Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Europäischen Union

Seit gestern gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit – einer der vier Grundfreiheiten der Europäischen Union – auch für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten, ausgenommen sind nur noch Bulgarien und Rumänien.

Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Europäischen Union

Zum 1. Mai 2004 sind Estland, Lettland, Litauen, Polen, die Slowakische Republik, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn der Europäischen Union beigetreten. Zum Schutz des heimischen Arbeitsmarktes konnten die „alten“ EU-Staaten Übergangsbestimmungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit einführen, um den Arbeitsmarktzugang aus den Beitrittsländern zu beschränken. Von dieser Möglichkeit hat unter anderem Deutschland Gebrauch gemacht. Hintergrund hierfür war die Befürchtung, dass Arbeitsuchende, die ein viel niedrigeres Lohnniveau gewohnt sind, ihre Arbeit auch zu niedrigeren Löhnen, als in Deutschland üblich, anbieten. Insoweit wurde befürchtet, dass dies einen nicht unerheblichen Preisdruck auf die Arbeitskraft, zumal in Niedriglohnsektoren, in Deutschland zur Folge haben könnte, zumal die deutsche Wirtschaft seinerzeit schon kaum das inländische geringqualifizierte Arbeitskräfteangebot aufnehmen konnte.

Diese Übergangsregelungen durften jedoch für maximal sieben Jahre eingeführt werden – und damit ist die Übergangsfrist gestern abgelaufen, so dass künftig auch Arbeitnehmer aus diesen Ländern frei in Deutschland für einen deutschen Arbeitgeber arbeiten können, ohne hierfür weiterhin eine Arbeitserlaubnis zu benötigen. Bulgarien und Rumänien traten der EU dagegen erst 2007 bei, so dass für bulgarische und rumänische Arbeitnehmer die Übergangsbestimmungen noch drei Jahre in Kraft bleiben können.

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Gänzlich abgeschottet war der deutsche Arbeitsmarkt freilich auch bisher nicht: Das Statistische Bundesamtes verzeichnet 425.000 Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedstaaten, die bereits heute in Deutschland tätig sind, darunter als größte Gruppe 315.000 Polen. (Zum Vergleich: die größte Gruppe unter den EU-Arbeitnehmern in Deutschland bilden die Italiener (365.000), die größte Gruppe insgesamt bilden die Türken mit derzeit knapp 484.000 in Deutschland tätigen Menschen).

Auch wenn die Übergangsfrist für die acht östlichen EU-Mitgliedsstaaten nun abgelaufen ist, können Arbeitnehmer aus diesen Staaten in Deutschland oftmals nicht zu Dumping-Löhnen beschäftigt werden: Zwischenzeitlich wurden in Deutschland auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) in einer Reihe von Branchen insbesondere des Niedriglohnsektors Mindestlöhne eingeführt. Wollen Arbeitnehmer aus den östlichen EU-Mitgliedsstaaten in einer dieser Branchen in Deutschland tätig werden, darf dies nicht zum Lohnniveau erfolgen, wie es in deren Heimatländern evtl. noch besteht, es muss vielmehr zumindest der in Deutschland geltende Mindestlohn gezahlt werden. Ein solcher Anspruch auf einen branchenspezifischen Mindestlohn besteht immer dann, wenn

  • die Branche im Branchenkatalog des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes aufgenommen wurde,
  • ein Mindestlohntarifvertrag abgeschlossen wurde und
  • der Tarifvertrag durch Allgemeinverbindlicherklärung oder Rechtsverordnung auf alle Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Branche erstreckt wurde

Auf dieser Grundlage bestehen derzeit branchenspezifische Mindestlöhne

  • in der Abfallwirtschaft,
  • im Dachdeckerhandwerk,
  • im Elektrohandwerk,
  • im Maler- und Lackiererhandwerk,
  • im Bauhauptgewerbe,
  • in der Gebäudereinigung,
  • für Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft
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Daneben besteht noch eine Sonderregelung für den Mindestlohn im Pflegebereich. Und auch für die Zeitarbeitsbranche sind die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Mindestlohn ab dem 1. Mai 2011 gegeben. Ebenso sind für das Wach- und Sicherheitsgewerbe allgemeinverbindliche Mindestlöhne vorgesehen.

Im Übrigen gilt auch für Arbeitnehmer aus diesen östlichen EU-Mitgliedsstaaten wie für alle hier als Arbeitnehmer tätigen EU-Bürger: Für die Beschäftigung bei einem Arbeitgeber in Deutschland gelten die Bestimmungen des deutschen Arbeitsrechts und des deutschen Sozialvericherungsrechts. Auch hinsichtlich der Arbeitsbedingungen (einschließlich der Arbeitszeiten) gelten die selben Bestimmungen wie bei inländischen Arbeitnehmern.

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit greift auch für die Familienangehörigen der EU-Arbeitnehmer. So genießen auch die Ehepartner und Kinder (aber auch die Enkel, Eltern und Großeltern) der hier als Arbeitnehmer tätigen EU-Bürger in Deutschland ein Aufenthaltsrecht. Weitere Familienangehörige wie etwa Geschwister, Onkel und Tanten sowie Cousins haben unter bestimmten Umständen Anspruch auf eine erleichterte Einreise.