Anpassungsqualifizierungen im Rahmen von Gleichwertigkeitsfeststellungen nach dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz sind keine Praktika im mindestlohnrechtlichen Sinne. Sie unterfallen nicht dem persönlichen Geltungsbereich des Mindestlohngesetzes.

Dem Arbeitnehmerbegriff des § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG liegt der nationale allgemeine Arbeitnehmerbegriff zugrunde [1]. Arbeitnehmer ist danach, wer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist, § 611a Abs. 1 BGB. Auf den je nach Sachmaterie unionsrechtlich zu bestimmenden Arbeitnehmerbegriff [2] kommt es nicht an [3]. Dessen Heranziehung steht entgegen, dass nach Art. 153 Abs. 5 AEUV die Kompetenzen der Union im Rahmen der Sozialpolitik nicht für das Arbeitsentgelt gelten. Soweit der gesetzliche Mindestlohn als Mindestentgeltsatz iSv. § 2 Nr. 1 AEntG konzipiert ist [4], dient das Mindestlohngesetz zwar auch der Durchführung der Richtlinie 96/71/EG. Da im Streitfall aber keine Entsendung erfolgt ist und im Übrigen gemäß Art. 2 Abs. 1 RL 96/71/EG der Begriff des Arbeitnehmers im entsenderechtlichen Sinne für die Zwecke der Richtlinie nach Maßgabe des Rechts des Mitgliedstaats zu bestimmen ist, in dessen Hoheitsgebiet entsandt wird [5], gilt im vorliegenden Fall unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff.
Danach ist der Teilnahmer an einer Anpassungsqualifizierungsmaßnahme kein Arbeitnehmer iSd. § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG. Ziel des Anpassungslehrgangs ist die Ergänzung im Ausland erworbener Qualifikationsnachweise zwecks Feststellung der Gleichwertigkeit nach dem Gesetz über die Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen (Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz – BQFG) [6] durch die Anerkennungsstelle (hier: der Handwerkskammer Hamburg). In diesem Rahmen zählte es zu den Verpflichtungen des Betriebes, den Teilnehmer gemäß vorgegebener Lernziele zu schulen und mit praktischen Aufgaben aus dem betrieblichen Ablauf zu betrauen, die Bearbeitung durch den Teilnehmer zu begleiten und die Erreichung der Lernziele durch die Auswahl geeigneter Aufgaben anzustreben. Auch die weiteren Pflichten des Betriebes ebenso wie diejenigen des Teilnehmers hatten keinen Bezug zu einem Arbeitsverhältnis. Sie werden vielmehr durch die festgelegten Lernziele gesteuert und haben sich an ihnen zu orientieren.
Daran knüpfen im vorliegenden Fall die zwischen den Parteien getroffenen Zusatzvereinbarungen über die Anpassungsqualifizierung des Teilnehmers „zum Zahntechniker“ an, soweit sich der Betrieb dort unmittelbar gegenüber dem Teilnehmer verpflichtet hat, ihn zu qualifizieren, und der Teilnehmer seine Bereitschaft zu dieser Maßnahme erklärt hat. Gegenstand des Rechtsverhältnisses der Parteien war damit die Vermittlung praktischer Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen im Bereich der vereinbarten Lerninhalte bzw. Lernziele. Umstände, aufgrund derer anzunehmen wäre, dass bei der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses nicht die verabredete Ausbildung des Teilnehmers, sondern die Leistung von Arbeit iSv. § 611a Abs. 1 BGB im Vordergrund gestanden hätte, sind weder festgestellt noch substantiiert vorgetragen.
Der Teilnehmer gilt nicht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 MiLoG als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes. Er war nicht Praktikant iSv. § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG, weil es sich bei seiner in dem Betrieb absolvierten Anpassungsqualifizierung um eine iSv. § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 Alt. 2 MiLoG mit einer Berufsausbildung iSd. Berufsbildungsgesetzes vergleichbare praktische Ausbildung handelte.
Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses Praktikant, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung iSd. Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt. § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG enthält für das Mindestlohngesetz eine Legaldefinition der Praktikantenstellung, die sich an die Empfehlung des Rates der Europäischen Union vom 10.03.2014 zu einem Qualitätsrahmen für Praktika („Qualitätsrahmen EU“) anlehnt [7]. Nach dem dortigen Erwägungsgrund 27 sind Praktika als bezahlte oder unbezahlte Arbeitserfahrung von begrenzter Dauer zu verstehen, die eine Lern- und Ausbildungskomponente aufweist mit dem Ziel, praktische und berufliche Erfahrungen zu sammeln und so die Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern und den Übergang in reguläre Beschäftigung zu erleichtern.
Die Anpassungsqualifizierung des Teilnehmers in dem Betrieb ist eine mit der Berufsausbildung iSd. Berufsbildungsgesetzes vergleichbare praktische Ausbildung und aus diesem Grund gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 Alt. 2 MiLoG kein Praktikum iSd. Mindestlohngesetzes.
Anpassungsqualifizierungen sind Maßnahmen im Zusammenhang mit der Anerkennung ausländischer Ausbildungsabschlüsse nach dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz.
Gemäß § 2 iVm. § 4 Abs. 1, § 5 BQFG haben Personen, die im Ausland einen Ausbildungsnachweis für einen nicht-reglementierten Beruf erworben haben und im Inland eine ihren Berufsqualifikationen entsprechende Erwerbstätigkeit (sog. Referenzberuf) ausüben zu wollen, Anspruch auf Feststellung, ob der von ihnen im Ausland erworbene Ausbildungsnachweis – ggf. unter Berücksichtigung sonstiger nachgewiesener Berufsqualifikationen – gleichwertig mit dem inländischen Ausbildungsnachweis eines bundesrechtlich geregelten Berufs ist, sofern die entsprechenden berufsrechtlichen Regelungen nicht etwas anderes bestimmen. Bei der Feststellung der Gleichwertigkeit ist zwischen reglementierten und nicht-reglementierten Berufen zu unterscheiden. Reglementierte Berufe sind nach § 3 Abs. 5 BQFG berufliche Tätigkeiten, deren Aufnahme oder Ausübung durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen gebunden ist, oder Berufe, bei denen die Führung einer Berufsbezeichnung durch entsprechende Vorschriften auf Personen beschränkt ist, die über bestimmte Berufsqualifikationen verfügen [8].
Ergänzend zu den Vorschriften des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes bestimmt § 40a Satz 1 HwO, dass ausländische Ausbildungsnachweise der Gesellenprüfung iSd. Handwerksordnung und der auf ihr beruhenden Rechtsverordnungen gleichgestellt werden, wenn ihre Gleichwertigkeit festgestellt wurde. Nach § 40a Satz 3 HwO sind die Vorschriften des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes für nicht-reglementierte Berufe sowie § 17 BQFG anzuwenden. Dies beruht darauf, dass im Handwerk nach § 1 HwO nur der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe die Eintragung in die Handwerksrolle voraussetzt und insoweit reglementiert ist, als die Eintragung im Regelfall vom Bestehen der Meisterprüfung (§ 7 Abs. 1a HwO) oder der Erteilung einer Ausübungsberechtigung (§ 7b HwO) abhängig ist, nicht aber die unselbständige abhängige Ausübung des Berufs. Diese kann durch Gesellen, aber auch andere Personen erfolgen [9]. In diesem Sinne ist der Handwerksberuf des Zahntechnikers ein nicht-reglementierter Beruf, wenn er unselbständig in abhängiger Beschäftigung ausgeübt wird.
Lehnt die Handwerkskammer als die für Berufe nach der Handwerksordnung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 BQFG zuständige Stelle im Verfahren nach §§ 4 ff. BQFG die Feststellung der Gleichwertigkeit zwischen der im Ausland erlangten Berufsqualifikation und dem inländischen Gesellenabschluss aufgrund wesentlicher Unterschiede ab, sieht § 7 Abs. 2 BQFG vor, dass die Kammer im Rahmen der Begründung des Ablehnungsbescheids die tatsächlich vorhandenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse feststellt und darlegt, in welchen wesentlichen Punkten sich die ausländische Berufsbildung von der inländischen unterscheidet. Ziel dieser Begründungspflicht ist, differenziert über vorhandene Defizite zu informieren, damit diese ggf. durch konkrete Ausgleichsmaßnahmen behoben werden, um die Gleichwertigkeit im Rahmen eines erneuten Antragsverfahrens zu erreichen [10]. Wesentliche Unterschiede können ua. durch die Absolvierung eines Anpassungslehrgangs iSv. § 11 Abs. 1 BQFG, der auch Antragstellern in nicht-reglementierten Berufen offensteht [11], ausgeglichen werden, um damit in einem neuerlichen Antragsverfahren die angestrebte Gleichwertigkeitsfeststellung zu erlangen.
Hiervon ausgehend sind Ausgleichsmaßnahmen im Kontext der Gleichwertigkeitsfeststellung nach dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz als eine der Berufsausbildung iSd. Berufsbildungsgesetzes vergleichbare praktische Ausbildung iSv. § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 Alt. 2 MiLoG anzusehen.
§ 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG unterscheidet zwischen Praktikanten iSv. § 26 BBiG, die Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz haben, wenn nicht einer der in § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 MiLoG aufgeführten Ausnahmetabestände vorliegt, und Personen, die sich einer Berufsausbildung iSd. Berufsbildungsgesetzes oder einer damit vergleichbaren Ausbildung unterziehen, in der ein solcher Anspruch nicht besteht. Charakteristikum des Berufsausbildungsverhältnisses ist nach § 1 Abs. 3 BBiG, dass es die „berufliche Handlungsfähigkeit“ „in einem geordneten Ausbildungsgang“ vermittelt und den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen ermöglicht [12]. Demgegenüber ist für das Praktikum kennzeichnend, dass keine geregelte umfassende fachliche Ausbildung angestrebt wird. Eine systematische Berufsausbildung findet in einem Praktikum nicht statt [13]. Die Systematik der Ausbildung ist damit entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen der Berufsausbildung und einer damit vergleichbaren praktischen Ausbildung auf der einen Seite und dem Praktikum auf der anderen Seite [14]. Der Tatbestand der „vergleichbaren praktischen Ausbildung“ verlangt, dass hierdurch der Einstieg in einen Beruf ermöglicht wird, die konkrete Tätigkeit im Vorhinein festgelegt oder jedenfalls bestimmbar ist und eine der Berufsausbildung ähnliche Strukturierung besteht [15].
Dieses Normverständnis bestätigen die Gesetzesmaterialien. In der Entwurfsbegründung zu § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG heißt es, der Praktikant müsse eingestellt worden sein, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben, ohne dass es sich um eine systematische Berufsausbildung handelt [16]. Über weitere Kriterien, die als Maßstab für die Annahme einer „vergleichbaren praktischen Ausbildung“ heranzuziehen sind, gibt die Gesetzesbegründung indes keinen eindeutigen Aufschluss. Zu der im Verlauf des weiteren Gesetzgebungsverfahrens in § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG eingefügten Legaldefinition wird ausgeführt [17], dass Rechtsverhältnisse iSd. § 26 BBiG, die auf eine praktische Ausbildung abzielen, welche mit der Berufsausbildung iSd. Berufsbildungsgesetzes vergleichbar sei, weder Arbeitsverhältnisse noch Praktikumsverhältnisse seien, und dass damit etwa Volontariate nicht unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fielen.
Soweit hieraus in Anlehnung an die zu § 78a BetrVG ergangene Rechtsprechung [18] der Schluss gezogen wird, § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 Alt. 2 MiLoG sei eng auszulegen und beziehe sich nur auf vergleichbare praktische Ausbildungen, deren Dauer mindestens zwei und höchstens drei Jahre betrage [19], überzeugt dies nicht. Dies gilt ebenso für die Auffassung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags in ihrer Ausarbeitung vom 17.01.2017 [20], wonach Anpassungsqualifizierungen im Rahmen des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes keine „vergleichbare Ausbildung“, sondern ein Praktikum iSd. gesetzlichen Definition darstellten, weil es an der „kompletten Durchführung oder Nachholung“ einer Ausbildung fehle. Hierfür enthalten weder der Gesetzeswortlaut noch die Systematik des § 22 MiLoG noch die Gesetzesbegründung belastbare Anhaltspunkte.
Weder § 22 MiLoG noch die Gesetzesbegründung enthalten Hinweise darauf, dass die zu § 78a BetrVG entwickelten Grundsätze bei der Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG entsprechend heranzuziehen sind. Dem stehen die unterschiedlichen Regelungszwecke entgegen. § 78a BetrVG soll die Ämterkontinuität der in Abs. 1 dieser Bestimmung genannten Arbeitnehmervertretungen gewährleisten und den Amtsträger vor nachteiligen Folgen bei seiner Amtsführung während des Berufsausbildungsverhältnisses schützen. Die Vorschrift stellt eine besondere gesetzliche Ausformung des betriebsverfassungsrechtlichen Benachteiligungsverbots von Amtsträgern in § 78 Satz 2 BetrVG dar [21]. Demgegenüber hat die Gleichstellung von Praktikanten mit Arbeitnehmern im Hinblick auf die Vergütung mit dem gesetzlichen Mindestlohn zum Ziel, den Missbrauch des sinnvollen Instruments des Praktikums einzuschränken [16]. Auch nach Einführung des Mindestlohngesetzes sollen jedoch „echte Qualifizierungsphasen“ ermöglicht werden, ohne dass der gesetzliche Mindestlohn diese erschwert [22]. An diesem Normzweck hat sich die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „vergleichbare praktische Ausbildung“ in § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG zu orientieren. Entsprechend ist davon auszugehen, dass diese Regelung grundsätzlich auch Auszubildende erfassen kann, deren Ausbildung weniger als zwei Jahre in Anspruch nimmt.
Für die Beurteilung, ob eine der Berufsausbildung vergleichbare praktische Ausbildung iSv. § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 Alt. 2 MiLoG vorliegt, kann die Dauer der Qualifizierung zwar ein Anhaltspunkt sein. Entscheidend ist jedoch, ob die in Rede stehende Ausbildung im Hinblick auf Lernziele und Lernmethoden sowie deren Vermittlung anhand eines didaktischen Konzepts und im Hinblick auf ihre Anerkennung im Berufsleben als Weg zum Berufseinstieg angesehen werden kann und deshalb eine der Berufsausbildung iSd. Berufsbildungsgesetzes vergleichbare praktische Ausbildung darstellt.
Gemessen daran ist die vom Teilnehmer durchgeführte Anpassungsqualifizierung eine mit der Berufsausbildung vergleichbare praktische Ausbildung iSv. § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 Alt. 2 MiLoG.
Mit der positiven Feststellung der Gleichwertigkeit nach §§ 4 ff. BQFG erlangt der Antragsteller zwar nicht die Zuerkennung eines inländischen Referenzabschlusses. „Gleichwertigkeit“ bedeutet nicht „Gleichartigkeit“ oder „Gleichheit“ [23]. Es wird aber festgestellt, dass der Antragsteller aufgrund seiner nachgewiesenen Qualifikationen in der Lage ist, den Anforderungen zu genügen, die nach deutschem Recht an die Ausübung des jeweiligen Berufs gestellt werden [24]. Hieran anknüpfend bestimmt § 40a HwO, dass ausländische Ausbildungsnachweise der Gesellenprüfung iSd. Handwerksordnung gleichstehen, wenn ihre Gleichwertigkeit festgestellt wurde. Das hat beispielsweise zur Folge, dass im Bereich des zulassungspflichtigen Handwerks nach erteilter Gleichwertigkeitsfeststellung – unter weiteren Voraussetzungen, die auch ein Geselle erfüllen muss – eine Berufung auf die sog. Altgesellenregelung des § 7b HwO in Betracht kommt, um eine Betriebsleiterfunktion auszuüben [25].
Unterzieht sich der Antragsteller – wie hier der Teilnehmer – einer Anpassungsqualifizierung, die der Vermittlung solcher Lerninhalte dient, die sich aus den im Anerkennungsverfahren von der zuständigen Stelle festgestellten wesentlichen Unterschieden ergeben, bereitet er sich auf der Grundlage eines vorgegebenen und geordneten didaktischen Konzepts auf seine spätere berufliche Tätigkeit vor. Lernziele und Lerninhalte der Anpassungsqualifizierung sind durch die Feststellungen der zuständigen Behörde zu bestehenden Unterschieden gegenüber der Berufsausbildung für den Referenzberuf vorgegeben. Diese Feststellungen haben sich wiederum zwingend an der Ausbildungsordnung für den inländischen Ausbildungsberuf, hier der Verordnung über die Berufsausbildung zum Zahntechniker/zur Zahntechnikerin vom 11.12.1997 [26], zu orientieren. Entsprechend haben die Parteien in der Anlage 2 ihres unter Mitwirkung der Handwerkskammer Hamburg geschlossenen Vertrags vom 12.10.2016 konkrete, aufeinander aufbauende Lernziele nebst Erläuterungen formuliert, die sich mit Teilabschnitten des Ausbildungsrahmenplans für die Berufsausbildung zum Zahntechniker decken. Die jeweiligen „Erläuterungen“ zu den Lernzielen stimmen mit den im Ausbildungsrahmenplan beschriebenen Fertigkeiten und Kenntnissen, die unter Einbeziehung selbständigen Planens, Durchführens und Kontrollierens zu vermitteln sind, und für die sich aus dem Ausbildungsrahmenplan jeweils zeitliche Richtwerte ergeben, überein. Nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien hatte der Betrieb die Pflicht, den Teilnehmer anhand der festgeschriebenen Lernziele auszubilden und diesem nach Abschluss der Qualifizierung eine schriftliche Beurteilung über seine Leistungen auszustellen, während der Teilnehmer verpflichtet war, an der Qualifizierung mitzuwirken.
Die Befürchtung des Teilnehmers, die Unterordnung einer Anpassungsqualifizierung unter den Rechtsbegriff der „vergleichbaren praktischen Ausbildung“ schaffe Anreizfaktoren zur Umgehung der grundsätzlichen Mindestlohnpflicht für Praktika, ist unbegründet. Das Verfahren zur Feststellung der Gleichwertigkeit im Ausland erworbener Ausbildungsnachweise mit dem Berufsbildungsabschluss in einem in Deutschland anerkannten Ausbildungsberuf ist förmlich ausgestaltet [27]. Die zuständige Stelle unterliegt, was die Prüfung und Feststellung wesentlicher Unterschiede anbelangt, der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art.20 Abs. 3 GG). Qualifizierungen, die dem Ausgleich dieser Unterschiede dienen sollen, müssen sich, was Inhalt und Dauer der Kenntnisvermittlung betrifft, an den im Bescheid getroffenen Feststellungen ausrichten. Eine besondere Gefahr für Missbrauch ergibt sich auch nicht daraus, dass der Ausbildungsbetrieb eine Verlängerung der Anpassungsqualifizierung bewirken kann, wenn er zu dem Ergebnis gelangt, dass die festgestellten Ausbildungsdefizite noch nicht beseitigt sind. Dem Teilnehmer der Ausgleichsmaßnahme steht es – vorbehaltlich redundanter Anträge – frei, jederzeit erneut einen Antrag auf Gleichwertigkeitsfeststellung zu stellen, wenn er subjektiv zu der Einschätzung gelangt, seine zusätzlich erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen seien bereits ausreichend, um die von der Behörde identifizierten wesentlichen Unterschiede auszugleichen und nunmehr einen positiven Bescheid zu erreichen. Einem individuellen Missbrauch der Gestaltungsform, der sich nie ganz ausschließen lässt, ist im Einzelfall Rechnung zu tragen (§ 242 BGB).
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet kein anderes Verständnis des Tatbestands der „vergleichbaren praktischen Ausbildung“ iSv. § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 Alt. 2 MiLoG. Die hierfür verlangten strukturierten Ausbildungsinhalte knüpfen an die materiellen Voraussetzungen einer Berufsausbildung iSv. § 1 Abs. 3 BBiG an und stellen deshalb die „vergleichbare praktische Ausbildung“ der Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz in Bezug auf den Ausschluss vom Geltungsbereich des Mindestlohngesetzes in sachlich vertretbarer Weise gleich und grenzen diese in ebenso sachlich vertretbarer Weise von Praktika ab. § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 MiLoG sichert das gesetzgeberische Ziel des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes, eine ausbildungsnahe Beschäftigung von Personen, die über eine im Ausland erworbene Berufsqualifikation verfügen, zu fördern. Eine Mindestlohnpflicht der Ausgleichsmaßnahmen könnte hier Erschwernisse mit sich bringen. Die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Verfahrens unterscheidet diese Ausbildung von sonstigen Praktika, sofern diese nicht in den Geltungsbereich von § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 MiLoG fallen, und bietet hinreichende Gewähr dafür, dass es nicht zu einem strukturellen Missbrauch kommt. Diese Einschätzung hält sich im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.
Danach war im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall der Teilnehmer im Streitzeitraum nicht Praktikant iSv. § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG. In der gebotenen Gesamtschau wird deutlich, dass die von ihm durchgeführte Anpassungsqualifizierung einer strukturierten Berufsausbildung iSd. Berufsbildungsgesetzes deutlich näher stand als einem Praktikum und damit die Voraussetzungen einer der Berufsausbildung „vergleichbaren praktischen Ausbildung“ iSv. § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 Alt. 2 MiLoG erfüllt sind. Soweit er geltend gemacht hat, der Betrieb habe die jeweiligen Verlängerungen seiner Anpassungsqualifizierung durch unzutreffende Bewertungen über seine Leistungen erreicht, kann dahinstehen, ob dies bejahendenfalls den Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen könnte. Das Vorbringen des Teilnehmers zu den Leistungsbeurteilungen ist, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, unsubstantiiert. Dass der Teilnehmer nach Beendigung der Anpassungsqualifizierung mit dem Betrieb die angestrebte Gleichwertigkeitsfeststellung erreicht hat, zeigt nur, dass die zuständige Stelle im Zeitpunkt der Entscheidung über den neuerlichen Antrag des Teilnehmers keine wesentlichen Unterschiede iSv. § 4 Abs. 2 BQFG mehr hat feststellen können und belegt im Ergebnis den Erfolg der Anpassungsqualifizierung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. November 2020 – 5 AZR 103/20
- vgl. ErfK/Franzen 20. Aufl. MiLoG § 22 Rn. 1; Greenlee Der personelle Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes [iF Greenlee] S. 157; Lembke NZA 2016, 1, 2; MünchKomm-BGB/Müller-Glöge 8. Aufl. § 1 MiLoG Rn. 7; Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. § 22 Rn. 3[↩]
- dazu EuArbRK/Steinmeyer 3. Aufl. AEUV Art. 45 Rn. 10 ff. mwN[↩]
- HK-MiLoG/Schubert/Jerchel 2. Aufl. § 22 Rn. 8; HWK/Sittard 9. Aufl. § 22 MiLoG Rn. 4[↩]
- vgl. BT-Drs. 18/1558 S. 34, 42[↩]
- dazu EuArbRK/Rebhahn/Krebber 3. Aufl. RL 96/71/EG Art. 2 Rn. 1; Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. § 22 Rn. 9[↩]
- vom 06.12.2011, BGBl. I S. 2515[↩]
- BT-Drs. 18/2010 (neu) S. 24; BAG 19.11.2015 – 6 AZR 844/14, Rn. 22 mwN, BAGE 153, 286[↩]
- vgl. Maier/Rupprecht ZAR 2011, 201, 202, insoweit auch zur Ausnahme der Anerkennung von Hochschulabschlüssen aus dem Anwendungsbereich des BQFG[↩]
- HK-BBiG/Pepping 2. Aufl. §§ 1 – 3 BQFG Rn. 24; zum Anerkennungsverfahren im Handwerk vgl. Stork GewArch 2011, 291, 297 f.[↩]
- BT-Drs. 17/6260 S. 49[↩]
- HK-BBiG/Pepping 2. Aufl. §§ 9 – 13 BQFG Rn. 67[↩]
- Picker/Sausmikat NZA 2014, 942, 945[↩]
- BAG 29.04.2015 – 9 AZR 78/14, Rn. 18; 13.03.2003 – 6 AZR 564/01, zu II 2 b der Gründe; Benecke in Benecke/Hergenröder BBiG 2. Aufl. § 26 Rn. 11; ErfK/Schlachter 20. Aufl. BBiG § 26 Rn. 3; Schaub ArbR-HdB/Vogelsang 18. Aufl. § 15 Rn. 9[↩]
- vgl. Popella Praktikanten zwischen Mindestlohngesetz und Berufsbildungsgesetz [iF Popella] S. 174[↩]
- ebenso im Grundsatz HWK/Sittard 9. Aufl. § 22 MiLoG Rn. 11[↩]
- BT-Drs. 18/1558 S. 42[↩][↩]
- BT-Drs. 18/2010 (neu) S. 24[↩]
- vgl. BAG 17.06.2020 – 7 ABR 46/18, Rn. 25 mwN[↩]
- BeckOK ArbR/Greiner Stand 1.09.2020 MiLoG § 22 Rn. 15; im Ergebnis ähnlich Greenlee S. 210; Picker/Sausmikat NZA 2014, 942, 946; Riechert/Nimmerjahn MiLoG 2. Aufl. § 22 Rn. 39; HWK/Sittard 9. Aufl. § 22 MiLoG Rn. 11[↩]
- Sachstand WD 6 – 3000 – 002/17 S. 6 ff.[↩]
- BAG 8.09.2010 – 7 ABR 33/09, Rn. 18; Fitting BetrVG 30. Aufl. § 78a Rn. 1[↩]
- HK-MiLoG/Schubert/Jerchel 2. Aufl. § 22 Rn. 12[↩]
- BR-Drs. 211/11 S. 108; Stork GewArch 2011, 291, 294; HK-BBiG/Pepping 2. Aufl. §§ 4 – 8 BQFG Rn. 46; Maier/Rupprecht ZAR 2011, 201, 203[↩]
- BR-Drs. 211/11 S. 108, 109[↩]
- Stork GewArch 2011, 291, 297 f.[↩]
- BGBl. I S. 3182[↩]
- insoweit ebenso HK-BBiG/Pepping 2. Aufl. §§ 4 – 8 BQFG Rn. 46, 52, der den Ausschluss der Mindestlohnpflicht allerdings mit einer analogen Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr.?1 MiLoG begründet[↩]
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