Altersdiskriminierung – und ihre Rechtfertigung

Das Bundesarbeitsgericht hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu der Rechtsfrage gerichtet, ob Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 7 und/oder Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG – im Licht der Vorgaben der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie im Licht von Art.19 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) – dahin ausgelegt werden können, dass in einer konkreten Situation eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gerechtfertigt werden kann.

Altersdiskriminierung – und ihre Rechtfertigung

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 7 und Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG im Licht von Art.19 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) sowie im Licht der Vorgaben der GrCh der Grundrechte der Europäischen Union. Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Arbeitnehmerin und einem Assistenzdienst, der Menschen mit Behinderung Beratung, Unterstützung und Leistungserbringung anbietet. Die Parteien streiten darüber, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, der Arbeitnehmerin wegen einer Benachteiligung wegen ihres Alters im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens eine Entschädigung zu zahlen.

Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens grundsätzlich in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG fällt, da sie Auswahlkriterien für den Zugang zu Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG betrifft. Die GrCh findet auf einen Rechtsstreit wie den des Ausgangsverfahrens Anwendung, da mit dem AGG die Richtlinie 2000/78/EG im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der GrCh im deutschen Recht durchgeführt wird und da der Rechtsstreit eine Person betrifft, die im Rahmen des Zugangs zu einer Beschäftigung eine Ungleichbehandlung wegen ihres Alters erfahren hat1.

Die Arbeitnehmerin ist durch die Absage der Arbeitgeberin unmittelbar benachteiligt worden im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG sowie im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG. Auch hat sie diese unmittelbare Benachteiligung wegen ihres Alters erfahren. Die Stellenausschreibung der Arbeitgeberin, mit der eine Person im Alter zwischen ungefähr 18 und 30 Jahren gesucht wurde, begründet die Vermutung, dass das Alter der Arbeitnehmerin (mit)ursächlich für die Ablehnung war. Diese Vermutung hat die Arbeitgeberin nicht widerlegt.

Dabei geht das Bundesarbeitsgericht mit der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs davon aus, dass sich sowohl aus dem Titel und den Erwägungsgründen als auch aus dem Inhalt und der Zielsetzung der Richtlinie 2000/78/EG ergibt, dass diese einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder „in Beschäftigung und Beruf“ gleichbehandelt wird, indem sie dem Betroffenen einen wirksamen Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe bietet2, zu denen unter anderem das Alter zählt. Die Richtlinie 2000/78/EG konkretisiert in dem von ihr erfassten Bereich das nunmehr in Art. 21 der GrCh niedergelegte allgemeine Diskriminierungsverbot3. Nach den Bestimmungen der Richtlinie 2000/78/EG sowie nach Art. 21 der GrCh kann die Arbeitnehmerin, die Beschäftigung sucht, einen wirksamen Schutz vor Diskriminierung wegen ihres Alters beanspruchen. Menschen mit Behinderung, die – wie die 28-jährige Studentin A. – eine Persönliche Assistenz suchen, können nach Art. 21 der GrCh einen wirksamen Schutz vor Diskriminierung wegen ihrer Behinderung beanspruchen. Zudem greift zu ihren Gunsten Art. 26 der GrCh ein.

In diesem Spannungsfeld, in dem sowohl die Arbeitnehmerin als auch die betroffene Person mit Behinderung Schutz vor Diskriminierung beanspruchen können, hat das Bundesarbeitsgericht zu prüfen, ob im Ausgangsrechtsstreit eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gerechtfertigt ist. Wie in der strukturell besonderen Situation der Persönlichen Assistenz das Recht des Menschen mit Behinderung, der Persönliche Assistenz benötigt und eine solche mit einer Stellenausschreibung sucht, und das Recht des Menschen, der – wie die Arbeitnehmerin des Ausgangsverfahrens – Beschäftigung sucht und dabei nicht diskriminiert werden darf, zum Ausgleich zu bringen sind, kann ohne Vorabentscheidungsersuchen nicht beurteilt werden. Falls die unmittelbare Benachteiligung der Arbeitnehmerin wegen ihres Alters nicht gerechtfertigt sein sollte, hätte sie einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Soweit das Bundesarbeitsgericht seinen Ausführungen eine bestimmte Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 2000/78/EG zugrunde legt, wird der Unionsgerichtshof, sofern diese Auslegung unzutreffend sein sollte; vom Bundesarbeitsgericht über die Beantwortung der Vorlagefrage hinaus um einen entsprechenden Hinweis gebeten.

Aus der Sicht des Bundesarbeitsgerichts ist es zur rechtlichen Beurteilung bedeutsam, sich zunächst die besondere Situation Persönlicher Assistenz vor Augen zu führen, die im Folgenden unter Berücksichtigung einschlägiger Bestimmungen des nationalen Sozialrechts dargestellt wird.

In Deutschland werden Leistungen der Persönlichen Assistenz im Sinne von unter anderem § 78 SGB IX nach verschiedenen rechtlichen Vorgaben in Abhängigkeit von dem individuellen Assistenzbedarf von unterschiedlichen Leistungsträgern (unter anderem gesetzliche Rehabilitationsträger – wie die gesetzlichen Krankenkassen, die Bundesagentur für Arbeit, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, Pflegekassen, Integrationsämter, staatliche Kinder- und Jugendhilfe, staatliche Sozialhilfe) bewilligt und finanziert. Dabei können die durch die oben genannten Leistungsträger bewilligten Leistungen der Persönlichen Assistenz organisatorisch in unterschiedlichen Modellen erbracht werden: Teilweise werden sie von den assistenznehmenden Menschen mit Behinderung im sogenannten Arbeitgebermodell selbst organisiert und abgerechnet, teilweise bedienen sich die assistenznehmenden Personen der organisatorischen Hilfe einer Assistenzgenossenschaft bzw. von Assistenz- oder Pflegediensten, die die Personalsuche und Arbeitgebereigenschaft in Abstimmung mit ihnen für sie übernehmen. Konkret wird die Persönliche Assistenz häufig durch Teams im Schichtdienst erbracht.

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Die Persönliche Assistenz betrifft sämtliche Lebensbereiche und reicht – zwangsläufig – tief in die Privat- und Intimsphäre der assistenzbedürftigen/-nehmenden Person hinein. Dies gilt unabhängig davon, ob Persönliche Assistenz „rund um die Uhr“ oder in einem geringeren Umfang erbracht wird. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann Bedarf an Persönlicher Assistenz in der Wohnung, im Familienhaushalt, bei der Arbeit, in der Ausbildung oder Schule, bei Arztbesuchen und Behördengängen, in der Freizeit, bei Treffen im Familien- und Freundeskreis, bei Besuchen von etwa Theater, Kino, Restaurants, Clubs, beim Sport, auch im Urlaub und auf Reisen bestehen. Konkret geht es unter anderem um Mobilität in allen Bereichen, Begleitung im Straßenverkehr, Assistenz im Haushalt und beim Einkauf, Assistenz bei der Körperpflege und -hygiene einschließlich der Begleitung bei Toilettengängen und Unterstützung beim An- und Ausziehen. Die Assistentinnen und Assistenten haben regelmäßig Einblick in alle Lebensbereiche der betroffenen Person, teilweise auch in solche, die ansonsten weder engen Freunden noch Angehörigen zugänglich sind4. In einer Situation wie der des Ausgangsfalls kann sich Assistenz in der Universität auf die Aufnahme und Verarbeitung der Studieninhalte beziehen und konkret beispielsweise das Anfertigen von Mitschriften einschließen. Bei jedem Zusammentreffen mit anderen Studierenden ist – je nach den Umständen des Einzelfalls – zwangsläufig Persönliche Assistenz erforderlich, die damit integraler Bestandteil des universitären Lebens des betroffenen Menschen mit Behinderung, hier der 28-jährigen Studentin A. ist.

Persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderung ist eine Dienstleistung, die Selbstbestimmung, Teilhabe und Inklusion ermöglicht5. Das Konzept der Persönlichen Assistenz basiert auf dem Leitbild der Selbstbestimmung und unterscheidet sich grundlegend von einer Versorgung durch institutionalisierte stationäre oder ambulante Einrichtungen und Pflegedienste. Persönliche Assistenz ist darauf gerichtet, Menschen mit Behinderung zu befähigen, ihr eigenes Leben selbstbestimmt zu gestalten und zu organisieren; soweit dabei Anspruch auf staatliche Leistungen besteht, sollen die erforderlichen Ressourcen für ein selbstbestimmtes Leben zur Verfügung gestellt werden6. In diesem Zusammenhang werden im Schrifttum auf Seiten der assistenznehmenden Person die Personalkompetenz (selbstbestimmte Personalauswahl), die Anleitungskompetenz (Kompetenz, das ausgewählte Personal – abgestimmt auf die je eigenen Erfahrungen mit der Beeinträchtigung – selbst anzuleiten) und die Organisationskompetenz (Kompetenz, die Einsatzorte und -zeiten und den Umfang der Dienstleistung selbst zu bestimmen) als einige der zentralen Elemente des Konzepts der Persönlichen Assistenz genannt7.

In Deutschland ist bei der Entscheidung über die Leistungen und bei der Ausführung der Leistungen zur Teilhabe nach § 8 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit § 33 SGB I berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten zu entsprechen, soweit sie angemessen sind. Nach § 8 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit § 33 SGB I ist unter anderem auf die persönliche Lebenssituation, das Alter, das Geschlecht, die Familie sowie die religiösen und weltanschaulichen Bedürfnisse der Leistungsberechtigten Rücksicht zu nehmen. Nach der Gesetzesbegründung zu § 78 Abs. 2 SGB IX8 sind bei der Gestaltung der Leistungen der Persönlichen Assistenz die Wünsche der Leistungsberechtigten zu berücksichtigen, soweit sie angemessen sind. In diesem Rahmen kann die leistungsberechtigte Person über den Leistungsanbieter sowie in Absprache mit ihm über die Person des Assistenten oder der Assistentin, über Art, Zeiten, Ort und Ablauf der Assistenzleistungen entscheiden.

Mit dem Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten soll dem Anspruch behinderter Menschen auf eine möglichst weitgehend selbstbestimmte und eigenverantwortliche Gestaltung ihrer Lebensumstände Rechnung getragen und die Eigenverantwortlichkeit der Betroffenen sowie ihre Motivation zur Teilhabe gestärkt werden9.

Als berechtigt werden Wünsche angesehen, die sich an den vom Leistungsrecht vorgegebenen Rahmen und die mit der Leistung verfolgten Zielsetzungen sowie an sonstige Vorgaben halten, etwa an das für die Rehabilitationsträger geltende Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie die Pflicht, Leistungen nur in geeigneten Einrichtungen zu erbringen. Entscheidend ist demnach, dass den Wünschen keine derartigen Vorgaben entgegenstehen10.

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Nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs ist die Richtlinie 2000/78/EG nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit der UN-BRK, die Bestandteil der Unionsrechtsordnung ist, auszulegen11.

Nach Art.19 UN-BRK („Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft“) anerkennen die Vertragsstaaten der UN-BRK das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben. Die Vertragsstaaten treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den vollen Genuss dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft zu erleichtern. Dies schließt wirksame und geeignete Maßnahmen ein, damit Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben unter anderem zu entscheiden, mit wem sie leben. In diesem Kontext wird gewährleistet, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der Persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist. Art.19 UN-BRK enthält nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts konkrete Vorgaben zur Verwirklichung der in der Präambel der UN-BRK aufgezeigten grundlegenden Vorgaben der Menschenrechte einschließlich der Menschenwürde, für deren vollen Genuss nach der Präambel die individuelle Autonomie und Unabhängigkeit der Menschen mit Behinderungen notwendig ist. Hierzu gehört auch die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen.

In den zu Art.19 UN-BRK vom UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen unter der Überschrift „Zum selbstbestimmten Leben und Inklusion in die Gemeinschaft“ verabschiedeten Allgemeinen Bemerkungen ist definiert, dass „Selbstbestimmt Leben“ bedeutet, dass „Menschen mit Behinderungen alle notwendigen Mittel gewährt werden, die es ihnen ermöglichen, Wahlfreiheit und Kontrolle über ihr Leben auszuüben und alle Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, zu treffen. Persönliche Autonomie und Selbstbestimmung sind von grundlegender Bedeutung für ein selbstbestimmtes Leben; dies umfasst auch Zugang zu Beförderung, Informationen, Kommunikation und persönlicher Assistenz, Wohnort, Tagesablauf, Gewohnheiten, menschenwürdige Beschäftigung, persönliche Beziehungen, Kleidung, Ernährung, Körperpflege und Gesundheitsversorgung, religiöse Aktivitäten, kulturelle Aktivitäten sowie sexuelle und reproduktive Rechte. Diese Aktivitäten stehen im Zusammenhang mit der Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung: Es geht darum, wo wir leben und mit wem, was wir essen, ob wir gerne ausschlafen oder abends gerne spät ins Bett gehen, ob wir lieber drinnen oder draußen sind, eine Tischdecke und Kerzen auf dem Tisch mögen, Haustiere halten oder Musik hören. Diese Handlungen und Entscheidungen machen uns aus. Selbstbestimmt Leben ist ein wesentlicher Bestandteil der individuellen Autonomie und Freiheit und bedeutet nicht automatisch, alleine zu leben. Selbstbestimmt Leben sollte auch nicht ausschließlich als die Fähigkeit interpretiert werden, alltägliche Tätigkeiten selbst auszuführen. Stattdessen sollte selbstbestimmtes Leben im Einklang mit Artikel 3 (a) des Übereinkommens, in dem die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde und seiner individuellen Autonomie verankert ist, als Freiheit zur Wahlfreiheit und Kontrolle verstanden werden. Selbstbestimmung als eine Form der persönlichen Autonomie bedeutet, dass Menschen mit Behinderungen nicht ihrer Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich ihres persönlichen Lebensstils und ihres Alltags beraubt werden“12.

Durch die gleiche Anerkennung vor dem Recht (Art. 12 UN-BRK) wird sichergestellt, „dass alle Menschen mit Behinderungen das Recht haben, ihre Rechts- und Handlungsfähigkeit uneingeschränkt auszuüben und so das gleiche Recht auf Wahlfreiheit und Kontrolle über ihr eigenes Leben haben, indem sie entscheiden, wo, mit wem und wie sie leben wollen, sowie das Recht auf Unterstützung im Einklang mit ihrem Willen und ihren Präferenzen. Für die vollständige Verwirklichung des Übergangs zu unterstützter Entscheidungsfindung und für die Umsetzung der in Artikel 12 [UN-BRK] verankerten Rechte ist es unerlässlich, dass Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben, ihre Wünsche und ihre Präferenzen zu entwickeln und auszudrücken, damit sie ihre Rechts- und Handlungsfähigkeit gleichberechtigt ausüben können. Damit dies erreicht werden kann, müssen sie ein Teil der Gemeinschaft sein. Darüber hinaus sollte bei der Ausübung der Rechts- und Handlungsfähigkeit Unterstützung mittels eines gemeindenahen Ansatzes, der die Wünsche und Präferenzen von Menschen mit Behinderungen respektiert, geleistet werden“13.

Zudem spricht nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts viel dafür, dass bei der Ausgestaltung der Persönlichen Assistenz im Sinne von § 78 SGB IX auch die in Art. 3 UN-BRK niedergelegten allgemeinen Grundsätze zu beachten sind, nämlich die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde und seiner individuellen Autonomie, sowie der in Art. 1 UN-BRK beschriebene Zweck des Übereinkommens, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.

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Auf der Ebene des Unionsrechts wirkt sich aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts aus, dass die Richtlinie 2000/78/EG, die in dem von ihr erfassten Bereich das nunmehr in Art. 21 der GrCh niedergelegte allgemeine Diskriminierungsverbot konkretisiert, nicht nur im Licht von Art. 21 der GrCh, sondern auch von Art. 26 der GrCh auszulegen ist, wonach die Union den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft anerkennt und achtet14. Zudem kann sich in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens auch Art. 7 der GrCh auswirken, wonach jede Person das Recht auf Achtung ihres Privatlebens sowie ihrer Wohnung hat. Auch insoweit geht es – wie bereits unter Rn. 4 ausgeführt – um die Gewährleistung der Menschenwürde im Sinne von unter anderem Art. 1 der GrCh.

Nach § 78 Abs. 1 SGB IX werden Leistungen für Assistenz zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltags einschließlich der Tagesstrukturierung erbracht. Sie umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags wie die Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung, die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen. Sie beinhalten die Verständigung mit der Umwelt in diesen Bereichen. Dabei ist nach § 8 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit § 33 SGB I unter anderem auf die persönliche Lebenssituation, das Alter, das Geschlecht, die Familie sowie die religiösen und weltanschaulichen Bedürfnisse der Leistungsberechtigten Rücksicht zu nehmen. Diese Bestimmungen sind im Licht von Art.19 UN-BRK und dem hinter dieser Bestimmung stehenden menschenrechtlichen Ansatz der UN-BRK zu verstehen. Zudem sind, soweit der Anwendungsbereich des Unionsrechts betroffen ist, die oben genannten Bestimmungen der GrCh zu berücksichtigen.

Für die Frage, ob die für eine etwaige Rechtfertigung der Benachteiligung der Arbeitnehmerin wegen des Alters relevanten Regelungen über das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten – hier der assistenznehmenden Person – im deutschen Sozialgesetzbuch (§ 8 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit § 33 SGB I) mit der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar sind oder nicht, kommt es nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts auf das Ziel an, das mit diesen Regelungen bei der Erbringung von Leistungen der Persönlichen Assistenz verfolgt wird. Anhand dieses Ziels ist festzustellen, unter welchen Richtlinienbestimmungen diese Maßnahme zu prüfen ist15.

Mit dem Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten soll dem Anspruch behinderter Menschen auf eine möglichst weitgehend selbstbestimmte und eigenverantwortliche Gestaltung ihrer Lebensumstände Rechnung getragen und die Eigenverantwortlichkeit der Betroffenen sowie ihre Motivation zur Teilhabe gestärkt werden. Da die Persönliche Assistenz sämtliche Lebensbereiche betrifft und zwangsläufig tief in die Privat- und Intimsphäre der assistenzbedürftigen/-nehmenden Person hineinreicht, ist es nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts zur Gewährleistung der Menschenwürde (Art. 1 der GrCh, Art. 1 GG) erforderlich, die Wünsche des jeweiligen Menschen mit Behinderung für die eigene Lebensgestaltung bei Persönlichen Assistenzleistungen zu respektieren und in den Mittelpunkt zu stellen. Deshalb benötigen Menschen mit Behinderung aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts weitgehende Freiheit in der Auswahl der sie begleitenden Menschen. Wie auch Menschen ohne Behinderung müssen sie die Wahl haben, mit wem sie ihr Leben teilen wollen. Das Bundesarbeitsgericht ist deshalb der Auffassung, dass die Wünsche des jeweiligen Menschen mit Behinderung bei Persönlichen Assistenzleistungen nach einem bestimmten Alter und einem bestimmten Geschlecht der Assistenzperson – soweit im Einzelfall angemessen, zu respektieren sind.

Dabei macht es aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts für die hier zu beurteilende Frage der Rechtfertigung der von der Arbeitnehmerin erfahrenen unmittelbaren Benachteiligung wegen ihres Alters keinen Unterschied, ob die assistenznehmende Person mit Behinderung im sogenannten Arbeitgebermodell selbst ihre Persönliche Assistenz organisiert oder ob – wie hier – eine Assistenzgenossenschaft bzw. ein Assistenz- oder Pflegedienst dies in Abstimmung mit ihr für sie organisiert.

Nach allem stellt sich für das Bundesarbeitsgericht die Frage, ob es mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar ist, wenn Menschen mit Behinderung im Verfahren der Stellenbesetzung für eine Persönliche Assistenz eine altersbezogene Präferenz zum Auswahlkriterium erheben, obwohl nach Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG (bzw. § 3 Abs. 1 AGG) eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters verboten ist. Dabei beschränkt das Bundesarbeitsgericht seine Frage zur Auslegung des Unionsrechts nicht auf die in der Vorlagefrage genannten Bestimmungen. Soweit aus der Sicht des Unionsgerichtshofs für einen Fall, wie er dem Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens zugrunde liegt, eine andere Bestimmung des Unionsrechts von Bedeutung sein sollte, sind ausdrücklich alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts erwünscht, die bei der Entscheidung des beim Bundesarbeitsgericht anhängigen Verfahrens von Bedeutung sein können.

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Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG kann eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG genannten Diskriminierungsgründe – darunter unter anderem das Alter – steht, keine Diskriminierung darstellen, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Nach der im 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78/EG zum Ausdruck gebrachten Anforderung kann eine solche Rechtfertigung nur unter sehr begrenzten Bedingungen gegeben sein. Der Umsetzung von unter anderem Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht dient § 8 Abs. 1 AGG. Nach § 8 Abs. 1 AGG ist die unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes – darunter unter anderem das Alter, zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt.

In unionsrechtskonformer enger Auslegung von § 8 Abs. 1 AGG kann nicht der Grund im Sinne von § 1 AGG, auf den die Ungleichbehandlung gestützt ist, sondern nur ein mit diesem Grund im Zusammenhang stehendes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen16. Dabei kann das betreffende Merkmal nach dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG selbst eine solche Anforderung nur „aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung“ darstellen. Der Begriff „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ im Sinne dieser Bestimmung verweist auf eine Anforderung, die von der Art der betreffenden beruflichen Tätigkeit oder den Bedingungen ihrer Ausübung objektiv vorgegeben ist. Er kann sich hingegen nicht auf subjektive Erwägungen – wie etwa den Willen des Arbeitgebers, besonderen Kundenwünschen zu entsprechen – erstrecken17. Die Rechtmäßigkeit einer Ungleichbehandlung nach Maßgabe dieser Vorschrift hängt – soweit ersichtlich – vom objektiv überprüfbaren Vorliegen eines direkten Zusammenhangs zwischen der aufgestellten beruflichen Anforderung und der fraglichen Tätigkeit ab18.

Zwar spricht aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts einiges dafür, dass die Gewährleistung des Rechts auf ein selbstbestimmtes Leben nach den eigenen Präferenzen, auf individuelle Autonomie und Freiheit zur Wahlfreiheit und Kontrolle ein „rechtmäßiger Zweck“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG und damit im Sinne von § 8 Abs. 1 AGG ist. Das Bundesarbeitsgericht kann allerdings nicht beurteilen, ob der von einem Menschen mit Behinderung im Rahmen seines Selbstbestimmungsrechts geäußerte Wunsch, die Person, die die benötigte und mit einer Stellenausschreibung gesuchte Persönliche Assistenz leistet, solle ein wunschgemäßes Alter haben, ein Merkmal im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG ist und ob eine Alterspräferenz eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung sein kann. Dies könnte fraglich sein, denn der jeweilige konkrete Wunsch ist nicht verallgemeinerbar und als solcher nicht von der Art der beruflichen Tätigkeit der Persönlichen Assistenz oder den Bedingungen ihrer Ausübung objektiv vorgegeben. Bei der Personalauswahl für Persönliche Assistenz kann sich der Wunsch eines jungen Menschen mit Behinderung zwar – wie hier – auf eine etwa gleichaltrige Person richten, der Wunsch eines anderen jungen Menschen mit Behinderung mag sich aber eher auf eine Person im Alter der Eltern richten. Der jeweilige Wunsch beruht auf subjektiven Prioritäten für die eigene, selbstbestimmte Lebensgestaltung des jeweiligen Menschen. Dieses Selbstbestimmungsrecht zu achten und ihm bei der Personalauswahl für Persönliche Assistenz zu entsprechen, soweit die Wünsche berechtigt und angemessen sind, ist aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts unerlässlich. Ob dies allerdings im Rahmen von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG möglich ist und welche Vorgaben in solch einem Fall für die Prüfung der Angemessenheit zu berücksichtigen sind, ist bisher – soweit ersichtlich – nicht geklärt.

Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht dient § 10 AGG. Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Nach § 10 Satz 2 AGG müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. Sowohl in Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2000/78/EG als auch in § 10 Satz 3 AGG sind dazu mögliche „derartige“ zulässige „Ungleichbehandlungen“ bzw. „unterschiedliche Behandlungen“ mit dem Zusatz „insbesondere“ aufgeführt.

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Zu Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG hat der Unionsgerichtshof wiederholt entschieden, dass die Mitgliedstaaten nicht nur bei der Entscheidung darüber, welches konkrete Ziel von mehreren sie im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der zu seiner Erreichung geeigneten Maßnahmen über ein weites Ermessen verfügen, wobei Haushaltserwägungen zwar den sozialpolitischen Entscheidungen eines Mitgliedstaats zugrunde liegen können, sie aber nicht als solche das mit der jeweiligen Arbeits- und Sozialpolitik verfolgte Ziel darstellen dürfen19. Allerdings darf das den Mitgliedstaaten offenstehende weite Ermessen bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Sozial- und Arbeitspolitik verfolgt werden soll und welche Maßnahmen zu dessen Erreichung geeignet sind, nicht dazu führen, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt wird20.

Das Bundesarbeitsgericht kann nicht beurteilen, ob in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der es um eine kombinierte Mindest- und Höchstaltersgrenze geht („am besten zwischen 18 und 30 Jahre alt“), Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG eingreifen kann. Insoweit könnte zu erwägen sein, dass es ein „legitimes Ziel“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG sein kann, wenn der nationale Gesetzgeber mit dem Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen bei der Erbringung von Leistungen der Persönlichen Assistenz das Ziel verfolgt, dem Anspruch behinderter Menschen auf eine möglichst weitgehend selbstbestimmte und eigenverantwortliche Gestaltung ihrer Lebensumstände Rechnung zu tragen und die Eigenverantwortlichkeit der Betroffenen sowie ihre Motivation zur Teilhabe zu stärken. Zudem stellt sich die Frage, welche Vorgaben gegebenenfalls im Hinblick auf die Prüfung der Angemessenheit und Erforderlichkeit zu beachten sind.

Im Übrigen wird – auch wenn hier nach den Umständen des Falls nicht von unmittelbarer Bedeutung – nur der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass in der strukturell besonderen Situation der Persönlichen Assistenz subjektive Wünsche nicht nur im Hinblick auf das Alter der Assistenzperson eine Rolle spielen können, sondern dass auch andere der in Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG sowie § 1 AGG genannten Diskriminierungsgründe betroffen sein können. § 8 Abs. 1 SGB IX nennt insofern neben dem Alter das Geschlecht sowie die religiösen und weltanschaulichen Bedürfnisse. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, der ausschließlich das Alter betrifft, könnte eine Diskriminierung wegen anderer Gründe allerdings nicht rechtfertigen.

Nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG hindert der Gleichbehandlungsgrundsatz die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Gewährleistung der völligen Gleichstellung im Berufsleben spezifische Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, mit denen Benachteiligungen wegen eines in Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG genannten Diskriminierungsgrundes verhindert oder ausgeglichen werden. Der Umsetzung von Art. 7 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht dient § 5 AGG. Nach § 5 AGG ist ungeachtet der in den §§ 8 bis 10 AGG benannten Gründe eine unterschiedliche Behandlung auch zulässig, wenn durch geeignete und angemessene Maßnahmen bestehende Nachteile wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen werden sollen. Allerdings geht es nach Art. 7 der Richtlinie 2000/78/EG um die Gleichstellung im Berufsleben, was in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens nicht Ziel der Persönlichen Assistenz für die hier betroffene Assistenznehmerin ist.

Vor diesem Hintergrund möchte das Bundesarbeitsgericht wissen, ob Art. 7 der Richtlinie 2000/78/EG gleichwohl, soweit die Bestimmung im Licht von Art.19 UN-BRK und dem dahinter stehenden menschenrechtlichen Ansatz der UN-BRK sowie im Licht der Garantien der Art. 1, Art. 7, Art. 21 und Art. 26 der GrCh zu verstehen ist, für eine Rechtfertigung der Benachteiligung wegen des Alters in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens von Bedeutung sein kann. Insoweit könnte sich nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts zudem auswirken, dass die Vertragsstaaten der UN-BRK nach Art. 5 Abs. 1 UN-BRK anerkennen, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind; vom Gesetz gleich zu behandeln sind und ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz und gleiche Vorteile durch das Gesetz haben, wobei Art. 5 Abs. 4 UN-BRK ausdrücklich zu besonderen Maßnahmen ermächtigt, die zur Beschleunigung oder Herbeiführung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen erforderlich sind21.

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Nach Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG berührt diese Richtlinie nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen, die in einer demokratischen Gesellschaft unter anderem zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs kann insoweit entnommen werden, dass die in Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG genannten Gründe – wie der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer – als Möglichkeiten der „Rechtfertigung“ betrachtet werden können22.

Vor diesem Hintergrund möchte das Bundesarbeitsgericht wissen, ob sich aus Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens eine Rechtfertigung der Benachteiligung der Arbeitnehmerin wegen des Alters ergeben kann.

Auch insoweit könnte sich auswirken, dass Persönliche Assistenzleistungen dem in Art.19 UN-BRK und dem im nationalen Recht im SGB IX enthaltenen Recht von Menschen mit Behinderung auf Selbständigkeit und Autonomie gerecht werden müssen. Da es einem Menschen ohne Behinderung im Alter der 28-jährigen Studentin A. unzweifelhaft freisteht, autonom darüber zu entscheiden, mit Menschen welchen Alters das tägliche Leben geteilt werden soll, spricht aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts viel dafür, dass Menschen mit Behinderung ein solches freies Bestimmungsrecht auch im Hinblick auf die Persönliche Assistenz gewährleistet sein muss. Menschen mit Behinderung wird nach der Präambel der UN-BRK der volle Genuss der Menschenrechte und Grundfreiheiten ohne Diskriminierung garantiert. Zudem ist nach Art. 1 UN-BRK der volle und gleichberechtigte Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderung zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten. Auch ist die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern. Vor diesem Hintergrund möchte das Bundesarbeitsgericht wissen, ob insoweit auch ein Wunsch- und Wahlrecht – wie in § 8 Abs. 1 SGB IX – im Hinblick auf das Alter bei der Besetzung der Stelle zur Persönlichen Assistenz eingeschlossen ist. Besondere Bedeutung könnte dabei auch hier den Garantien in Art. 1, Art. 7, Art. 21 und Art. 26 der GrCh zukommen.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24. Februar 2022 – 8 AZR 208/21 (A)

  1. vgl. auch EuGH 17.04.2018 – C-414/16, EU:C:2018:257 – [Egenberger] Rn. 49[]
  2. vgl. etwa EuGH 10.02.2022 – C-485/20, EU:C:2022:85 – [HR Rail] Rn. 26 mwN; 21.10.2021 – C-824/19, EU:C:2021:862 – [Komisia za zashtita ot diskriminatsia] Rn. 35; 12.10.2010 – C-499/08, EU:C:2010:600 – [Ingeniørforeningen i Danmark] Rn.19[]
  3. vgl. etwa EuGH 10.02.2022 – C-485/20, EU:C:2022:85 – [HR Rail] Rn. 27 mwN; 17.04.2018 – C-414/16, EU:C:2018:257 – [Egenberger] Rn. 47[]
  4. vgl. Köpcke Soziale Arbeit 2016, 289, 290[]
  5. vgl. Müller Persönliche Assistenz S. 15 f., 22 ff.[]
  6. Müller Persönliche Assistenz S. 53 f.[]
  7. vgl. etwa Müller Persönliche Assistenz S. 21 f.; Köpcke Soziale Arbeit 2016, 289, 290, jeweils mwN[]
  8. BT-Drs. 18/9522 S. 262[]
  9. BT-Drs. 14/5074 S. 94, 100[]
  10. Joussen in LPK-SGB IX 6. Aufl. § 8 Rn. 6 mwN[]
  11. EuGH 11.09.2019 – C-397/18, EU:C:2019:703 – [Nobel Plastiques Ibérica] Rn. 39 f. mwN[]
  12. vgl. Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen Allgemeine Bemerkung Nr. 5 zu Art.19 UN-BRK – CRPD/C/GC/5 – veröffentlicht am 27.10.2017 Abschnitt II Nr. 16 Buchstabe a[]
  13. vgl. Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen Allgemeine Bemerkung Nr. 5 zu Art.19 UN-BRK – CRPD/C/GC/5 – veröffentlicht am 27.10.2017 Abschnitt IV Nr. 80[]
  14. vgl. etwa EuGH 21.10.2021 – C-824/19, EU:C:2021:862 – [Komisia za zashtita ot diskriminatsia] Rn. 33[]
  15. vgl. EuGH 12.01.2010 – C-341/08, EU:C:2010:4 – [Petersen] Rn. 36 f.[]
  16. vgl. etwa EuGH 15.07.2021 – C-795/19, EU:C:2021:606 – [Tartu Vangla] Rn. 32 mwN; 14.03.2017 – C-188/15, EU:C:2017:204 – [Bougnaoui und ADDH] Rn. 37 mwN; 12.01.2010 – C-229/08, EU:C:2010:3 – [Wolf] Rn. 35[]
  17. vgl. EuGH 14.03.2017 – C-188/15, EU:C:2017:204 – [Bougnaoui und ADDH] Rn. 39 f.[]
  18. vgl. insoweit vermutlich übertragbar EuGH 17.04.2018 – C-414/16, EU:C:2018:257 – [Egenberger] Rn. 63 zu Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG[]
  19. vgl. etwa EuGH 15.04.2021 – C-511/19, EU:C:2021:274 – [Olympiako Athlitiko Kentro Athinon] Rn. 30, 34 mwN[]
  20. vgl. etwa EuGH 3.06.2021 – C-914/19, EU:C:2021:430 – [Ministero della Giustizia (Notaires)] Rn. 30; 12.10.2010 – C-499/08, EU:C:2010:600 – [Ingeniørforeningen i Danmark] Rn. 33 mwN[]
  21. EuGH 9.03.2017 – C-406/15, EU:C:2017:198 – [Milkova] Rn. 48 ff.[]
  22. vgl. EuGH 22.01.2019 – C-193/17, EU:C:2019:43 – [Cresco Investigation] Rn. 52: „susceptible d’être justifiée sur le fondement de l’article 2, paragraphe 5, de la directive 2000/78“ bzw. „auf der Grundlage des Art. 2 Abs. 5 … der Richtlinie 2000/78 gerechtfertigt sein kann“[]