Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf Maßnahmen des Arbeitgebers zur Verhütung von Gesundheitsschäden, die Rahmenvorschriften konkretisieren.

Es setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und mangels einer zwingenden gesetzlichen Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Unerheblich ist, ob die Rahmenvorschriften dem Gesundheitsschutz mittelbar oder unmittelbar dienen.
Sowohl § 5 als auch § 3 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbSchG stellen zwar ausfüllungsbedürftige Rahmenvorschriften in diesem Sinne dar. Jedoch kann ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG iVm. § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG erst eingreifen, wenn eine konkrete Gefährdung nach Art und Umfang entweder feststeht oder im Rahmen einer – vom Arbeitgeber auf der Grundlage einer von den Betriebsparteien oder der Einigungsstelle (§ 87 Abs. 2 BetrVG) zuvor getroffenen Regelung über das Verfahren zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen durchgeführten – Gefährdungsbeurteilung iSv. § 5 Abs. 1 ArbSchG festgestellt wurde.
Dies gilt auch, wenn es um die Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung durch psychische Belastungen bei der Arbeit nach § 5 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG geht1.
Nach Systematik und Konzeption des Arbeitsschutzgesetzes ist die Gefährdungsbeurteilung das maßgebende Instrument, um arbeitsbedingte Gefährdungen zu ermitteln. Welche Schutzmaßnahmen geeignet und angemessen sind, lässt sich erst bestimmen, wenn das von der Arbeit für die Beschäftigten ausgehende Gefährdungspotential im Rahmen der nach § 5 Abs. 1 ArbSchG durchzuführenden Beurteilung eruiert wurde. Je genauer und wirklichkeitsnäher solche Gefährdungen im Betrieb anhand der jeweiligen Gefahrenquellen ermittelt und beurteilt werden, umso gezielter können konkrete Maßnahmen getroffen werden. Die vom Arbeitgeber – und nicht von den Betriebsparteien gemeinsam – durchzuführende Beurteilung der Arbeitsbedingungen iSv. § 5 ArbSchG umfasst die Überprüfung, ob und ggf. welche Gefährdungen mit einer Tätigkeit einhergehen. Die mit der Arbeit des Beschäftigten verbundenen möglichen Gefährdungen müssen anhand der jeweiligen Gefahrenquellen ermittelt und im Hinblick auf ihre Schwere (Art und Umfang eines möglichen Schadens) und das Risiko ihrer Realisierung (Eintrittswahrscheinlichkeit) bewertet werden. Notwendige Bestandteile der Gefährdungsbeurteilung sind zudem die Prüfung, ob Schutzmaßnahmen geboten sind, sowie die Bewertung der Dringlichkeit eines Handlungsbedarfs. Das im Rahmen von § 5 ArbSchG von den Betriebsparteien oder – im Fall ihrer Nichteinigung – einer Einigungsstelle auszugestaltende Verfahren zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung erfasst jedoch weder die Beantwortung der Frage, welche konkreten Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer angesichts einer festgestellten Gefährdung ergriffen werden können, noch die auf konkrete Schutzmaßnahmen bezogene Kontrolle ihrer Wirksamkeit2.
Besteht zwischen den Betriebsparteien Streit darüber, ob die Arbeitnehmer durch arbeitsbedingte psychische Belastungen gefährdet sind, müssen sie zunächst die Vorgaben für die nach § 5 Abs. 1 ArbSchG vom Arbeitgeber durchzuführende Beurteilung der Arbeitsbedingungen festlegen. Die nach der gesetzlichen Konzeption mitbestimmte Ausgestaltung der für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung wesentlichen Grundlagen soll verhindern, dass später Streit über das angewandte Verfahren und die Methoden entsteht. Das dem Betriebsrat bei der Ausgestaltung der Gefährdungsbeurteilung iSv. § 5 ArbSchG zustehende Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG umfasst dabei zunächst die Klärung, inwieweit die Arbeitsbedingungen mehrerer Beschäftigter gleichartig sind und deshalb die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreicht (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 ArbSchG). Zudem müssen die Betriebsparteien regeln, mit welchen Methoden und Verfahren das Vorliegen und der Grad einer solchen Gefährdung – also ihre Schwere und das Risiko ihrer Realisierung, die grundsätzliche Erforderlichkeit von Schutzmaßnahmen und die Dringlichkeit eines möglichen Handlungsbedarfs festgestellt werden sollen3. Da die Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 ArbSchG in regelmäßigen Abständen anlassunabhängig zu wiederholen ist, haben die Betriebsparteien außerdem abstrakte Vorgaben zu treffen, in welchen zeitlichen Abständen die Gefährdungsbeurteilung erneut durchzuführen ist. Der dabei festzulegende Rhythmus hängt von den jeweiligen betrieblichen Umständen ab4. Schließlich müssen die Betriebsparteien vereinbaren, auf welche Art und Weise die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung iSv. § 5 Abs. 1 ArbSchG dokumentiert werden sollen5. Können die Betriebsparteien über die danach festzulegenden Vorgaben für eine Gefährdungsbeurteilung kein Einvernehmen erzielen, hat nach § 87 Abs. 2 BetrVG die Einigungsstelle zu entscheiden6.)).
Ergibt die nach dem mitbestimmt ausgestalteten Verfahren durchgeführte Beurteilung der Arbeitsbedingungen, dass Schutzmaßnahmen erforderlich sind, hat der Arbeitgeber diese nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG – möglichst zeitnah, zu treffen. Kann der Gefährdung mittels unterschiedlicher Schutzmaßnahmen begegnet werden, besteht dabei im Rahmen dieser Norm ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei der Entscheidung, welche der möglichen Maßnahmen umgesetzt werden sollen7. Der Arbeitgeber hat zudem nach § 3 Abs. 1 Satz 2 ArbSchG die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Bei der Ausgestaltung dieser Wirksamkeitskontrolle hat der Betriebsrat ebenfalls nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen zeitliche und ggf. methodische Vorgaben für deren Durchführung festlegen8. Kommt keine Einigung der Betriebsparteien über die mitbestimmungspflichtig auszugestaltenden Angelegenheiten zustande, entscheidet auch insoweit nach § 87 Abs. 2 BetrVG die Einigungsstelle.
Demgegenüber können Grund und Ausmaß von Gefährdungen der Arbeitnehmer durch Arbeit nicht durch die Einigungsstelle geklärt werden. Diese ist weder die nach § 13 Abs. 1 ArbSchG verantwortliche Person für die Erfüllung der sich ua. aus § 5 ArbSchG ergebenden Pflichten des Arbeitgebers noch können Arbeitsschutzpflichten iSd. § 13 Abs. 2 ArbSchG an sie delegiert werden. Daher ist es auch nicht ihre Aufgabe, die Beurteilung, ob Gefährdungen vorliegen, selbst vorzunehmen oder diese durch Hinzuziehung von Sachverständigen zu ermitteln. Die Einigungsstelle kann allerdings Sachverständige hinzuziehen, um sich zu den in Betracht kommenden Verfahren zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen iSv. § 5 Abs. 1 ArbSchG sachkundig zu machen9. Gleiches gilt, soweit sie Sachverstand für die Beurteilung benötigt, welche Schutzmaßnahmen angesichts der unstreitig feststehenden oder iSv. § 5 Abs. 1 ArbSchG ermittelten Gefährdungen, ihrer Schwere und des Risikos einer Schadensrealisierung infrage kommen.
Ein angefochtener Spruch ist unwirksam, wenn es hiernach an einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG iVm. § 3 Abs. 1 ArbSchG fehlt.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 7. Dezember 2021 – 1 ABR 25/20
- vgl. BAG 19.11.2019 – 1 ABR 22/18, Rn. 28, 32 ff. mwN, BAGE 168, 323[↩]
- vgl. BAG 19.11.2019 – 1 ABR 22/18, Rn. 29 mwN, BAGE 168, 323[↩]
- vgl. BAG 19.11.2019 – 1 ABR 22/18, Rn. 32, BAGE 168, 323[↩]
- vgl. dazu BAG 13.08.2019 – 1 ABR 6/18, Rn. 63, BAGE 167, 230[↩]
- vgl. BAG 13.08.2019 – 1 ABR 6/18, Rn. 31, aaO[↩]
- vgl. BAG 19.11.2019 – 1 ABR 22/18, Rn. 32, aaO[↩]
- vgl. BAG 19.11.2019 – 1 ABR 22/18, Rn. 29, BAGE 168, 323[↩]
- vgl. BAG 13.08.2019 – 1 ABR 6/18, Rn. 39, BAGE 167, 230[↩]
- vgl. BAG 19.11.2019 – 1 ABR 22/18, Rn. 33 mwN, BAGE 168, 323[↩]
Bildnachweis:
- Stethoskop: Rohvannyn Shaw