Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen1.

Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Danach genügt eine Berufungsbegründung nur dann den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden, doch muss die Berufungsbegründung auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will2. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die Regelung des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält3. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es demnach nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen4.
Im hier vom Landesarbeitsgericht entschiedenen Fall bedeutete dies: Die inhaltlich nur eine Seite umfassende Berufungsbegründung vom 22.10.2018 genügt diesen Anforderungen nicht. Die Klägerin hat sich in keiner Weise mit den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils auseinandergesetzt.
Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, dass die Klägerin der ihr obliegenden abgestuften Darlegungslast nicht entsprochen habe. Die Beklagte habe zum Umfang und zur Lage der Krankheitsfehlzeiten substantiiert vorgetragen. Die Klägerin habe die hiervon ausgehende negative Gesundheitsprognose nicht durch substantiierten Vortrag widerlegt. Insbesondere habe sie nicht vorgetragen, welche Krankheiten für welche Krankheitszeiträume ursächlich gewesen seien. Soweit sich die Klägerin schriftsätzlich auf Unterlagen der Krankenkasse sowie ein ärztliches Attest berufen habe, seien diese nicht als Anlagen beigefügt gewesen und auch nicht – trotz gerichtlichen Hinweises – nachgereicht worden. Die Klägerin habe weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass ihr gegenüber die sie behandelnden Ärzte eine positive Gesundheitsprognose abgegeben hätten. Sie habe die Ärzte auch nicht von der Schweigepflicht entbunden. Infolge der Krankheitsfehlzeiten habe die Beklagte in erheblichem Umfang Entgeltfortzahlungen von mehr als sechs Wochen geleistet. Von 2013 bis 2016 habe die Entgeltfortzahlung insgesamt mehr als ein Jahresgehalt (22.371,14 €) betragen. Angesichts dessen müsse die Interessenabwägung zulasten der Klägerin ausfallen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil in den letzten Jahren eine steigende Tendenz der Krankheitsfehlzeiten zu verzeichnen sei.
Die Klägerin wiederholt mit der Berufungsbegründung lediglich ihren erstinstanzlichen Vortrag, dass sämtliche Vorerkrankungen zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung ausgeheilt seien. Ihr erstinstanzlicher Vortrag sei auch substantiiert genug, zumal die Daten der Erkrankungen unstreitig seien. Sie sei nur verpflichtet gewesen, Tatsachen ins Verfahren einzuführen, dass die Krankheitszeiten jedenfalls des der Kündigung vorangehenden relevanten Zeitraums auf den bereits in der Vorinstanz vorgetragenen singulären Ereignissen beruhten. Diesem Vortrag sei die Beklagte auch nicht entgegengetreten. Bei der zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung aktuellen Krankschreibung habe es ärztlicherseits eine positive Prognose gegeben. Die Diagnose sei nach ICD-10 M20.1 GL gewesen. Von Anbeginn sei absehbar gewesen, dass nach einem operativen Eingriff eine vollständige Wiederherstellung der Gesundheit ohne Einschränkungen für die Zukunft folgen würde.
Die Klägerin wiederholt insoweit ausschließlich ihren Vortrag erster Instanz mit dem Bemerken, mehr müsse sie nicht vortragen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils fehlt in Gänze. Insbesondere setzt sich die Klägerin nicht mit dem Argument des Arbeitsgerichts auseinander, dass sie ihrer abgestuften Darlegungslast nicht entsprochen und nicht dargelegt habe, welche Krankheitsursachen den Fehlzeiten der letzten Jahre im Einzelnen zugrunde gelegen hätten. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Umfang und die Lage der krankheitsbedingten Fehlzeiten unstreitig sind. Die vom Arbeitsgericht gerügte fehlende (abgestufte) Darlegung bezieht sich auf die Zuordnung der unterschiedlichen Krankheitsursachen zu den jeweiligen Arbeitsunfähigkeitszeiten. Hierzu fehlt in erster (und zweiter Instanz) jeglicher Vortrag. Im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 17.07.2017 (per Telefax eingegangen am 03.11.2017) hat die Klägerin nur vorgetragen, dass die langen (welche?) Krankenstände von singulären Ereignissen verursacht worden seien. Im Weiteren benennt sie nur eine Wirbelsäulenverletzung infolge eines schweren Verkehrsunfalls, mehrere Arbeitsunfälle sowie die (mutmaßlichen psychischen) Auswirkungen der zum Tode führenden Krebserkrankung ihres Ehemanns, ohne auch nur im Ansatz darzutun, welche konkreten Arbeitsunfähigkeitszeiten durch diese Krankheiten ausgelöst wurden und welcher jeweilige Arzt sie mit welchem Erfolg und welcher abgegebenen Gesundheitsprognose jeweils behandelt hat. Eine zeitliche Zuordnung dieser „singulären“ Erkrankungen fehlt in Gänze. Wann war der Verkehrsunfall, wann welche Arbeitsunfälle mit welchen Verletzungen und wann erkrankte und verstarb ihr Ehemann? Das Arbeitsgericht hat gerade keinen substantiierten Vortrag der Klägerin außer Acht gelassen. Einen solchen gab es schlicht und einfach nicht.
Die Klägerin hat aber auch nicht in irgendeiner Art und Weise dargetan, warum die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast sowie dessen rechtliche Einschätzung, der Sachvortrag der Klägerin sei unsubstantiiert, fehlerhaft sein soll. Sie meint nur formelhaft, dass die von der Vorinstanz angenommene negative Gesundheitsprognose einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalte. Insbesondere greift sie mit ihrer Berufungsbegründung auch die vom Arbeitsgericht auf Seite 7 bis 8 des angefochtenen Urteils zugrunde gelegte höchstrichterliche Rechtsprechung nicht an, nach der für die Prognoseentscheidung nicht nur die der Kündigung unmittelbar vorangegangene Arbeitsunfähigkeit (hier: Operation am Fuß) maßgeblich ist, sondern die Fehlzeiten eines Referenzzeitraums von zumindest drei Jahren vor Ausspruch der Kündigung5. Von einer Berufungsbegründung ist zu verlangen, dass sie auf den zur Entscheidung stehenden Streitfall zugeschnitten ist und erkennen lässt, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen das angefochtene Urteil unrichtig sei. Es ist im Einzelnen anzugeben, aus welchen Gründen der Berufungsführer die tatsächlichen und rechtlichen Würdigungen des vorinstanzlichen Urteils in den angegebenen Punkten für unrichtig hält. Der Berufungsführer hat sich mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils Punkt für Punkt auseinanderzusetzen. Er muss die Urteilsbegründung im Einzelnen diskutieren. Es reicht dabei gerade nicht aus, die Auffassungen des Erstrichters als falsch oder die Anwendung einer bestimmten Vorschrift als irrig zu rügen6. So liegt der Fall aber hier. Der Berufungsbegründung ist nicht im Ansatz zu entnehmen, warum aus Sicht der Klägerin das Arbeitsgericht ihren erstinstanzlichen Vortrag irriger Weise für unsubstantiiert gehalten hat. Eine rechtliche und/oder tatsächliche Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils findet schlicht nicht statt.
Ungeachtet dessen wiederholt die Klägerin in der Berufungsbegründung aber auch lediglich ihren bereits erstinstanzlichen Vortrag zu den Ursachen der letzten Arbeitsunfähigkeit (Fußoperation), ohne wiederum auch nur im Ansatz darzulegen, wann die der Fußoperation zugrundeliegende Arbeitsunfähigkeit konkret begann und wie lange diese andauerte und ob und wann der benannte Zeuge Dr. D. welche Heilungsprognose ihr gegenüber abgegeben hat. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass sie zweitinstanzlich zusätzlich den Diagnoseschlüssel mitgeteilt hat. Denn sie geht auf die zusätzliche Begründung des Arbeitsgerichts nicht ein, dass nicht ersichtlich sei, worauf sie ihre eigene Einschätzung stütze, dass eine vollständige Genesung von der Fußoperation unmittelbar bevorstehe. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin weder erst- noch zweiinstanzlich das in Bezug genommene ärztliche Attest weder im Wortlaut wiedergegeben noch zur Akte gereicht hat. Aussteller, Datum und Inhalt des Attestes hat die Klägerin weder erst- noch zweitinstanzlich mitgeteilt. Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung angibt, dass sie diese bereits erstinstanzlich dem Arbeitsgericht vorgelegt habe, ist dies bereits falsch. Die Klägerin nimmt die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu der fehlenden Vorlage der Anlagen auf Seite 8 des angefochtenen Urteils schlicht nicht zur Kenntnis. Sie hat zwar in der Telefax-Berufungsbegründung vom 22.10.2018 angekündigt, dass die Anlagen „erneut“ dem „Original“ beiliegen würden. Tatsächlich ist beim Berufungsgericht der Originalschriftsatz der Berufungsbegründung vom 22.10.2018 trotz telefonischer Anforderungen vom 30.10.2018 und 07.11.2018 und entsprechender Zusage zu keinem Zeitpunkt eingegangen. Die Beklagte hat in der Berufungserwiderung auch ausdrücklich gerügt, dass der Berufungsbegründung entgegen der Ankündigung die Anlagen gerade nicht beigefügt waren. Auch auf diese Rüge hat die Klägerin die Anlagen weder per Fax noch mit einem Originalschriftsatz nachgereicht. Auch mit der Berufungsbegründung trägt die Klägerin gerade nicht vor, dass der erstmals benannte Arzt Dr. D. ihr (wann?) mitgeteilt habe, dass ihre „Gesundheit ohne Einschränkung für die Zukunft“ vollständig (wann?) wiederhergestellt sein wird. Sie behauptet schlicht, „es“ habe „ärztlicherweise von Anbeginn eine positive Prognose“ gegeben. Eine derartige Prognose des benannten Arztes Dr. D. kann sich aber allenfalls auf die Behandlung des Hallux Vallgus beziehen, nicht aber auf eine allumfassende Prognose „Wiederherstellung der Gesundheit ohne Einschränkungen für die Zukunft“. Denn unstreitig lagen den Arbeitsunfähigkeitszeiten der letzten drei Jahre diverse Krankheitsursachen zugrunde. Anderenfalls wäre es gemäß § 3 Abs. 1 EFZG nicht erklärlich, warum die Beklagte in den letzten drei Jahren jährlich weit mehr als sechs Wochen Entgeltfortzahlungen an die Klägerin leistete.
Die Berufung ist aber auch nicht etwa nach § 520 Abs. 3 Nr. 4 ZPO zulässig. Neue Tatsachen, die die von den erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten der letzten drei Jahre ausgehende negative Gesundheitsprognose entkräften könnten, hat die Klägerin gerade nicht vorgetragen. Neuen Vortrag enthält die Berufungsbegründung nicht. Insoweit handelt es sich nur um eine Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags.
Eine Auseinandersetzung mit der vom Arbeitsgericht festgestellten erheblichen Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen der Beklagten sowie der vom Arbeitsgericht vorgenommenen und zulasten der Klägerin getroffenen Interessenabwägung fehlt ebenfalls in Gänze. Hierzu enthält die Berufungsbegründung nicht einen Satz.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 10. Januar 2019 – 5 Sa 338/18
- BAG, Urteil vom 14.03.2017 – 9 AZR 633/15, Rn. 11[↩]
- st. Rechtsprechung des BAG, vgl. nur: BAG, Urteil vom 19.02.2013 – 9 AZR 543/11; BAG, Urteil vom 15.03.2011 – 9 AZR 813/09; BAG, Urteil vom vom 19.10.2010 – 6 AZR 118/10, jeweils zit. nach juris[↩]
- BAG, Urteil vom 19.02.2013 – 9 AZR 543/11, Rz. 14 m.w.N.[↩]
- BAG, Urteil vom 14.03.2017 – 9 AZR 633/15, Rn. 11, juris; LAG ‑Holstein, Urteil vom 11.05.2017 – 5 Sa 287/16 –, Rn. 29 f., juris; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30.05.2007 – 6 Sa 487/06[↩]
- zuletzt: BAG, Urteil vom 25.04.2018 – 2 AZR 6/18, Rn. 23[↩]
- vgl. BAG, Urteil vom 26.04.2017 – 10 AZR 275/16, juris; BGH, Urteil vom 09.03.1995 – IX ZR 143/94, juris; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.09.2014 – 4 Sa 23/14, Rn. 11[↩]