Anfechtung und ordentliche Kündigung – und die Kündigungsschutzklage

Die Anträge festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis weder durch eine bestimmte Kündigung noch durch die erklärte Anfechtung aufgelöst worden ist, sind zulässig. Sie sind als einheitlicher Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG anzusehen.

Anfechtung und ordentliche Kündigung – und die Kündigungsschutzklage

Der Feststellungsantrag hinsichtlich der Anfechtugnserklärung ist dem Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG nachgebildet. Ein solcher Antrag ist grundsätzlich nur bei einer Kündigungsschutzklage im Anwendungsbereich des § 4 bzw. § 13 Abs. 1 KSchG zulässig1.

Das Landesarbeitsgericht Köln hat in einem solchen Fall angenommen2, der Antrag enthalte bei sachgerechtem Verständnis eine allgemeine Feststellungsklage iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Er sei auf die – unbedingte – Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz gerichtet. Diese Auslegung des Landesarbeitsgerichts Köln lässt außer Acht, dass die Frage, ob die Anfechtung berechtigt war und zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat; vom Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage mit umfasst ist. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, der Arbeitnehmer habe neben dem Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG zusätzlich eine eigenständige allgemeine Feststellungsklage iSv. § 256 Abs. 1 ZPO erheben wollen. Dafür bestand kein Bedürfnis3.

Gegenstand einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG ist das Begehren festzustellen, dass „das Arbeitsverhältnis“ durch die konkrete, mit der Klage angegriffene Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin nicht aufgelöst worden ist. Die betreffende Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht deshalb regelmäßig zugleich fest, dass jedenfalls bei Zugang der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat, das nicht schon zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst worden ist4. Von dem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist auch die Frage umfasst, ob das Arbeitsverhältnis am vorgesehenen Auflösungstermin noch bestanden hat und nicht durch einen während der Kündigungsfrist eingetretenen Umstand aufgelöst worden ist5.

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Demgegenüber ist Gegenstand der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO die Frage, ob das Arbeitsverhältnis über den durch die Kündigung bestimmten Auflösungstermin hinaus bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz fortbestanden hat6. Die Klage soll, soweit sie neben der Klage gemäß § 4 Satz 1 KSchG erhoben wird, klären, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund von Beendigungstatbeständen aufgelöst worden ist, die vom Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage nicht erfasst sind7.

Hat der Arbeitgeber neben einer ordentlichen Kündigung die Anfechtung des Arbeitsvertrags erklärt, hängt der Erfolg der Kündigungsschutzklage auch von der Wirksamkeit der Anfechtung ab, wenn diese – ihre Berechtigung unterstellt – auf einen Zeitpunkt wirkt, der vor dem Auflösungstermin der Kündigung liegt. Ob die Anfechtung durchgreift ist deshalb in aller Regel schon im Rahmen des Kündigungsschutzantrags zu überprüfen8.

So liegt der vorliegende Fall. Das Kündigungsschutzbegehren des Arbeitnehmers kann nur Erfolg haben, wenn die Anfechtung des Arbeitsvertrags nicht durchgreift. Andernfalls hätte diese das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Kündigungsfrist aufgelöst.

Wäre die Anfechtung berechtigt, wäre die Kündigungsschutzklage schon deshalb abzuweisen, weil am maßgebenden Kündigungstermin zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden hätte. Das gilt unabhängig davon, ob der Anfechtung Wirkung „ex nunc“ beizulegen wäre oder ob diese auf den Zeitpunkt einer Anfang Dezember 2010 erfolgten Freistellung des Arbeitnehmers und einer damit einhergehenden „Außerfunktionsetzung“ des Arbeitsverhältnisses zurückwirken würde9.

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Der Erklärung, der Arbeitsvertrag werde „zusätzlich und höchst vorsorglich“ angefochten, kann nicht entnommen werden, der Arbeitgeber habe von seinem Gestaltungsrecht nur für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung Gebrauch machen und/oder seiner Erklärung Wirkung lediglich für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist beilegen wollen. Einer solchen Bewertung steht vorbehaltslos verlautbarte Anfechtungserklärung entgegen. Diese konnte der Arbeitnehmer nur so verstehen, dass es dem Arbeitgeber darum ging, sobald als möglich eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu erreichen.

Danach ist das Feststellungsbegehren als einheitlicher Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG zu verstehen. Selbst wenn der Arbeitnehmer hinsichtlich der Anfechtung eine allgemeine Feststellungsklage hätte erheben wollen, wäre diese unter die, zulässige – Rechtsbedingung gestellt, dass über die Berechtigung der Anfechtung nicht bereits im Rahmen des Kündigungsschutzantrags zu entscheiden ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. März 2014 – 2 AZR 1071/12

  1. BAG 10.11.2011 – 6 AZR 357/10, Rn. 13 mwN, BAGE 139, 376; vgl. ferner 21.11.2013 – 2 AZR 474/12, Rn. 29[]
  2. LAG Köln 10.10.2012 – 5 Sa 389/12[]
  3. ähnlich BAG 27.09.2012 – 2 AZR 838/11, Rn. 11[]
  4. BAG 26.09.2013 – 2 AZR 682/12, Rn. 18; 23.05.2013 – 2 AZR 102/12, Rn. 13 mwN[]
  5. BAG 12.05.2011 – 2 AZR 479/09, Rn. 18; 5.10.1995 – 2 AZR 909/94, zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111[]
  6. im Einzelnen BAG 26.09.2013 – 2 AZR 682/12, Rn. 31; 13.03.1997 – 2 AZR 512/96, zu II 1 b der Gründe, BAGE 85, 262[]
  7. vgl. BAG 26.09.2013 – 2 AZR 682/12 – aaO; 12.05.2005 – 2 AZR 426/04, zu B I 2 der Gründe[]
  8. vgl. BAG 12.05.2011 – 2 AZR 479/09, Rn.19[]
  9. vgl. dazu BAG 12.05.2011 – 2 AZR 479/09, Rn.19; 20.05.1999 – 2 AZR 320/98, BAGE 91, 349[]
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