Kann der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts wirksam näher bestimmte Tätigkeit aus in seiner Person liegenden Gründen nicht mehr ausüben, aber eine andere im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung liegende Tätigkeit verrichten, ist das Angebot einer anderen Tätigkeit ohne Belang, solange der Arbeitgeber nicht durch eine Neuausübung seines Direktionsrechts diese zu der iSv. § 294 BGB zu bewirkenden Arbeitsleistung bestimmt hat.

Nach § 615 Satz 1 BGB hat der Arbeitgeber die nach § 611a Abs. 2 BGB vereinbarte Vergütung fortzuzahlen, wenn er mit der Annahme der Dienste in Verzug gerät. Er kommt gemäß § 293 BGB in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Das Angebot des Arbeitnehmers muss gemäß § 294 BGB die zu bewirkende Arbeitsleistung betreffen. Diese Arbeitsleistung ist identisch mit der arbeitsvertraglich vereinbarten, wenn die Tätigkeit des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag konkret bestimmt ist. Ist dagegen die vom Arbeitnehmer zu erbringende Tätigkeit im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschrieben, obliegt es nach § 106 Satz 1 GewO dem Arbeitgeber, den Inhalt der zu leistenden Arbeit näher zu bestimmen. Erst die durch die wirksame Ausübung des Direktionsrechts näher bestimmte Tätigkeit ist die iSv. § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung [1]. § 106 Satz 1 GewO eröffnet dem Arbeitgeber ein Weisungsrecht nur innerhalb, nicht jedoch außerhalb der vertraglichen Vereinbarungen [2].
Kann der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts wirksam näher bestimmte Tätigkeit aus in seiner Person liegenden Gründen nicht mehr ausüben, aber eine andere im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung liegende Tätigkeit verrichten, ist das Angebot einer anderen Tätigkeit ohne Belang, solange der Arbeitgeber nicht durch eine Neuausübung seines Direktionsrechts diese zu der iSv. § 294 BGB zu bewirkenden Arbeitsleistung bestimmt hat. Andernfalls könnte der Arbeitnehmer den Inhalt der arbeitsvertraglich nur rahmenmäßig umschriebenen Arbeitsleistung selbst konkretisieren. Das widerspräche § 106 Satz 1 GewO. Die Konkretisierung der Arbeitspflicht ist Sache des Arbeitgebers [3].
§ 296 BGB steht dem nicht entgegen. Die danach vorzunehmende Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers besteht darin, dem Arbeitnehmer überhaupt eine Arbeitsmöglichkeit zu eröffnen, den Arbeitsablauf fortlaufend zu planen und die Arbeitsmittel bereitzustellen. Aus § 296 BGB lässt sich aber keine Verpflichtung des Arbeitgebers herleiten, die von ihm zunächst wirksam konkretisierte Arbeitspflicht nach den Wünschen oder Belangen des Arbeitnehmers neu zu bestimmen. Unterlässt es der Arbeitgeber schuldhaft, dem Arbeitnehmer eine leidensgerechte und vertragsgemäße Arbeit zuzuweisen, kann dies lediglich einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz begründen [4].
Die Rechtsprechung des Neunten Xenats des Bundesarbeitsgerichts führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach können Ansprüche auf Annahmeverzug in Betracht kommen, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer aus Gründen in seiner Person nur noch einen Teil, nicht aber alle vertraglich geschuldeten Arbeiten verrichten kann. Der Arbeitgeber sei in diesem Fall nach § 106 Satz 3 GewO verpflichtet, im Rahmen der Ausübung seines Direktionsrechts auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen [5]. Auch hiernach ist der Arbeitgeber zur Vermeidung von Annahmeverzugsansprüchen des Arbeitnehmers nicht nach § 296 Satz 1 BGB verpflichtet, den bestehenden Vertrag dahin zu ändern, eine behinderungsgerechte Beschäftigung des in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkten schwerbehinderten Arbeitnehmers zu gewährleisten. Die Haftung des Arbeitgebers für die Verletzung seiner Pflicht zur Rücksichtnahme auf behinderungsbedingte Einschränkungen des Arbeitnehmers aus § 241 Abs. 2 BGB und § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 5 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Nr. 4 und Nr. 5 SGB IX ist demgegenüber verschuldensabhängig ausgestaltet. Kommt der Arbeitgeber seiner aus den genannten Bestimmungen resultierenden Pflicht, dem Arbeitnehmer eine Vertragsänderung anzubieten, schuldhaft (§ 276 Abs. 1 BGB) nicht nach, kann er dem Arbeitnehmer wegen der entgangenen Vergütungsansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB oder wegen Verletzung eines Schutzrechts nach § 823 Abs. 2 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sein [6]. Im Rahmen des Annahmeverzugs trägt der Arbeitgeber jedoch nicht das verschuldensunabhängige Risiko, seinen Verpflichtungen nach § 81 Abs. 4 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 4 SGB IX objektiv hinreichend nachgekommen zu sein.
Nach diesen Grundsätzen konnte das Arbeitsangebot des Arbeitnehmers, soweit es auf eine Sachbearbeitertätigkeit gerichtet war, in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers aus Annahmeverzug begründen. Die Zuweisung einer solchen Tätigkeit war, was das Landesarbeitsgericht außer Acht gelassen hat; vom Direktionsrecht der Arbeitgeberin nicht umfasst. Dieses war nach dem bestehenden Arbeitsvertrag auf die Zuweisung von Tätigkeiten als Industriearbeiter beschränkt.
Der Arbeitnehmer hat im hier entschiedenen Fall auch unter Berücksichtigung seines weitergehenden Vorbringens keinen Anspruch auf Vergütung aus Annahmeverzug. Der Arbeitnehmer war für eine Tätigkeit als Bohrwerkshelfer unstreitig seit dem Jahr 2012 nicht mehr leistungsfähig. Das schließt nach § 297 BGB einen Annahmeverzug der Arbeitgeberin aufgrund eines hierauf gerichteten Angebots der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers aus. Der Einwendung der Leistungsunfähigkeit steht nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin die Arbeiten zwischenzeitlich innerbetrieblich umverteilt hat. Dies war für die unterbliebene Beschäftigung des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsplatz nicht kausal, sondern bloße Folge von dessen Leistungseinschränkungen, die im Lauf des Arbeitsverhältnisses zu der von Anfang an bestehenden Behinderung des Arbeitnehmers hinzukamen. Die Frage, ob die Arbeitgeberin im Fall einer Besserung des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers gehalten wäre, ihre organisatorischen Maßnahmen zur Vermeidung einer Lohnzahlungspflicht aus Annahmeverzug rückgängig zu machen, stellt sich für den streitigen Klagezeitraum nicht.
Soweit der Arbeitnehmer sich in den Vorinstanzen auf andere leidens- bzw. behinderungsgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten berufen hat und darin die Behauptung liegt, er habe insoweit seine Beschäftigung verlangt, hat er jedenfalls der ihn treffenden – abgestuften – Darlegungslast nicht genügt.
Macht der schwerbehinderte Arbeitnehmer Ansprüche nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX auf behinderungsgerechte Beschäftigung geltend, trägt er nach den allgemeinen Regeln grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Für seinen Anspruch muss er deshalb grundsätzlich Beschäftigungsmöglichkeiten aufzeigen, die seinem infolge der Behinderung eingeschränkten Leistungsvermögen und seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechen. Hierauf hat sich der Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 ZPO durch substantiierten Tatsachenvortrag einzulassen und ggf. aufzuzeigen, aus welchen Gründen die aufgezeigten Beschäftigungsmöglichkeiten nicht bestehen oder deren Zuweisung ihm unzumutbar ist. Zu dieser sekundären Behauptungslast gehört auch ggf. die Darlegung, dass kein entsprechender freier Arbeitsplatz vorhanden ist und auch nicht durch Versetzung freigemacht werden kann. Es obliegt dann dem Arbeitnehmer der Nachweis, dass entgegen der Behauptung des Arbeitgebers ein geeigneter Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Erleichterungen treten für den Arbeitnehmer ein, wenn der Arbeitgeber seine Erörterungspflichten nach § 84 Abs. 1 SGB IX aF bzw. § 167 Abs. 1 SGB IX (Präventionsverfahren) verletzt hat. In diesem Fall hat er auch ohne Benennung konkreter Einsatzmöglichkeiten von Seiten des Arbeitnehmers darzutun, dass ihm auch unter Berücksichtigung dieser besonderen Arbeitgeberpflichten nach § 164 Abs. 4 SGB IX eine zumutbare Beschäftigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers nicht möglich war [7].
Den sich daraus ergebenden Darlegungsanforderungen wird der Vortrag des Arbeitnehmers im hier entschiedenen Fall nicht gerecht. Nach seinem eigenen Vorbringen hat am 16.05.2018 unter Beteiligung von Vertretern des Integrationsamts, der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrats sowie der bei der Arbeitgeberin bestehenden Sozialberatung ein Gespräch über alternative Einsatzmöglichkeiten des Arbeitnehmers stattgefunden. Nach dem Inhalt eines von ihm vorgelegten Schreibens der Arbeitgeberin 7.06.2018 an das Integrationsamt wurde dabei die Möglichkeit einer Tätigkeit des Arbeitnehmers als „Steuermann“ im Bereich „Coillinie 4“ und als „Holzmechaniker“ in der Tischlerei erörtert. Diesbezüglich hat die Arbeitgeberin angeführt, an der „Coillinie 4“ bestehe keine Vakanz. Im Übrigen sei ein dortiger Einsatz des Arbeitnehmers aus gesundheitlichen Gründen wegen bestehender Bedenken gegen Zwangshaltungen im Knien/Hocken nicht möglich, weil regelmäßig Bänder im Knien angeschliffen werden müssten. Entsprechendes gelte für den benannten Arbeitsplatz in der Tischlerei, der regelmäßig ein Arbeiten im Bücken oder Knien mit sich bringe und zudem wegen der Arbeit an gefährlichen Maschinen besondere Anforderungen an das Hörvermögen des Arbeitnehmers stelle. Im vorliegenden Verfahren hat der Arbeitnehmer Tatsachen, aus denen sich ergeben könnte, dass die erörterten Tätigkeiten gleichwohl sowohl behinderungs- als auch leidensgerecht wären, nicht aufgezeigt. Selbst unterstellt, die benannten Tätigkeiten seien vom vertraglich vereinbarten Aufgabengebiet des Arbeitnehmers als Industriearbeiter umfasst, ist deshalb nicht ersichtlich, dass die Arbeitgeberin ihre Pflichten aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX verletzt hat. Soweit der Arbeitnehmer sich in den Vorinstanzen darauf berufen hat, der Arbeitgeberin sei es möglich gewesen, ihn mit „leichteren“ Tätigkeiten zu beschäftigen, vermag dies einen Vergütungsanspruch aus § 615 Satz 1 iVm. § 611a Abs. 2 BGB nicht zu begründen. Der Arbeitnehmer hat nicht ansatzweise aufgezeigt, dass er leichtere Tätigkeiten hätte verrichten können, die sowohl behinderungs- und leidensgerecht als auch vertragsgemäß gewesen wären.
Ob dem Arbeitnehmer wegen einer Verletzung der Pflichten der Arbeitgeberin aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Nr. 4 und/oder Nr. 5 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Nr. 4 und/oder Nr. 5 SGB IX Vergütung als Schadensersatz zusteht, hatte das Bundesarbeitsgericht nicht zu entscheiden. Ein solcher Anspruch war nicht Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Der Arbeitnehmer wäre aber angesichts der Rechtsprechung des Neunten Bundesarbeitsgerichts von sich aus gehalten gewesen, zumindest vorsorglich die klageweise Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs in Erwägung zu ziehen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Oktober 2020 – 5 AZR 649/19
- st. Rspr., zB BAG 19.05.2010 – 5 AZR 162/09, Rn. 14, BAGE 134, 296[↩]
- BAG 28.06.2017 – 5 AZR 263/16, Rn. 24[↩]
- vgl. BAG 27.05.2015 – 5 AZR 88/14, Rn.19, BAGE 152, 1; 19.05.2010 – 5 AZR 162/09, Rn. 16, BAGE 134, 296; daran anschließend auch BAG 22.08.2018 – 5 AZR 592/17, Rn. 21[↩]
- vgl. BAG 22.08.2018 – 5 AZR 592/17, Rn. 21; 19.05.2010 – 5 AZR 162/09, Rn. 17, BAGE 134, 296, insoweit unter ausdrücklicher Aufgabe von BAG 27.08.2008 – 5 AZR 16/08, Rn. 13, und [zu Rn. 22] in Abgrenzung zu BAG 13.08.2009 – 6 AZR 330/08, BAGE 131, 325[↩]
- BAG 4.10.2005 – 9 AZR 632/04, Rn. 14, BAGE 116, 121[↩]
- BAG 4.10.2005 – 9 AZR 632/04, Rn.20, aaO; 23.01.2001 – 9 AZR 287/99, zu I 3 d der Gründe, BAGE 97, 23, insoweit zu Ansprüchen aus § 14 SchwbG; Düwell in LPK-SGB IX 5. Aufl. § 164 Rn.191 f.; Greiner in Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Jabben SGB IX 14. Aufl. § 164 Rn. 44[↩]
- zu den Einzelheiten vgl. BAG 10.05.2005 – 9 AZR 230/04, zu B II 2 a der Gründe, BAGE 114, 299; zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Vergütung als Schadensersatz BAG 4.10.2005 – 9 AZR 632/04, Rn. 28 ff., BAGE 116, 121[↩]