Besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort, muss sich der Arbeitnehmer nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, das anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen1.

Der Arbeitnehmer unterlässt böswillig anderweitigen Verdienst, wenn er vorsätzlich ohne ausreichenden Grund Arbeit ablehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm Arbeit angeboten wird. Die vorsätzliche Untätigkeit muss vorwerfbar sein.
Böswilligkeit setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer in der Absicht handelt, den Arbeitgeber zu schädigen2. Es genügt das vorsätzliche außer Acht lassen einer dem Arbeitnehmer bekannten Gelegenheit zur Erwerbsarbeit. Fahrlässiges, auch grob fahrlässiges Verhalten reicht nicht aus3.
§ 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG stellt – insoweit inhaltsgleich mit § 615 Satz 2 BGB – darauf ab, ob dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG) die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit zumutbar ist. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Die Unzumutbarkeit der Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie kann ihren Grund in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen haben. Auch vertragsrechtliche Umstände sind zu berücksichtigen4.
Bei den Merkmalen „Zumutbarkeit“ und „Böswilligkeit“ iSv. § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, bei deren Anwendung dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zukommt.
Dem Arbeitnehmer ist die Annahme des Vertragsangebots auch nicht mit Rücksicht auf den mit der Kündigungsschutzklage geltend gemachten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem ursprünglichen Arbeitgeber unzumutbar gewesen. Es steht ihm jederzeit frei, das mit demneuen Arbeitgeber begründete Arbeitsverhältnis zu kündigen.
Die Unzumutbarkeit ergibt sich im Regelfall auch nicht aus einer Verschlechterung der Vertragsbedingungen im Vergleich zu den im Kündigungsschutzverfahren strittige Arbeitsverhältnis geltenden. Die unterlassene Arbeit bei einem anderen Arbeitgeber als gesetzlicher Regelfall von § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG setzt notwendigerweise eine andere vertragliche Grundlage voraus5. Die Unzumutbarkeit der Beschäftigung kann sich deshalb nur im Ausnahmefall aus schlechteren Vertragsbedingungen ergeben, wenn eine nicht allein auf eine ggf. eintretende Verminderung des Verdiensts abstellende Gesamtbetrachtung ergibt6, dass die Abweichungen von den beim bisherigen Arbeitgeber geltenden Vertragsbedingungen nicht hinnehmbar sind7. Anhaltspunkte hierfür muss der insoweit darlegungsbelastete Arbeitnehmer8 vorgetragen.
Der objektiven Zumutbarkeit einer Beschäftigung bei einem neuen Arbeitgeber steht auch nicht die subjektive Befürchtung des Arbeitnehmers entgegen, mit Annahme des Vertragsangebots Rechtspositionen aus dem im laufenden Kündigungsschutzprozess streitgegenständlichen Arbeitsverhältnis zu verlieren.
§ 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG regelt nicht Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, sondern die nach anderen Maßstäben zu beurteilende Obliegenheit, aus Rücksichtnahme gegenüber dem Arbeitgeber einen zumutbaren Zwischenverdienst zu erzielen9. Die Vorschrift begründet keine Obliegenheit des Arbeitnehmers, eine endgültige Änderung des bestehenden Arbeitsvertrags zu akzeptieren10. Der Arbeitnehmer muss auch nicht das Risiko in Kauf nehmen, im Falle eines Betriebsübergangs Rechte aus § 613a Abs. 1 BGB zu verlieren11. Der Arbeitnehmer darf es jedoch angesichts einer bestehenden Ungewissheit eines Betriebsübergangs nicht dabei bewenden lassen, das Vertragsangebot abzulehnen.
Aus § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG kann nicht abgeleitet werden, der Arbeitnehmer dürfe in jedem Falle ein zumutbares Angebot abwarten. Geht es nicht um eine Arbeitsmöglichkeit beim bisherigen Arbeitgeber, darf er nicht untätig bleiben, wenn sich ihm eine realistische Arbeitsmöglichkeit bietet. Das kann die Abgabe von eigenen Angeboten mit einschließen2. Der Arbeitnehmer, der ein objektiv zumutbares Vertragsangebot eines anderen Arbeitgebers vorbehaltlos ablehnt, weil er einen Betriebsübergang für möglich hält und, bei Vertragsannahme, seine Rechte aus § 613a Abs. 1 BGB als gefährdet ansieht, handelt auf eigenes Risiko, wenn sich die Befürchtung einer Umgehung von § 613a Abs. 1 BGB mangels Vorliegen eines Betriebsübergangs als unzutreffend erweist12.
Bei einem strittigen Betriebsübergang trifft danach nicht die vermeintlichen Betriebsübernehmerin, die einen Betriebsübergang in Abrede stellt, sondern den Arbeitnehmer die Initiativlast zur Unterbreitung eines Vertragsangebots, das seine sich möglicherweise aus § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ergebenden Rechte wahrt, will er die Rechtsfolgen aus § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG vermeiden.
Die vorbehaltlose Ablehnung des Vertragsangebots der vermeintlichen Betriebsübernehmerin ist dem Arbeitnehmer vorzuwerfen, wenn er, indem er es unterlässt, der vermeintlichen Betriebsübernehmerin einen Vertragsschluss unter Vorbehalt anzubieten, vorsätzlich ohne ausreichenden Grund untätig bleibt, obwohl ihm alle objektiven Umstände (Arbeitsmöglichkeit, Zumutbarkeit der Arbeit und Nachteilsfolgen für den Arbeitgeber) bekannt waren13.
Für die – nach Feststellung des Zeitraums, in dem sich der Arbeitnehmer hypothetischen Verdienst anrechnen lassen muss – erforderliche Vergleichsberechnung ist zunächst die Vergütung für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste zu ermitteln. Dem ist das gegenüberzustellen, was der Arbeitnehmer in der betreffenden Zeit zu erwerben böswillig unterlassen hat14.
Anzurechnen ist ausschließlich das, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung desjenigen Teils seiner Arbeitskraft hätte erwerben können, den er der Arbeitgeberin zur Verfügung zu stellen verpflichtet war. Gegenüberzustellen ist damit der Vergütungsanspruch für die Zeit, für welche Arbeitsleistungen zu erbringen waren, und der Verdienst, den er in dieser Zeit anderweitig hätte erwerben können. Der erzielbare Zwischenverdienst ist folglich in dem Umfang anzurechnen, wie er dem Verhältnis der bei der Arbeitgeberin ausgefallenen Arbeitszeit zu der bei Annahme zumutbarer Arbeit zu leistenden entspricht15.
Zudem ist der wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld im Zeitraum 1.05.bis 9.10.2014 nach § 115 Abs. 1 SGB X kraft Gesetzes auf die Bundesagentur für Arbeit erfolgte gesetzliche Forderungsübergang zu berücksichtigen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. März 2017 – 5 AZR 337/16
- zum Verhältnis der Norm zu § 615 Satz 2 BGB sh. BAG 16.06.2004 – 5 AZR 508/03, zu II 1 der Gründe, BAGE 111, 123; 24.02.2016 – 5 AZR 425/15, Rn. 13, BAGE 154, 192[↩]
- BAG 11.01.2006 – 5 AZR 98/05, Rn. 18, BAGE 116, 359[↩][↩]
- BAG 11.01.2006 – 5 AZR 98/05 – aaO; 16.06.2004 – 5 AZR 508/03, zu II 3 a der Gründe, aaO[↩]
- st. Rspr., zB BAG 7.02.2007 – 5 AZR 422/06, Rn. 15 mwN, BAGE 121, 133; 17.11.2011 – 5 AZR 564/10, Rn. 17 mwN, BAGE 140, 42[↩]
- vgl. BAG 26.09.2007 – 5 AZR 870/06, Rn. 23, BAGE 124, 141; 17.11.2011 – 5 AZR 564/10, Rn.20, BAGE 140, 42[↩]
- vgl. BAG 11.10.2006 – 5 AZR 754/05, Rn. 26[↩]
- vgl. BAG 17.11.2011 – 5 AZR 564/10, Rn. 18, aaO; 26.09.2007 – 5 AZR 870/06, Rn. 24, aaO[↩]
- vgl. BAG 24.09.2003 – 5 AZR 500/02, zu II 3 b dd der Gründe, BAGE 108, 27[↩]
- vgl. BAG 7.02.2007 – 5 AZR 422/06, Rn. 17, BAGE 121, 133[↩]
- vgl. BAG 11.01.2006 – 5 AZR 98/05, Rn. 24, BAGE 116, 359; 26.09.2007 – 5 AZR 870/06, Rn. 23, BAGE 124, 141[↩]
- zur Umgehung des § 613a BGB bei Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags mit dem Betriebserwerber BAG 25.10.2012 – 8 AZR 572/11, Rn. 33 mwN[↩]
- vgl. zur Ablehnung eines im Zusammenhang mit einer Kündigung erklärten Änderungsangebots BAG 26.09.2007 – 5 AZR 870/06, Rn. 23, BAGE 124, 141[↩]
- vgl. BAG 19.03.1998 – 8 AZR 139/97, zu II 2 b der Gründe, BAGE 88, 196; 16.06.2004 – 5 AZR 508/03, zu II 3 a der Gründe, BAGE 111, 123[↩]
- vgl. BAG 24.02.2016 – 5 AZR 425/15, Rn. 15, BAGE 154, 192[↩]
- vgl., zur Anrechnung tatsächlich erzielten Zwischenverdiensts – BAG 24.02.2016 – 5 AZR 425/15, Rn. 16, BAGE 154, 192[↩]