Bei Arbeitnehmern, die Altersteilzeit im Blockmodell vereinbart haben, ist zwischen der Berechnung der Bezüge nach § 4 Abs. 1 TV ATZ und der Berechnung des Mindestnettobetrags nach § 5 Abs. 2 TV ATZ zu differenzieren1. Streitgegenstand ist im vorliegenden Verfahren allein die Höhe des Mindestnettobetrags iSd. § 5 Abs. 2 TV ATZ.
Der Berechnung des Mindestnettobetrags iSd. § 5 Abs. 2 TV ATZ ist das sog. Hätte-Entgelt zugrunde zu legen. Gemäß § 5 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 TV ATZ muss der Aufstockungsbetrag so hoch sein, dass der Arbeitnehmer 83 vH des Nettobetrags des bisherigen Arbeitsentgelts erhält. Nach § 5 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 TV ATZ ist als bisheriges Arbeitsentgelt anzusetzen das gesamte, dem Grunde nach beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer für eine Arbeitsleistung bei bisheriger wöchentlicher Arbeitszeit (§ 3 Abs. 1 Unterabs. 2 TV ATZ) zu beanspruchen hätte.
Wie nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AltTZG sowie § 6 Abs. 1 AltTZG idF vom 27.06.20002, denen § 5 Abs. 2 TV ATZ nachgebildet wurde3, ist bei der Berechnung des (Netto-)Aufstockungsbetrags das sog. Hätte-Entgelt zugrunde zu legen4.
Abzustellen ist auf den klaren Wortlaut der Tarifvorschrift. Darüber hinaus gebietet auch der Sinn und Zweck des Mindestnettobetrags die Ermittlung des fiktiven Entgelts, das dem Arbeitnehmer im fraglichen Monat der Freistellungsphase zugestanden hätte, wenn er mit seiner bisherigen Arbeitszeit, die mit ihm vor dem Übergang in die Altersteilzeitarbeit vereinbart war, tatsächlich gearbeitet hätte. Die Aufstockung auf den Mindestnettobetrag stellt keine Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung dar5. Die Aufstockungsleistungen haben zum Ziel, den Lebensstandard des Arbeitnehmers auch in der Altersteilzeit zu sichern6. Würde sich der Mindestnettobetrag an den – regelmäßig – bereits einige Jahre alten tariflichen Regelungen während der Aktivphase orientieren, so wäre nicht gewährleistet, dass der Lebensstandard auch unter den geänderten Lebensbedingungen in der Freistellungsphase aufrechterhalten werden kann. Dies wird vielmehr durch die Anwendung der dann aktuellen Tarifregelungen gesichert, was in der Regel zu einem höheren Mindestnettobetrag führt als die spiegelbildliche Betrachtung der Vergütung im Referenzmonat der Aktivphase. Dafür, dass diese Dynamik dem Willen der Tarifvertragsparteien entspricht, streitet auch die Protokollnotiz zu § 5 Abs. 2 TV ATZ, nach der allgemeine Bezügeerhöhungen zu berücksichtigen sind, soweit die zugrunde liegenden Bezügebestandteile ebenfalls an allgemeinen Bezügeerhöhungen teilnehmen. Dies lässt sich mit der Auffassung, bei der Ermittlung des Mindestnettobetrags sei die Tarifsituation im entsprechenden Monat der Aktivphase zugrunde zu legen, nicht in Einklang bringen.
Das Bundesarbeitsgericht hat auch mit seiner Entscheidung vom 11.04.20067 die Maßgeblichkeit des sog. Hätte-Entgelts im Rahmen des § 5 Abs. 2 TV ATZ nicht zugunsten einer Geltung des Spiegelbildprinzips aufgegeben. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in dieser Entscheidung ausgeführt, die Aufstockungsleistungen seien gleichfalls „spiegelbildlich“ nach dem Entgelt zu bemessen, das der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase zu beanspruchen hatte8. Diese Erwägung ist jedoch im Zusammenhang der gesamten Entscheidungsgründe zu sehen. Nur der sog. Zeitfaktor ist vergangenheitsbezogen. Für das – vorliegend streitgegenständliche – Arbeitsentgelt (sog. Geldfaktor) hat das Bundesarbeitsgericht an der Gegenwartsbezogenheit ausdrücklich festgehalten9.
Ebenso wenig ergibt sich aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.11.2010 ein anderes Ergebnis. Streitgegenstand war in jener Entscheidung allein die Auszahlung des während der Aktivphase nicht ausgezahlten Teils der tariflichen Einmalzahlung, nicht die Berechnung des Mindestnettobetrags iSd. § 5 Abs. 2 TV ATZ10.
Zur Ermittlung des Mindestnettobetrags hat mithin auch bei Arbeitnehmern in der Passivphase der Altersteilzeit eine (fiktive) Überleitung in den TV-H zu erfolgen11. Danach hätte der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zahlung des tariflichen Urlaubsgelds und anstelle der früher gezahlten (jährlichen) Zuwendung nur noch Anspruch auf eine Jahressonderzahlung gemäß § 20 TV-H. Urlaubsgeld und (jährliche) Zuwendung waren daher bei der Berechnung des Mindestnettobetrags nicht zu berücksichtigen. Nach einem Vergleich des Aufstockungsbetrags nach § 5 Abs. 1 Satz 1 TV ATZ mit dem Mindestnettobetrag nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TV ATZ ist dem Arbeitnehmer der höhere Betrag zu zahlen. Das war hier der Fall.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11. August 2015 – 9 AZR 952/13
- vgl. BAG 4.10.2005 – 9 AZR 449/04, Rn. 21, BAGE 116, 86; 24.06.2003 – 9 AZR 353/02, zu A II 1 b bb (5) der Gründe, BAGE 106, 353; Langenbrinck/Litzka/Kulok Altersteilzeit im öffentlichen Dienst für Tarifbeschäftigte 5. Aufl. § 4 TV ATZ Rn. 6[↩]
- geändert durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12 2003, BGBl. I S. 2848[↩]
- zur Gesetzes- und Tarifgeschichte vgl. BAG 11.04.2006 – 9 AZR 369/05, Rn. 47, BAGE 118, 1[↩]
- BAG 4.10.2005 – 9 AZR 449/04, Rn. 21, BAGE 116, 86; 24.06.2003 – 9 AZR 353/02, zu A II 1 b bb (4) der Gründe, BAGE 106, 353[↩]
- BAG 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, zu II 4 der Gründe, BAGE 112, 214[↩]
- BAG 4.10.2005 – 9 AZR 449/04, Rn. 21, BAGE 116, 86[↩]
- BAG 11.04.2006 – 9 AZR 369/05, BAGE 118, 1[↩]
- BAG 11.04.2006 – 9 AZR 369/05, Rn. 52, aaO[↩]
- BAG 11.04.2006 – 9 AZR 369/05, Rn. 44, aaO[↩]
- BAG 16.11.2010 – 9 AZR 597/09, Rn. 28 ff.[↩]
- vgl. zur Überleitung in den TVöD/TV-L Langenbrinck/Litzka/Kulok Altersteilzeit im öffentlichen Dienst für Tarifbeschäftigte 5. Aufl. § 5 TV ATZ Rn. 58; siehe auch TdL-Hinweise zur Anwendung des TV ATZ im Geltungsbereich des TV-L, zu III 4.2, abgedruckt bei Sponer/Steinherr TVöD/TV-L Ergänzende Vorschriften Ordner 1 TV ATZ Anhang Nr. 2.2[↩]
Bildnachweis:
- Notebook: Janeb13










