Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 AÜG unwirksam ist.

Arbeitsverträge zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern sind gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG mit dem Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b AÜG unwirksam, es sei denn, der Leiharbeitnehmer erklärt schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält. Tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, gilt das Arbeitsverhältnis mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen.
Mit Erreichen der Überlassungshöchstdauer hat der Leiharbeitnehmer einen Anspruch gegen die Entleiherin auf Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Dies ergibt sich bereits aus der Anordnung in Nr. 3 Abs. 4 der Anlage zur GBV Zeitarbeit, dass die eigentliche Übernahme nach Ablauf der maximalen Höchstdauer des Einsatzes von 48 Monaten „erfolgt“. Mit dieser Wohlwahl haben die Betriebsparteien zum Ausdruck gebracht, dass der Einsatz des bisher als Leiharbeitnehmer beschäftigten Mitarbeiters mit Erreichen der Überlassungshöchstdauer in einem Arbeitsverhältnis mit der Entleiherin fortgesetzt werden soll, soweit nicht einer der Ausnahmetatbestände des Abs. 5 der Nr. 3 der Anlage zur GBV Zeitarbeit vorliegt. Dem Leiharbeitnehmer wird dadurch das Recht eingeräumt, so gestellt zu werden, als wäre mit der Entleiherin gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG wegen Überschreitens der Überlassungshöchstdauer kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis begründet worden.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Grenzen von § 77 Abs. 3, § 75 BetrVG eine umfassende Regelungskompetenz für alle betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Fragen sowie den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen1. Gegenstand einer freiwilligen Betriebsvereinbarung kann auch die Regelung eines Übernahmeanspruchs für Leiharbeitnehmer sein. Die Regelungskompetenz der Betriebsparteien des Entleiherbetriebs ist jedoch begrenzt. Nach § 14 Abs. 1 AÜG sind Leiharbeitnehmer betriebsverfassungsrechtlich grundsätzlich Teil der Belegschaft des Verleiherbetriebs und bleiben auch während der Dauer ihrer Überlassung in die dortige Betriebsorganisation eingegliedert. Gleichwohl folgt aus dieser Zuordnung nicht die Kompetenz des für einen Verleiherbetrieb gewählten Betriebsrats, alle die Leiharbeitnehmer betreffenden Angelegenheiten zu regeln. Denn für die Dauer einer Überlassung sind die Leiharbeitnehmer zusätzlich in die Organisation des Entleihbetriebs eingegliedert und unterstehen dort dem Weisungsrecht des Entleihers2. Aus der das Leiharbeitsverhältnis kennzeichnenden Aufspaltung der Arbeitgeberfunktionen zwischen dem Verleiher als Vertragsarbeitgeber und dem Entleiher als demjenigen, der die wesentlichen Arbeitgeberbefugnisse in Bezug auf die Arbeitsleistung innerhalb der von ihm vorgegebenen Betriebsorganisation ausübt, ergibt sich demgemäß, dass die Regelungskompetenz der Betriebsparteien im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung grundsätzlich davon abhängt, wer – der Verleiher oder der Entleiher – die Entscheidungskompetenz über den jeweiligen Regelungsgegenstand hat.
Danach dürfen der Entleiher und der bei ihm gebildete Betriebsrat keine freiwillige Betriebsvereinbarung schließen, die die Möglichkeit des Verleihers, bei ihm angestellte Leiharbeitnehmer abzumelden, unmittelbar einschränkt. Das Recht, einen Leiharbeitnehmer beim Entleiher abzumelden, steht idR dem Verleiher und nicht dem Entleiher zu. Die Hauptleistungspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher besteht darin, einen arbeitsbereiten, den vertraglich festgelegten Anforderungen entsprechenden Arbeitnehmer für die vereinbarte Dauer zur Verfügung zu stellen. Auf diese Verpflichtung ist § 243 BGB entsprechend anzuwenden. Ohne besondere Abrede ist der Verleiher lediglich verpflichtet, einen iSv. § 243 Abs. 1 BGB fachlich geeigneten, nicht aber einen bestimmten Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Aus dem Charakter der Arbeitnehmerüberlassung als Dauerschuldverhältnis folgt zwar, dass dem Entleiher für die gesamte Laufzeit des Vertrags ein geeigneter Leiharbeitnehmer zur Verfügung stehen muss. Der Verleiher hat aber grundsätzlich das Recht zum Austausch, sofern dem nicht eine Vereinbarung mit dem Entleiher oder sonstige berechtigte Belange des Entleihers – wie etwa eine lange Einarbeitungszeit für unternehmensspezifische Aufgaben – entgegenstehen3.
Die Betriebsparteien auf Entleiherseite überschreiten ihre Regelungskompetenz indessen nicht, wenn sie – wie vorliegend – die Voraussetzungen regeln, unter denen der Entleiher den Verleiher auffordern darf, einen Leiharbeitnehmer abzumelden. Eine solche Regelung stellt keine Beschränkung des Direktionsrechts zulasten des Verleihers dar, sondern konkretisiert die Modalitäten der Einflussnahme auf die Entscheidung des Verleihers über die Abmeldung eines Leiharbeitnehmers durch den Entleiher, ohne dass das Direktionsrecht des Verleihers berührt wird. Als Sachgründe, die die Entleiherin im Verhältnis zum Betriebsrat und dem Leiharbeitnehmer berechtigen, den Verleiher zur Abmeldung aufzufordern, genügen nachvollziehbare Unterschreitungen von Leistungsvorgaben sowie einfache, nicht nur ganz unerhebliche Verletzungen vertraglicher Pflichten.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. November 2022 – 9 AZR 226/21
- BAG 28.07.2020 – 1 ABR 41/18, Rn. 15, BAGE 171, 340[↩]
- vgl. BAG 24.08.2016 – 7 ABR 2/15, Rn. 21; 7.06.2016 – 1 ABR 25/14, Rn. 13, BAGE 155, 215[↩]
- BAG 20.06.2013 – 2 AZR 271/12, Rn. 21 mwN[↩]
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