Die Zumutbarkeit anderweitiger Arbeit im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG und der arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruch sind rechtlich unabhängig.

In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall befand sich der Arbeitgeber im streitbefangenen Zeitraum infolge seiner unwirksamen Kündigung im Annahmeverzug, ohne dass es eines Angebots des Arbeitnehmers (§ 296 BGB) bedurft hätte [1]. Auf die Annahmeverzugsvergütung (§ 615 Satz 1 BGB) muss sich der Arbeitnehmer nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG aber anrechnen lassen, was er bei dem Arbeitgeber zu verdienen böswillig unterlassen hat.
Nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG muss sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Die Vorschrift ist inhaltsgleich mit § 615 Satz 2 BGB [2]. Beide Bestimmungen stellen darauf ab, ob dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG) die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit zumutbar ist. Dabei kommt eine Anrechnung auch in Betracht, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber besteht, der sich mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers im Verzug befindet. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Die Unzumutbarkeit der Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie kann ihren Grund in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit und den sonstigen Arbeitsbedingungen haben. Auch vertragsrechtliche Umstände sind zu berücksichtigen. Allerdings ist die nichtvertragsgemäße Arbeit nicht ohne weiteres mit unzumutbarer Arbeit gleichzusetzen. Wie § 615 Satz 2 BGB schließt § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG den Fall mit ein, dass der Arbeitgeber nur vertragswidrige Arbeit anbietet. Denn das Angebot vertragsgerechter Arbeit zwecks Erfüllung des bestehenden Arbeitsverhältnisses würde den Annahmeverzug beenden [3]. Vielmehr handelt der Arbeitnehmer böswillig, dem ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert [4].
Ausgehend von diesen Grundsätzen war dem Arbeitnehmer im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall die Tätigkeit in der Wohnumfeldpflege „an sich“ zumutbar. Es handelte sich dabei um einen Ausschnitt der Aufgaben eines Hausmeisters. Mit der Arbeit in der Wohnumfeldpflege war weder eine Änderung des Arbeitsorts noch eine Statusverschlechterung dergestalt verbunden, dass der Arbeitnehmer vormaligen Kollegen oder sogar Untergebenen unterstellt gewesen wäre. Die Unzumutbarkeit folgt auch nicht daraus, dass die Arbeitgeberin für die Tätigkeit in der Wohnumfeldpflege keine Bereitschaftszulage zahlen wollte. Der Arbeitnehmer hat weder finanzielle Probleme durch eine vorübergehende Nichtzahlung der Bereitschaftszulage noch die Aussicht auf einen anderweitigen Arbeitsplatz mit besseren Verdienstmöglichkeiten geltend gemacht. Auf die ordentliche Kündigung der Arbeitgeberinn zum 31.12.2008, die nicht auf das Verhalten des Arbeitnehmers gestützt war [5], hat der Arbeitnehmer die Unzumutbarkeit der (Weiter-)Arbeit in der Wohnumfeldpflege ebenso wenig gestützt wie auf den Auflösungsantrag der Arbeitgeberinn.
Diese objektive Zumutbarkeit einer Beschäftigung in der Wohnumfeldpflege bestätigt die subjektive Einschätzung des Arbeitnehmers, der in der Zeit vom 18.06.2008 bis zu seinem Urlaub im Dezember 2008 bis auf kürzere Arbeitsunfähigkeitszeiten tatsächlich in der Wohnumfeldpflege arbeitete.
Der Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Versetzungsrechtsstreit mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde im Dezember 2008 (§ 72a Abs. 5 Satz 6 ArbGG), änderte entgegen der Auffassung der Vorinstanzen an der Zumutbarkeit der Beschäftigung in der Wohnumfeldpflege bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses nichts. Der Anspruch auf eine bestimmte Beschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis bedingt als solcher nicht die Unzumutbarkeit jedweder anderen Tätigkeit im Rahmen einer Prozessbeschäftigung. § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG regelt nicht Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, sondern die nach anderen Maßstäben zu beurteilende Obliegenheit, aus Rücksichtnahme gegenüber dem Arbeitgeber einen zumutbaren Zwischenverdienst zu erzielen [6]. Das zeigt gerade der gesetzliche Regelfall der böswillig bei einem anderen Arbeitgeber unterlassenen Arbeit, die notwendigerweise auf einer anderen vertraglichen Grundlage stattgefunden hätte [7].
Das Bestehen dringender Gründe für das Angebot objektiv vertragswidriger Arbeit ist ein Kriterium für böswilliges Unterlassen im Sinne von § 615 Satz 2 BGB im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis, in dem der Arbeitnehmer vertragsgemäße Arbeit zu vertragsgemäßen Bedingungen erwarten darf [8]. Für die Obliegenheit des Arbeitnehmers nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG im gekündigten Arbeitsverhältnis ist dagegen der arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruch grundsätzlich ohne Belang. Aufgrund der Unsicherheit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist und vor einer rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess stand im streitbefangenen Zeitraum gerade nicht fest, dass die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer als Hausmeister beschäftigen musste. Es stand noch nicht einmal fest, ob sie den Arbeitnehmer überhaupt noch auf der Grundlage eines bestehenden Arbeitsvertrags zu beschäftigen hatte.
Die Höhe dessen, was sich der Arbeitnehmer nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG auf seinen Annahmeverzugsanspruch anrechnen lassen muss, entspricht der vereinbarten Vergütung, so dass der Arbeitnehmer für den streitbefangenen Zeitraum nichts mehr verlangen kann.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. November 2011 – 5 AZR 564/10
- vgl. nur BAG 27.08.2008 – 5 AZR 16/08, Rn. 16, AP BGB § 615 Nr. 124 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 26; 26.09.2007 – 5 AZR 870/06, Rn. 21, BAGE 124, 141 – jeweils mwN[↩]
- BAG 11.10.2006 – 5 AZR 754/05, Rn. 18, AP BGB § 615 Nr. 119 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 18[↩]
- vgl. nur BAG 24.09.2003 – 5 AZR 500/02 – zu I der Gründe, BAGE 108, 27[↩]
- st. Rspr., zB BAG 7.02.2007 – 5 AZR 422/06, Rn. 15 mwN, BAGE 121, 133[↩]
- zur möglichen Unzumutbarkeit der Weiterarbeit bei einer verhaltensbedingten Kündigung, vgl. BAG 24.09.2003 – 5 AZR 500/02 – zu II 2 der Gründe mwN, BAGE 108, 27[↩]
- vgl. BAG 7.02.2007 – 5 AZR 422/06, Rn. 17, BAGE 121, 133[↩]
- vgl. BAG 26.09.2007 – 5 AZR 870/06, Rn. 23, BAGE 124, 141[↩]
- vgl. BAG 7.02.2007 – 5 AZR 422/06, Rn. 3, 18, BAGE 121, 133[↩]