Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrags

Ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes kann den Antrag einer Arbeitnehmerin im Alter zwischen 55 und 60 Jahren auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrags für die Dauer von 6 Jahren und 8 Monaten gemäß § 2 des Tarifvertrags zur Regelung der Altersteilzeit (TV ATZ) ablehnen mit der Begründung, da die Stelle voraussichtlich nicht wieder besetzt und die Förderungshöchstdauer des § 2 Abs. 3 S. 2 AltTZG überschritten werde, entstünden ihm erhebliche finanzielle Nachteile, zumal weitere Anträge zu erwarten seien, die unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung positiv zu verbescheiden seien.

Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrags

Nach § 2 Abs. 1 TV ATZ kann der Arbeitgeber mit Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis vereinbaren. Mit der Formulierung „kann“ wird regelmäßig ausgedrückt, dass dem Berechtigten die Entscheidung überlassen wird, ob er tätig wird oder nicht. Das gilt auch für die Tarifvorschrift des § 2 Abs. 1 TV ATZ. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Antrag auf Änderung des Arbeitsvertrags allein deshalb anzunehmen, weil der Arbeitnehmer die in der Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt. Die Tarifvertragsparteien haben die Entscheidung über die verlangte Vertragsänderung in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt1.

Der Arbeitgeber ist jedoch nicht frei in der Ausübung seines Ermessens. Die Tarifvertragsparteien haben mit der Kann-Bestimmung in § 2 Abs. 1 TV ATZ nicht nur die Selbstverständlichkeit wiederholt, dass der Arbeitgeber Vertragsfreiheit genießt und mit seinen Arbeitnehmern Altersteilzeitarbeitsverträge schließen kann. Der Arbeitnehmer hat vielmehr Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber bei der Entscheidung über seinen Antrag billiges Ermessen entsprechend § 315 Abs. 1 BGB wahrt2.

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Der Arbeitgeber muss bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalls und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen. Er ist berechtigt, den Antrag des Arbeitnehmers auch aus anderen als den in § 2 Abs. 3 TV ATZ genannten dringenden betrieblichen oder dienstlichen Gründen abzulehnen. Diese Vorschrift bezieht sich lediglich auf Arbeitnehmer im Sinne von § 2 Abs. 2 TV ATZ, also auf Arbeitnehmer ab Vollendung des 60. Lebensjahres1.

Einer Entscheidung nach oder entsprechend § 315 BGB setzt voraus, dass die beiderseitigen Interessen abgewogen und dabei alle wesentlichen Umstände angemessen berücksichtigt werden. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat3. Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB4. Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalles vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten5.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts genügt im Rahmen billigen Ermessens jeder sachliche Grund, der sich auf den Übergang in die Altersteilzeit bezieht, um einen Altersteilzeitantrag abzulehnen. Dazu können auch finanzielle Gründe gehören6.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. September 2010 – 11 Sa 33/10

  1. BAG 12.12.2000 – 9 AZR 706/99[][]
  2. ständige Rechtsprechung des BAG vgl. BAG 15.04.2008 – 8 AZR 111/07, AP Nr. 39 zu TVG § 1 ATZ[]
  3. BAG 10.05.2005 – 9 AZR 294/04 – AP Nr. 20 zu TVG § 1 ATZ[]
  4. vgl. BAG 23.01.2007 – 9 AZR 624/06, AP Nr. 14 zu AVR Diakonisches Werk § 1[]
  5. BAG 10.05.2005 – 9 AZR 294/04[]
  6. BAG 15.09.2009 – 9 AZR 643/08, AP Nr. 44 zu § 1 TVG Altersteilzeit[]
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