Altersdiskriminierung in der Stellenanzeige – und die Entschädigungsklage

Verstößt eine Stellenausschreibung aus mehreren Gründen und ganz offensichtlich gegen das Verbot der Altersdiskriminierung, sind die Anforderungen an den Vortrag des Arbeitgebers dazu, dass das Alter des/der Bewerbers/-in bei der Besetzungsentscheidung überhaupt keine Rolle gespielt habe und nicht einmal mit-ursächlich für die Absage gewesen sei, gegenüber den an sich schon strengen Anforderungen des BAG noch einmal verschärft.

Altersdiskriminierung in der Stellenanzeige – und die Entschädigungsklage

Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist, dass der/die abgelehnte Bewerber/in entgegen § 7 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wurde. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund im Sinne von § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; es muss nicht – gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens – handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund im Sinne von § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt. Zudem darf die mit einer negativen Auswahlentscheidung des Arbeitgebers verbundene unmittelbare Benachteiligung des/der Bewerbers/Bewerberin im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG nicht nach den §§ 8, 9 oder 10 AGG zulässig sein1.

§ 22 AGG sieht für den Rechtschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises. Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben2.

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Auch wenn eine Stellenausschreibung Formulierungen, insbesondere Anforderungen enthält, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben, begründet dies nicht ohne weiteres die Vermutung der/die Bewerber/in sei im Auswahl- und Stellenbesetzungsverfahren wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt worden. Eine solche Vermutung besteht vielmehr nur dann, wenn die Stellenausschreibung gegen § 11 AGG verstößt. Dies ist indes selbst bei Formulierungen, insbesondere Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine unmittelbare Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bewirken, dann nicht der Fall, wenn die Diskriminierung nach §§ 8, 9 oder 10 AGG zulässig ist. Und bei Formulierungen, insbesondere Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine mittelbare Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bewirken können, scheidet nach § 3 Abs. 2 AGG ein Verstoß gegen § 11 AGG dann aus, wenn die Anforderung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist3. Aber auch dann, wenn die Stelle unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde und deshalb die Vermutung besteht, dass der/die erfolglose Bewerber/in wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wurde, genügt dies nicht ohne weiteres für eine erfolgreiche Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs. Dem Arbeitgeber bleibt es nämlich unbenommen, Tatsachen vorzutragen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben4.

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Im hier vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschiedenen Fall bedeutete dies: Der Beklagte hat die hier in Rede stehende Stelle unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben. Nach dem Inhalt der Stellenausschreibung ist die Vermutung einer Diskriminierung des Bewerbers im Auswahlverfahren wegen seines Alters begründet. Das folgt hier aus mehreren Umständen:

Zunächst einmal wird in der Stellenausschreibung ein Rechtsanwalt für ein „junges Team“ gesucht. Mit dem Begriff „jung“ knüpft der Beklagte damit unmittelbar an das Lebensalter der bisherigen Mitarbeiter an. Darin erschöpft sich der Inhalt der Aussage aber nicht. Eine Angabe in einer Stellenanzeige, wonach ein Mitarbeiter für ein junges Team gesucht werde, kann aus der Sicht eines objektiven Empfängers regelmäßig nur so verstanden werden, dass der Arbeitgeber jemanden sucht, der in das Team passt, weil er/sie ebenfalls jung ist wie die Mitglieder des vorhandenen Teams5.

Daneben bewirkt die Angabe in der Stellenausschreibung, dass jemand in der „Karrierestufe“ als Berufseinsteiger gesucht werde, eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG6.

Insoweit kann sich der Beklagte auch nicht darauf berufen, dass das Internetportal X. . Angaben zur „Karrierestufe“ verlange und es sich insoweit um ein Pflichtfeld handele. Bedient sich der Arbeitgeber nämlich zur Stellenausschreibung eines Dritten und verletzt dieser die Pflicht zur diskriminierungsfreien Ausschreibung der Stelle, ist diese Pflichtverletzung dem Arbeitgeber zuzurechnen7. Dass die Anforderung „Berufseinsteiger“ durch ein rechtmäßiges Ziel im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG sachlich gerechtfertigt ist, hat der Beklagte selbst nicht vorgetragen.

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Schließlich wird die Indizwirkung der Stellenausschreibung auch durch das veröffentlichte Bild des Teams der Arbeitgeber verstärkt. Auf diesem befinden sich ausnahmslos „fröhliche, junge Menschen“ wie der Vereinsvorsitzende im Berufungstermin zutreffend ausgeführt hat. Ein potentieller Bewerber jenseits der Altersgruppe der dort abgebildeten Mitglieder muss den Eindruck gewinnen, es werde eine weitere Person in dieser Altersklasse als Mitarbeiter gesucht.

Gegen die Begründung des Arbeitsgerichts, dass die Stellenausschreibung unter Verstoß gegen § 11 AGG erfolgt sei und damit eine Diskriminierung des Bewerbers wegen seines Alters indiziere, hat der Beklagte im Berufungsverfahren auch keine weiteren Einwendungen erhoben.

Zur Zulässigkeit der Anforderung eines jüngeren Alters für die ausgeschriebene Stelle im Sinne der §§ 8, 10 AGG ist vom Arbeitgeber im Berufungsverfahren nichts ausgeführt worden.

Danach obliegt dem Arbeitgeber der Vollbeweis dafür, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe dazu geführt haben, dass die Bewerbung des Bewerbers unberücksichtigt blieb. Dieser Beweis ist dem Arbeitgeber nicht gelungen, was bereits das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat.

Der Arbeitgeber kann die Vermutung, er habe die klagende Partei wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt, dadurch widerlegen, dass er substantiiert dazu vorträgt und im Bestreitensfall beweist, dass er bei der Behandlung aller Bewerbungen nach einem bestimmten Verfahren vorgegangen ist, das eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes ausschließt. Dies kann z.B. anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber ausnahmslos alle Bewerbungen in einem ersten Schritt daraufhin sichtet, ob die Bewerber/innen eine zulässigerweise gestellte Anforderung erfüllen und er all die Bewerbungen von vornherein aus dem weiteren Auswahlverfahren ausscheidet, bei denen dies nicht der Fall ist. Der Arbeitgeber, der sich hierauf beruft, muss dann allerdings nicht nur darlegen und beweisen, dass ein solches Verfahren praktiziert wurde, sondern auch, dass er das Verfahren konsequent zu Ende geführt hat. Deshalb muss er auch substantiiert dartun und im Bestreitensfall beweisen, wie viele Bewerbungen eingegangen sind, welche Bewerber/innen aus demselben Grund ebenso aus dem Auswahlverfahren ausgenommen wurden, welche Bewerber/innen, weil sie die Anforderungen erfüllten, im weiteren Auswahlverfahren verblieben sind und dass der/die letztlich ausgewählte Bewerber/in die Anforderung, wegen deren Fehlens die klagende Partei aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen wurde, erfüllt.

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Dabei muss sich die Anforderung, wegen deren Nichterfüllung die klagende Partei und ggf. andere Bewerber/innen aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen werden, nicht ausdrücklich aus der Stellenausschreibung ergeben. Insoweit reicht es in jedem Fall aus, wenn die Anforderung in der Stellenausschreibung „Anklang“ gefunden hat oder sich aus dem in der Stellenausschreibung formulierten Anforderungsprofil ableiten lässt. Anforderungen, die in der Stellenausschreibung keinen „Anklang“ gefunden haben und sich auch nicht aus dem in der Stellenausschreibung formulierten Anforderungsprofil ableiten lassen, dürfen vom Arbeitgeber bei seiner Vorauswahl nicht ohne weiteres zugrunde gelegt werden. Insoweit muss der Arbeitgeber dartun und im Bestreitensfall beweisen, dass diese Anforderungen nicht nur vorgeschoben wurden8.

Diesen Anforderungen für den Gegenbeweis genügt bereits der Vortrag des Arbeitgebers nicht. Aus Sicht des Berufungsgerichts hätte es daher der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme nicht bedurft. Aber auch unter Berücksichtigung der Beweisaufnahme ergibt sich insoweit kein anderes Bild.

Als ausdrückliche Anforderung in der Stellenausschreibung wird vom Arbeitgeber von den Bewerbern ausschließlich „Kommunikationsfähigkeit“ verlangt. In der Stellenausschreibung heißt es insoweit, diese sei von großer Bedeutung.

Der Beklagte hat aber selbst nicht behauptet, alle Bewerbungen unter dem Aspekt der Kommunikationsfähigkeit des Bewerbers – wie auch immer diese bei einer schriftlichen Bewerbung festzustellen wäre – gesichtet und Bewerber, die nicht kommunikationsfähig erschienen, aussortiert zu haben. Vielmehr hat der Beklagte nach seinem eigenen Vortrag der Auswahlentscheidung andere, nicht in der Stellenausschreibung zum Ausdruck kommende Kriterien angelegt. So ist zunächst eine Liste erstellt worden, die neben den Namen und der Adresse Angaben zu den Noten des Bewerbers, eine Bewertung des Anschreibens, die Mitteilung besonderer Stationen und sonstiger Besonderheiten enthielt.

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Der Beklagte hat dann angegeben, ausgehend von dieser Liste sei für die Auswahlentscheidung das Bewerbungsschreiben sowie Teamfähigkeit, soziales Engagement und das Auftreten gegenüber den Mitgliedern für die Frage, ob ein Bewerber zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird, ausschlaggebend gewesen. Mag unter Teamfähigkeit noch die in der Ausschreibung genannte Kommunikationsfähigkeit zu verstehen sein, so sind jedenfalls die Anforderungen an das Bewerbungsschreiben oder das Kriterium eines „sozialen Engagements“ nicht mehr dem Anforderungsprofil der Stellenausschreibung zu entnehmen.

Vor diesem Hintergrund hätte es dem Arbeitgeber oblegen, substantiiert vorzutragen, dass die nunmehr maßgeblichen Anforderungen von ihm nicht nur vorgeschoben sind. Aus Sicht des Gerichts sind die Anforderungen hier an den diesbezüglichen Vortrag noch verschärft, weil die Stellenausschreibung so offensichtlich altersdiskriminierend ist. Wie bereits ausgeführt, hat der Beklagte an drei Stellen in der Stellenausschreibung zum Ausdruck gebracht, er erwarte Bewerbungen von jüngeren Mitarbeitern. Will er nunmehr vortragen, aufgrund aus der Stellenausschreibung in keiner Weise ersichtlichen Anforderungen sei die Bewerbung des Bewerbers aussortiert worden, wobei dessen Alter überhaupt keine Rolle gespielt habe, sind die Substantiierungsanforderungen erheblich. Wie weit sie reichen, braucht hier jedoch nicht geklärt zu werden, da der Beklagte substantiiert dazu, dass seine Anforderungen nicht vorgeschoben sind, nichts vorgetragen hat.

Der Beklagte hat im Verfahren zwar ausgeführt, warum bestimmte Bewerber eingeladen worden sind. Das vom Bundesarbeitsgericht aber bereits in den Fällen, in denen das Auswahlkriterium in der Stellenanforderung seinen Anklang gefunden hatte, verlangte Vorbringen, welche sonstigen Bewerber/innen aus welchem Grund aus dem Auswahlverfahren ausgenommen wurden, findet sich in seinen Darlegungen nicht.

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Auch der Umstand, dass der Beklagte mittlerweile eine Mitarbeiterin des Geburtsjahrgangs 1969 eingestellt hat, die damit immerhin noch acht Jahre jünger ist als der Bewerber, ist nicht geeignet, die Vermutung zu widerlegen, dass im Auswahlverfahren betreffend die Stelle, auf die sich der Bewerber beworben hat, dessen Alter für die Nichtberücksichtigung bei der Auswahl zum Vorstellungsgespräch jedenfalls mitursächlich war. Dass das Lebensalter des Bewerbers bei der Entscheidung der maßgeblichen Mitarbeiter des Arbeitgebers über dessen Nichteinladung „bewusstseinsdominant“ war, verlangt das Gesetz nicht.

Die Höhe des Entschädigungsanspruchs ist vom Arbeitsgericht zutreffend mit einem Bruttomonatsgehalt bemessen worden.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 21. November 2017 – 1 Sa 312/17

  1. BAG, Urteil vom 19.05.2016 – 8 AZR 470/14, Rn. 53[]
  2. BAG, a.a.O., Rn. 54[]
  3. BAG, a.a.O., Rn. 55[]
  4. BAG, a.a.O., Rn. 56[]
  5. vgl. BAG, a.a.O., Rn. 75; LAG Schl.-Holst., Urteil vom 29.10.2013 – 1 Sa 142/13; LAG Hamm, Urteil vom 13.06.2017 – 14 Sa 1427/16[]
  6. vgl. auch hierzu: BAG v.19.05.2016, a.a.O., Rn. 73[]
  7. ErfK-Schlachter, 16. Aufl., § 11 AGG, Rn. 1; zum Verstoß gegen das Gebot geschlechtsneutraler Ausschreibung vgl. BAG v. 05.02.2004 – 8 AZR 112/03, Rn. 66[]
  8. BAG, Urteil vom 19.05.2016 – 8 AZR 470/14 – Juris, Rn. 89 f[]