Angemessenheit der Ausbildungsvergütung – und die Verkehrsanschauung

Ausbildende haben Auszubildenden gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG eine angemessene Vergütung zu gewähren. Maßgeblich für die Angemessenheit ist die Verkehrsanschauung. Wichtigster Anhaltspunkt für diese sind die einschlägigen Tarifverträge. Eine Ausbildungsvergütung ist in der Regel nicht mehr angemessen, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag geregelte um mehr als 20% unterschreitet.

Angemessenheit der Ausbildungsvergütung – und die Verkehrsanschauung

Handelt es sich bei dem Ausbildenden um eine gemeinnützige juristische Person, rechtfertigt allein der Status der Gemeinnützigkeit es nicht, bei der Prüfung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung von einer Orientierung an den einschlägigen Tarifverträgen abzusehen. Eine durch Spenden Dritter finanzierte Ausbildungsvergütung, die mehr als 20 vH unter den tariflichen Sätzen liegt, ist allerdings noch nicht zwingend unangemessen. Vielmehr kann der Ausbildende die darauf gerichtete Vermutung widerlegen, indem er darlegt, dass besondere Umstände die niedrigere Ausbildungsvergütung rechtfertigen.

Beklagter in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall war ein gemeinnütziger Verein mit dem Zweck der Förderung der qualifizierten Berufsausbildung. Dazu schließt er Berufsausbildungsverträge ab. Die Ausbildung der Auszubildenden erfolgt in seinen Mitgliedsbetrieben. Der im September 1990 geborene Kläger bewarb sich im Januar 2008 bei einem solchen Mitgliedsunternehmen um einen Ausbildungsplatz zum Maschinen- und Anlageführer. Der Berufsausbildungsvertrag wurde mit dem Beklagten geschlossen. Die Ausbildung erfolgte in dem Unternehmen, bei dem sich der Kläger beworben hatte. Dieser erhielt während des Ausbildungsverhältnisses vom 01.09.2008 bis zum 7.02.2012 nur ca. 55 vH der Ausbildungsvergütung nach den Tarifverträgen für die Metall- und Elektroindustrie in Bayern. Mit seiner Klage verlangt der Kläger auf der Grundlage der tariflichen Ausbildungsvergütung die Zahlung weiterer 21.678, 02 Euro brutto.

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Die Klage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht Nürnberg1 wie auch vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg: Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht die Unangemessenheit der von dem Verein gezahlten Ausbildungsvergütung festgestellt und – nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts rechtsfehlerfrei – angenommen, dass die Ausbildungsvergütung auch eine Entlohnung der geleisteten Arbeit darstellt. Diese kam zwar nicht dem Verein selbst, jedoch seinem Mitgliedsunternehmen zugute. Besondere Umstände, die geeignet sein könnten, trotz des Unterschreitens der tariflichen Ausbildungssätze um fast 50% die Vermutung der Unangemessenheit der vom Verein gezahlten Ausbildungsvergütung zu widerlegen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Verein hat solche Umstände auch nicht dargetan.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. April 2015 – 9 AZR 108/14

  1. LAG Nürnberg, Urteil vom 04.09.2013 – 7 Sa 374/13[]