Arbeitgeberdarlehen und die vertragliche Ausgleichsklausel

Die sich aus dem Arbeitgeberdarlehen ergebenden Zins- und Rückzahlungsansprüche fallen nicht unter die in einem Aufhebungsvertrag vereinbarte Formulierung, dass „mit diesem Vertrag … sämtliche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung abzuleitenden wechselseitigen Ansprüche …, seien sie bekannt oder nicht bekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, geregelt und abgegolten“ sind.

Arbeitgeberdarlehen und die vertragliche Ausgleichsklausel

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis

Zu den „Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis“ gehören alle Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben. Maßgeblich ist der Bereich, in dem der Anspruch entsteht, nicht seine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage. Ob ein Anspruch dem Geltungsbereich einer Klausel unterfällt, die alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfasst, bemisst sich danach, ob eine enge Verknüpfung des Lebensvorgangs mit dem Arbeitsverhältnis besteht1. Hat ein Anspruch seinen Grund in der arbeitsvertraglichen Beziehung der Parteien, ist er ein „Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis“2. Dementsprechend werden nicht nur die sich unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag selbst ergebenden Ansprüche von der Ausgleichsklausel erfasst, sondern beispielsweise auch wechselseitige Ansprüche aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot3 oder Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung4.

Hiervon abzugrenzen sind jedoch Ansprüche, die sich aus anderen, selbstständig neben dem Arbeitsvertrag abgeschlossenen zivilrechtlichen Verträgen ergeben, wie dies zB bei Forderungen aus Werkmietverträgen oder Kaufverträgen der Fall ist5. Diese Ansprüche fallen regelmäßig nicht unter eine Ausgleichsklausel, die sich lediglich auf „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ bezieht.

Ansprüche aus einem Arbeitgeberdarlehn

Ansprüche aus einem Arbeitgeberdarlehen werden deshalb von einer Ausgleichsklausel, die nur die Ansprüche aus einem „bestehenden Arbeitsverhältnis“ regelt, nicht erfasst.

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Bei den Ansprüchen des Darlehensgebers aus einem Darlehensvertrag handelt es sich um solche aus einem selbstständig neben dem Arbeitsvertrag abgeschlossenen bürgerlich-rechtlichen Vertrag6. Zwar werden Darlehensverträge zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zumeist mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis zu Sonderkonditionen abgeschlossen. Darlehensvertrag und Arbeitsvertrag bleiben jedoch gleichwohl grundsätzlich rechtlich selbstständig7. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses ist nur für den Abschluss des Darlehensvertrags, nicht aber für die sich daraus ergebenden Ansprüche maßgeblich. Etwas anderes kann bei Ausgleichsklauseln, die nicht auch Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sondern lediglich „alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ umfassen, nur ausnahmsweise angenommen werden. Ein solcher Ausnahmefall kann gegeben sein, wenn aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Darlehens eine darüber hinausgehende zusätzliche Verknüpfung zum Arbeitsverhältnis besteht8.

Eine besondere Verknüpfung zum Arbeitsverhältnis liegt im Streitfall nicht vor. Das Darlehen ist dem Kläger zwar mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis und im Verhältnis zum freien Markt mit günstigeren Konditionen (bspw. Verzicht auf weitere Sicherheiten oder eine Bonitätsprüfung) gewährt worden. Entscheidend ist jedoch, dass dem Kläger das Darlehen unabhängig vom weiteren Bestand und der Entwicklung des Arbeitsverhältnisses gewährt worden ist und es auch keiner Zweckbindung unterlag. Dies spricht entscheidend gegen eine zusätzliche Verklammerung mit dem Arbeitsverhältnis.

Aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis abzuleitenden wechselseitigen Ansprüche

Die Ansprüche aus dem Darlehensvertrag werden auch von der Formulierung in der Ausgleichsklausel, dass die aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis „abzuleitenden wechselseitigen Ansprüche“ abgegolten sind, nicht erfasst.

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Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Ausschlussfristen Ansprüche aus einem Arbeitgeberdarlehen mit umfassen, wenn sie sich nicht nur auf Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“, sondern auch auf solche Ansprüche beziehen, die mit dem Arbeitsverhältnis „in Verbindung stehen“9. Derart weit gefasste Ausschlussfristen schließen alle Ansprüche in ihren Anwendungsbereich mit ein, die mit dem Arbeitsverhältnis tatsächlich oder rechtlich zusammenhängen. Es genügt ein nur entfernter Zusammenhang. Allerdings muss auch dann das Arbeitsverhältnis zumindest die tatsächliche Grundlage für den Darlehensvertrag gebildet haben. War das Arbeitsverhältnis für den Inhalt oder den Bestand des Darlehensvertrags ohne Bedeutung, findet die Ausschlussfrist selbst bei einer derart weit gefassten Formulierung keine Anwendung10.

Unter die „abzuleitenden wechselseitigen Ansprüche“ fallen aber nicht alle nur in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Ansprüche. Die Ausgleichsklausel erstreckt sich nur auf die sich aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis „abzuleitenden“ Ansprüche. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet „ableiten“, dass sich etwas aus einem anderen „ergibt“ bzw. dass etwas aus einem anderen „folgt“11. Dementsprechend können nur Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“ gemeint sein. Nur diese lassen sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis herleiten. Die Ansprüche aus einem zusätzlichen Darlehensvertrag ergeben sich nicht aus dem Arbeitsverhältnis, sondern aus einem anderen, selbstständig neben dem Arbeitsvertrag abgeschlossenen zivilrechtlichen Vertrag.

Auslegung der Ausgleichsklausel

Im Übrigen lassen sich aus der vertraglich vereinbarten Ausgleichsklausel keine Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, dass mit ihr auch Ansprüche einbezogen werden sollten, die mit dem Arbeitsverhältnis „lediglich in Verbindung stehen“. Hiergegen spricht schon der eindeutige Wortlaut der Vereinbarung. Aus dem weiteren Vertragstext und dem mit dem Aufhebungsvertrag verfolgten Sinn und Zweck folgt kein anderes Verständnis der Ausgleichsklausel. Vielmehr spricht die weitere Systematik der Vereinbarung dafür, dass die Parteien das Arbeitgeberdarlehen nicht einbeziehen und ausgleichen wollten. Für sein Einverständnis zur einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger einen befristeten Arbeitsvertrag bei der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft erhalten. Eine weitere (Gegen-)Leistung für die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses sieht die Vereinbarung nicht vor. Der Ausgleich für den Verlust seines bisherigen Arbeitsplatzes erfolgte vielmehr über die Regelungen des Sozialplans. Dass der Kläger – und einige andere Arbeitnehmer – als Empfänger eines Arbeitgeberdarlehens im Vergleich zu den übrigen Mitarbeitern der Schuldnerin für den Verlust des Arbeitsplatzes eine weitere, im Sozialplan nicht vorgesehene Leistung in unterschiedlicher Höhe erhalten sollten, lässt sich aus der Vereinbarung nicht schließen. Der Verzicht auf die Rückerstattung des Arbeitgeberdarlehens würde zudem ein steuer- und sozialversicherungsabgabenpflichtiges Einkommen darstellen12. Dies verdeutlicht, dass die Schuldnerin durch die Ausgleichsklausel nicht auf die Rückerstattung des Darlehens hat verzichten wollen. Dies gilt umso mehr, als an die Feststellung eines Verzichtswillens hohe Anforderungen zu stellen sind. Steht fest, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben wollen13.

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Schließlich kann aus dem Umstand, dass nach Abschn. II Ziff. 5 der Vereinbarung Insolvenzforderungen, die sich aus dem Sozialplan ergebenden Ansprüche und die Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung von der Ausgleichsklausel ausgenommen werden, nicht geschlossen werden, die Ausgleichsklausel habe die Darlehensansprüche des Beklagten mit erfasst. Werden in einer Vereinbarung bestimmte Ansprüche ausdrücklich von einer Abgeltungsklausel ausgenommen, spricht zwar Einiges für die Annahme, alle anderen Ansprüche sollten zum Erlöschen gebracht werden14. Dies kann aber nur für die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, nicht für sonstige zivilrechtliche Forderungen gelten.

Unklarheitenregel

Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB kein anderes Ergebnis.

Nach dieser Norm gehen Zweifel bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders. Hierfür muss nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleiben. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt mithin voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht15.

Die Ausgleichsklausel ist nicht unklar. Es bestehen keine erheblichen Zweifel an dem am Wortlaut orientierten Auslegungsergebnis. Allein der Umstand, dass der Richter am Arbeitsgericht als Vorsitzender in der Güteverhandlung eine andere Auffassung vertreten hat, rechtfertigt die Annahme von erheblichen Zweifeln nicht. Nichts anderes gilt für den Fall, dass der Beklagte zunächst selbst eine andere Rechtsauffassung vertreten haben sollte. Es spielt deshalb keine Rolle, ob der Beklagte mit einem der Arbeitnehmer einen von seinem jetzigen Standpunkt abweichenden Vergleich geschlossen hat.

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Bundesarbeitsgericht

  1. BAG 24.06.2009 – 10 AZR 707/08 (F), Rn. 26, AP HGB § 74 Nr. 81; 19.03.2009 – 6 AZR 557/07, Rn. 25, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17[]
  2. BAG 19.03.2009 – 6 AZR 557/07 – Rn. 25, aaO; Senat 24.06.2009 – 10 AZR 707/08 (F), Rn. 26, aaO; 22.10.2008 – 10 AZR 617/07, Rn. 24, AP HGB § 74 Nr. 82 = EzA HGB § 74 Nr. 70[]
  3. BAG 24.06.2009 – 10 AZR 707/08 (F), Rn. 26, aaO; 18.12.1984 – 3 AZR 383/82, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 87 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 61[]
  4. BAG 30.10.2008 – 8 AZR 886/07, Rn. 21, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 192[]
  5. vgl. BAG 20.02.2001 – 9 AZR 11/00, BAGE 97, 65; 27.11.1984 – 3 AZR 596/82, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 89 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 64[]
  6. vgl. BAG 04.10.2005 – 9 AZR 598/04, BAGE 116, 104; 23.02.1999 – 9 AZR 737/97, AP BGB § 611 Arbeitnehmerdarlehen Nr. 4 = EzA BGB § 611 Inhaltskontrolle Nr. 7[]
  7. BAG 23.02.1999 – 9 AZR 737/97, aaO; 23.09. 1992 – 5 AZR 569/91, AP BGB § 611 Arbeitnehmerdarlehen Nr. 1 = EzA GewO § 117 Nr. 1; aA Schaub/Linck ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 72 Rn. 8a bei Einräumen von Sonderkonditionen[]
  8. vgl. BAG 28.07.2009 – 3 AZR 250/07, Rn. 16, AP ArbGG 1979 § 45 Nr. 16; 19.03.2009 – 6 AZR 557/07, Rn. 26, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17[]
  9. vgl. zu § 16 BRTV: BAG 04.10.2005 – 9 AZR 598/04, BAGE 116, 104; 20.02.2001 – 9 AZR 11/00, BAGE 97, 65[]
  10. vgl. BAG 04.10.2005 – 9 AZR 598/04 – zu 3 a aa der Gründe, aaO; 20.02.2001 – 9 AZR 11/00 – zu I 2 a der Gründe, aaO[]
  11. vgl. Duden Das Bedeutungswörterbuch, 3. Aufl. Stichwort „ableiten“[]
  12. vgl. Küttner/Schlegel Personalbuch 2010 Arbeitgeberdarlehen Rn. 13, 17[]
  13. vgl. BAG 07.11.2007 – 5 AZR 880/06, Rn. 22, BAGE 124, 349[]
  14. vgl. BAG 28.07.2009 – 3 AZR 250/07, Rn. 18, AP ArbGG 1979 § 45 Nr. 16; 24.06.2009 – 10 AZR 707/08 (F), Rn. 27, AP HGB § 74 Nr. 81; 19.03.2009 – 6 AZR 557/07, Rn. 34, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17[]
  15. BAG 20.01.2010 – 10 AZR 914/08, Rn. 17, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, Rn. 44, BAGE 127, 185; 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, Rn. 14, BAGE 124, 259[]
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