Nach § 194 Abs. 1 BGB unterliegen Ansprüche der Verjährung. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre (§ 195 BGB). Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Verjährung beginnt erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

Dabei vermied das Bundesarbeitsgericht im hier entschieden Fall, darüber zu befinden, ob Urlaubsansprüche der Verjährung unterliegen 1. Selbst wenn man zugunsten der Arbeitgeberin davon ausginge, die Vorschriften der §§ 194 ff. BGB wären auf Urlaubsansprüche anzuwenden, griffe die von der Arbeitgeberin erhobene Einrede der Verjährung nicht durch. Zum Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, waren die aus den Jahren 2008 bis 2013 stammenden Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers nicht verjährt, weil die Verjährung am Tag nach der Erteilung einer jeden Entgeltabrechnung, auf der die restlischen Urlaubstage ausgewiesen wurden, nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB jeweils neu in Lauf gesetzt wurde.
Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) begann, die Verjährbarkeit der Ansprüche unterstellt, für die ältesten, aus dem Jahr 2008 stammenden Urlaubsansprüche mit dem Ende des Jahres 2008 (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Verjährung wäre damit mit dem Ablauf des 31.12 2011 eingetreten.
Die Arbeitgeberin hat die Urlaubsansprüche, deren Abgeltung der Arbeitnehmer begehrt, jedoch vor Ablauf der Verjährungsfrist – nicht im rechtsgeschäftlichen, wohl aber im verjährungsrechtlichen Sinne nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB – anerkannt. Dadurch begann die Verjährungsfrist mit jeder dem Arbeitnehmer erteilten Entgeltabrechnung neu zu laufen.
Als Anerkenntnis iSv. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB, der als Schutzvorschrift zugunsten des Gläubigers 2 den Neubeginn der Verjährungsfrist auslöst, kommt jedes – auch rein tatsächliches 3 – Verhalten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer in Betracht, das darauf schließen lässt, der Arbeitgeber sei sich des Bestehens einer schuldrechtlichen Forderung bewusst 4. Es bedarf weder einer Willenserklärung noch eines gesonderten Bindungswillens des Schuldners 5. Vielmehr reicht es aus, dass der Schuldner auf irgendeine Weise dem Gläubiger gegenüber schlüssig zum Ausdruck bringt, dass er den Anspruch anerkennt 6.
Ob eine Erklärung des Schuldners die Voraussetzungen eines verjährungsunterbrechenden Anerkenntnisses iSd. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfüllt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen 7. Rechnet der Arbeitgeber Ansprüche gegenüber einem Arbeitnehmer ab, kann hierin – unabhängig davon, dass es im Regelfall an einer rechtsgeschäftlichen Erklärung fehlt – ein tatsächliches Anerkenntnis iSd. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB liegen 8.
Handlungen eines Dritten, die sich der Arbeitgeber als eigene Handlung zurechnen lassen muss, stehen solchen des Arbeitgebers gleich 9. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Arbeitgeber den Rechtsschein setzt, er habe einem Dritten die Befugnis eingeräumt, in seinem Namen einen Anspruch iSd. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB anzuerkennen.
Die Arbeitgeberin hat danach die Urlaubsansprüche, deren Abgeltung der Arbeitnehmer im vorliegenden Verfahren verlangt, durch die ihr nach den Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht zuzurechnende Erteilung der Entgeltabrechnungen iSv. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB anerkannt. Damit begann die Verjährungsfrist für die in den Abrechnungen ausgewiesenen Urlaubsansprüche jeweils neu zu laufen.
Mit der Erteilung der Entgeltabrechnungen, die der Arbeitnehmer seit dem Jahr 2008 erhielt, hat die Arbeitgeberin ihm gegenüber – rein tatsächlich, zum Ausdruck gebracht, dass Urlaubsansprüche dem Grunde nach und im dort bezeichneten Umfang entstanden sind und nicht erfüllt wurden. Sämtliche Abrechnungen wiesen in den letzten Jahren unter "U ges VJ" den kumulierten Gesamturlaub aus, den die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer in den Vorjahren nicht gewährt hatte.
Die Entgeltabrechnungen, die die Arbeitgeberin von einem externen Dienstleister unter Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift erstellen ließ, sind ihr, zumindest nach den Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht – als eigene Erklärung zuzurechnen. Mit der Beauftragung des Dienstleisters, das Entgelt und die Urlaubsansprüche der in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer unter Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift abzurechnen, duldete es die Arbeitgeberin, dass der Dienstleister für sie wie ein Vertreter auftrat und damit bei den Arbeitnehmern den Rechtsschein erweckte, er sei bevollmächtigt, die Ansprüche im Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB als nicht erfüllt anzuerkennen 10.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. März 2019 – 9 AZR 881/16
- ablehnend BAG 5.12 1995 – 9 AZR 666/94, zu II 4 der Gründe, BAGE 81, 328; so auch Leinemann/Linck Urlaubsrecht 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 229; anders LAG Düsseldorf 18.08.2010 – 12 Sa 650/10, Rn. 27; Neumann in Neumann/Fenski/Kühn BUrlG 11. Aufl. § 13 Rn. 78[↩]
- BGH 8.01.2013 – VIII ZR 344/12, Rn. 7[↩]
- vgl. zu § 208 BGB aF BAG 8.06.1983 – 5 AZR 632/80, zu 3 c aa der Gründe, BAGE 43, 71[↩]
- vgl. zu § 208 BGB aF BAG 18.03.1997 – 9 AZR 130/96, zu I 3 der Gründe[↩]
- vgl. zu § 208 BGB aF BAG 1.12 1982 – 5 AZR 491/80, zu II 3 a der Gründe[↩]
- vgl. zu § 208 BGB aF BAG 8.06.1983 – 5 AZR 632/80, zu 3 c aa der Gründe, BAGE 43, 71 ["tatsächliches Eingeständnis der Schuld"][↩]
- vgl. BGH 24.01.2019 – IX ZR 233/17, Rn. 15[↩]
- vgl. BAG 25.09.2013 – 10 AZR 454/12, Rn. 24, BAGE 146, 123[↩]
- so für das Handeln eines Vertreters BGH 11.10.2006 – IV ZR 329/05, Rn. 18, BGHZ 169, 232[↩]
- vgl. zu den Voraussetzungen der Duldungsvollmacht im Einzelnen BAG 23.02.2017 – 6 AZR 665/15, Rn. 45, BAGE 158, 214[↩]