Nach § 547 Nr. 4 ZPO ist eine Entscheidung stets auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. Vor dem Hintergrund, dass der absolute Revisionsgrund nach § 547 Nr. 4 ZPO sich als besondere Ausprägung der Versagung rechtlichen Gehörs darstellt, ist diese Vorschrift entsprechend auch auf Dritte anwendbar, die entgegen zwingender Vorschriften an dem Verfahren nicht beteiligt wurden1. Dies gilt auch für die unterbliebene Anhörung eines Beteiligten im Beschlussverfahren.

Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben im Beschlussverfahren ua. die Stellen ein Recht auf Anhörung, die im Einzelfall beteiligt sind. Beteiligt ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist2.
Die begehrte Entscheidung über die Wirksamkeit der Betriebsratswahl betrifft die Gewerkschaften sowie den Arbeitgeberverband nicht unmittelbar in ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie. Zwar ist der Abschluss eines Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt3. Diese Abschlussfreiheit wird durch die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Betriebsratswahl im Gemeinschaftsbetrieb jedoch nicht berührt, da die Wirksamkeit der Landesbezirkstarifverträge nur eine Vorfrage für diese Entscheidung ist und an der Rechtskraftwirkung nicht teilnimmt. Mit der Entscheidung im vorliegenden Verfahren steht nicht bindend fest, dass die Landesbezirkstarifverträge Nr. 8/2016 und Nr. 8a/2016 unwirksam sind. Die Beschwerdeführer können die Frage, ob sie mit den Landesbezirkstarifverträgen Nr. 8/2016 und Nr. 8a/2016 eine betriebsratsfähige Einheit geschaffen haben, in einem Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG klären lassen. Dieses Verfahren dient der Klärung der für die gesamte Betriebsverfassung grundsätzlichen Vorfrage, indem verbindlich festgelegt wird, welche Organisationseinheit als der Betrieb anzusehen ist, in dem ein Betriebsrat gewählt wird und in dem er seine Beteiligungsrechte wahrnehmen kann4.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil den Tarifvertragsparteien als den „Beteiligten vor Ort“ mit der Neufassung des § 3 BetrVG weitreichende und flexible Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt werden sollten, damit sie mit Hilfe von Vereinbarungslösungen Arbeitnehmervertretungen schaffen können, die auf die besondere Struktur des jeweiligen Betriebs, Unternehmens oder Konzerns zugeschnitten sind5. Das bedeutet nicht, dass die Tarifvertragsparteien auch dann an einem Beschlussverfahren beteiligt sind, wenn die Wirksamkeit eines Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG nur eine Vorfrage für die begehrte Entscheidung ist. Die Beteiligung der Tarifvertragsparteien ist auch nicht erforderlich, um in einem Wahlanfechtungsverfahren darzulegen, dass die geschaffenen Betriebsstrukturen sachgerecht sind. Diesen Vortrag können die Betriebsparteien halten und dafür – soweit erforderlich – die notwendigen Informationen von den Tarifvertragsparteien einholen.
Die Beschwerdeführer berufen sich ohne Erfolg auf die Beteiligung der betroffenen Tarifvertragsparteien im Verfahren nach § 97 ArbGG6. Durch eine Entscheidung über ihre Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit sind die Tarifvertragsparteien unmittelbar in ihrer kollektivrechtlichen Rechtsposition betroffen.
Aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu anderen Fallkonstellationen folgt nichts Gegenteiliges.
In Verfahren nach § 98 ArbGG sind zwar die Tarifvertragsparteien, die den Tarifvertrag abgeschlossen haben, der für allgemeinverbindlich erklärt bzw. durch Rechtsverordnung erstreckt wurde, beteiligt. Diese Beteiligung ergibt sich aber schon aus den Antragsrechten der Tarifvertragsparteien nach § 5 TVG, §§ 7, 7a AEntG und § 3a AÜG. Die Tarifvertragsparteien sind dort unmittelbar in ihrer Rechtsstellung als Antragsteller berührt, wenn die Allgemeinverbindlichkeitserklärung oder Rechtsverordnung für (un)wirksam erklärt würde7.
Es besteht auch kein Widerspruch zu der Entscheidung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 29.07.19828. Der Sechste Senat hat die Mitglieder einer Arbeitsgruppe an einem Verfahren beteiligt, dessen Gegenstand die Wirksamkeit des von der Arbeitsgruppe gefassten Beschlusses war. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nicht die Wirksamkeit der Landesbezirkstarifverträge Nr. 8 und Nr. 8a/2016, sondern die Wirksamkeit der Betriebsratswahl.
Die Tarifvertragsparteien können sich auch nicht mit Erfolg auf die BAG-Entscheidung vom 29.07.20099 berufen. Das Bundesarbeitsgericht hat sich in dieser Entscheidung nicht zu der Frage der Beteiligung geäußert.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21. April 2020 – 7 ABN 79/19
- BAG 26.04.2018 – 8 AZN 974/17, Rn. 10, 13, BAGE 162, 375; BGH 30.10.2002 – XII ZR 345/00, zu 1 der Gründe mwN; 27.03.2002 – XII ZR 203/99, zu 4 der Gründe mwN; BVerwG 22.01.2016 – 5 PB 10/15, Rn. 15[↩]
- BAG 15.05.2019 – 7 ABR 35/17, Rn. 15[↩]
- vgl. BAG 29.07.2009 – 7 ABR 27/08, Rn. 38, BAGE 131, 277[↩]
- BAG 17.05.2017 – 7 ABR 21/15, Rn. 13 mwN[↩]
- BT-Drs. 14/5741 S. 33; BAG 29.07.2009 – 7 ABR 27/08, Rn. 27, BAGE 131, 277[↩]
- vgl. BAG 26.06.2018 – 1 ABR 37/16, Rn.19, BAGE 163, 108[↩]
- BAG 21.09.2016 – 10 ABR 33/15, Rn. 80, BAGE 156, 213[↩]
- BAG 29.07.1982 – 6 ABR 51/79, zu II 6 a der Gründe, BAGE 39, 259[↩]
- BAG 29.07.2009 – 7 ABR 27/08, BAGE 131, 277[↩]