäß § 61 Abs. 3 Satz 1 PersVG LSA vollständig über den maßgeblichen Kündigungssachverhalt unterrichtet. Insbesondere hat sie ihm mitgeteilt, dass mangels Möglichkeiten zu vertragsgemäßer Beschäftigung entsprechend EG 5 sich künftig Tätigkeit und Vergütung nach EG 3 richten sollen, und hat sie die vorgenommene Sozialauswahl umfangreich erläutert. Der Personalrat hat der beabsichtigten Kündigung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 iVm. § 61 Abs. 1 PersVG LSA zugestimmt.

Die Arbeitnehmer hat sich nicht darauf berufen, dass ihr Arbeitsverhältnis ordentlich unkündbar sei. Einen solchen Unwirksamkeitsgrund hätte sie prozessual ordnungsgemäß geltend machen müssen14. Deshalb war nicht der Frage nachzugehen, ob Art. 3 Abs. 1 GG eine „Erstreckung“ des Sonderkündigungsschutzes nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD auf Arbeitnehmer im Tarifgebiet Ost bedingen könnte15.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. September 2015 – 2 AZR 680/14

  1. BAG 29.09.2011 – 2 AZR 523/10, Rn. 28 mwN[]
  2. vgl. BAG 17.08.2011 – 10 AZR 322/10, Rn. 15 mwN[]
  3. vgl. dazu BAG 25.04.2013 – 2 AZR 960/11, Rn. 31 mwN[]
  4. vgl. BAG 24.05.2012 – 2 AZR 163/11, Rn. 37 mwN[]
  5. vgl. BAG 24.01.2007 – 4 AZR 28/06, Rn. 30 ff.[]
  6. vgl. BAG 29.08.2012 – 10 AZR 571/11, Rn.20[]
  7. zur Maßgeblichkeit dieses Umstands bei der Korrektur einer irrtümlichen „Eingruppierung“ vgl. ErfK/Oetker 15. Aufl. § 2 KSchG Rn. 66[]
  8. vgl. dazu BAG 16.02.2012 – 6 AZR 553/10, Rn. 53, BAGE 141, 1; BGH 15.11.2012 – IX ZR 103/11, Rn. 12[]
  9. BAG 24.01.2007 – 4 AZR 28/06, Rn. 30 ff.; MünchKomm-BGB/Roth/Schubert 6. Aufl. § 242 Rn. 307[]
  10. vgl. dazu Palandt/Grüneberg BGB 74. Aufl. § 242 Rn. 59[]
  11. vgl. dazu BAG 20.08.1998 – 2 AZR 84/98, zu II 2 e der Gründe; 22.02.1979 – 2 AZR 115/78, zu 2 a der Gründe[]
  12. zu den Anforderungen an den Vortrag des öffentlichen Arbeitgebers bei der Streichung von Stellen durch den gemeindlichen Haushaltsgesetzgeber vgl. allgemein BAG 23.11.2004 – 2 AZR 38/04, zu B I 1 der Gründe, BAGE 112, 361; 22.05.2003 – 2 AZR 326/02, zu B I 2 der Gründe[]
  13. vgl. BAG 29.01.2015 – 2 AZR 164/14, Rn. 11 mwN[]
  14. vgl. BAG 8.11.2007 – 2 AZR 314/06, Rn. 17, BAGE 124, 367[]
  15. zur Problematik vgl. Linck/Scholz AR-Blattei SD 1010.7 Rn. 157 ff.; Schaub/Linck 16. Aufl. § 183 Rn. 24[]