Antragsänderung – und die Zulässigkeit des Rechtsmittels

Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist und mit seinem Rechtsmittel gerade die Beseitigung dieser Beschwer begehrt1. Dies erfordert, dass der in der Vorinstanz erhobene Anspruch wenigstens teilweise weiterverfolgt wird2.

Antragsänderung – und die Zulässigkeit des Rechtsmittels

Ein lediglich im Wege der Antragsänderung neuer, bisher nicht gestellter Anspruch kann nicht das alleinige Ziel eines Rechtsmittels sein3.

In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall zielt der im Rechtsbeschwerdeverfahren von der Schwerbehindertenvertretung nunmehr gestellte Hauptantrag nicht auf die Beseitigung einer mit der Abweisung des vorinstanzlich gestellten Hauptantrags durch das Landesarbeitsgericht verbundenen Beschwer.

Der vom Landesarbeitsgericht abgewiesene Hauptantrag der Schwerbehindertenvertretung war auf Aussetzung „der Minderung der Leistungsbeurteilung im Rahmen der ERA-Leistungsbeurteilungsgespräche in 2018“ gerichtet und auf § 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX gestützt. Danach ist die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX getroffenen Entscheidung auszusetzen und die Beteiligung innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden. Die Aussetzung einer Entscheidung beinhaltet ein Verbot der Durchführung und des Vollzugs der Entscheidung bis zur Nachholung der Beteiligung, sie wirkt wie ein vorläufiges Vollzugsverbot4. Mit Ablauf der Sieben-Tage-Frist wird die zuvor ohne Beteiligung getroffene Entscheidung nicht automatisch durchführbar, vielmehr muss zuvor die Beteiligung nachgeholt werden. Deshalb währt das Verbot, die Maßnahme durchzuführen, so lange, bis der Arbeitgeber die unterlassene Beteiligung nachgeholt hat5. Gegenstand des auf Aussetzung nach § 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX gerichteten Hauptantrags der Schwerbehindertenvertretung war damit die Verpflichtung der Arbeitgeberin, die Durchführung bzw. den Vollzug der „Minderung der Leistungsbeurteilung im Rahmen der ERA-Leistungsbeurteilungsgespräche betreffend Schwerbehinderte und Gleichgestellte in 2018“ zu unterlassen.

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Mit ihrem in der Rechtsbeschwerde verfolgten Begehren wendet sich die Schwerbehindertenvertretung nicht – auch nicht teilweise – gegen die Abweisung dieses vorinstanzlich geltend gemachten Antrags. In der Rechtsbeschwerde begehrt die Schwerbehindertenvertretung vielmehr die Nachholung der Leistungsbeurteilung 2017/2018 sowie die Unterrichtung und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung vor der Entscheidung. Damit verfolgt die Schwerbehindertenvertretung in der Rechtsbeschwerde ein anderes Begehren als das, mit dem sie in der Vorinstanz beim Landesarbeitsgericht unterlegen ist.

Die beim Landesarbeitsgericht geltend gemachte Aussetzung der „Minderung der Leistungsbeurteilung in 2018“ ist nicht in dem im Rechtsbeschwerdeverfahren verfolgten Begehren enthalten. Der nunmehr gestellte Hauptantrag ist vollständig neu formuliert, auf die Nachholung der Leistungsbeurteilung 2017/2018 unter ihrer Beteiligung beschränkt und erwähnt die „Aussetzung der Minderung der Leistungsbeurteilung“ nicht. Auch der Umstand, dass die Schwerbehindertenvertretung mit dem im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellten neu gefassten Antrag zugleich die Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses begehrt, in welchem dem Hauptantrag mit der begehrten „Aussetzung der Minderung der Leistungsbeurteilung“ stattgegeben worden war, spricht dafür, dass sie an der ursprünglich verlangten Aussetzung nicht mehr festhält, sondern ausschließlich die Nachholung der Leistungsbeurteilung sowie ihre Beteiligung bei dieser (neuen) Entscheidung begehrt. Das Vorbringen in der Rechtsbeschwerdebegründung bestätigt dieses Verständnis. Mit dem Wechsel auf die Nachholung der Leistungsbeurteilung reagiert die Schwerbehindertenvertretung auf die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die „Aussetzung der Minderung der Leistungsbeurteilung 2018“ sei nicht mehr möglich, da die Leistungsbeurteilung bereits vollzogen sei. Vor diesem Hintergrund führt die Schwerbehindertenvertretung in der Rechtsbeschwerdebegründung aus, die monatliche Auszahlung der Leistungszulage hindere sie nicht, ihren Anspruch auf Nachholung der Entscheidung unter gesetzmäßiger Beteiligung geltend zu machen, die Auszahlung der Leistungszulage könne einer Nachholung der Beteiligung nicht entgegenstehen. Daraus wird deutlich, dass es der Schwerbehindertenvertretung – in Übereinstimmung mit dem Antragswortlaut – nicht mehr um die „Aussetzung der Minderung der Leistungsbeurteilung“ geht.

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Die Nachholung der Leistungsbeurteilung 2017/2018 war auch nicht in dem vorinstanzlich mit dem vom Landesarbeitsgericht abgewiesenen Hauptantrag verfolgten Begehren enthalten. Weder dem Wortlaut des dort gestellten Antrags noch dem zu dessen Begründung gehaltenen Vorbringen der Schwerbehindertenvertretung ist zu entnehmen, dass Gegenstand des Hauptantrags (auch) die Nachholung der Leistungsbeurteilung 2017/2018 und die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei der darin ggf. liegenden Entscheidung war. Auch die Nachholung der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung war zuletzt nicht Gegenstand des in den Vorinstanzen gestellten Hauptantrags. Die Schwerbehindertenvertretung hatte ihren darauf erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 01.03.2019 angekündigten Antrag im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 11.07.2019 zurückgenommen und nur noch die Aussetzung beantragt.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24. Februar 2021 – 7 ABR 9/20

  1. BAG 19.12.2018 – 7 ABR 79/16, Rn. 16; 17.04.2012 – 1 ABR 5/11, Rn.19, BAGE 141, 110[]
  2. BAG 15.11.2016 – 9 AZR 125/16, Rn. 10[]
  3. BAG 24.10.2017 – 1 ABR 45/16, Rn. 9, BAGE 160, 386; 15.11.2016 – 9 AZR 125/16, Rn. 10; 23.02.2016 – 1 ABR 5/14, Rn. 12 mwN[]
  4. vgl. Düwell in LPK-SGB IX 5. Aufl. § 178 Rn. 76[]
  5. vgl. Düwell in LPK-SGB IX 5. Aufl. § 178 Rn. 77[]

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