Anträge sind auch im Beschlussverfahren möglichst so auszulegen, dass sie eine Sachentscheidung zulassen.

Maßgebend sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, vielmehr ist der in der Erklärung verkörperte Wille zu ermitteln.
Im Zweifel sind Prozesserklärungen dahin auszulegen, dass das gewollt ist, was aus Sicht der Prozesspartei nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht1.
Dabei sind die schutzwürdigen Belange des Prozessgegners zu berücksichtigen2.
Das Rechtsbeschwerdegericht hat prozessuale Erklärungen selbständig auszulegen3.
So auch in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall: Nach seinem Wortlaut ist der Antrag zwar auf die Feststellung gerichtet, dass § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, der die Bildung eines Wirtschaftsausschusses vorschreibt, nach § 118 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auf die Beteiligte zu 1. nicht anwendbar und die Bildung des Wirtschaftsausschusses durch den Beteiligten zu 2. unwirksam ist. Aus dem weiteren Vorbringen der Antragstellerin ergibt sich jedoch, dass es sich bei dem ersten Teil des Antrags nur um ein rechtliches Begründungselement für das eigentliche – im zweiten Teil des Antrags enthaltene – Rechtsschutzziel handelt. Zudem hat sich die Antragstellerin bezüglich der Antragstellung auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.07.20144 bezogen. Die dortige Arbeitgeberin hatte die Feststellung begehrt, dass ihr Betrieb ein Tendenzbetrieb sei. Diesen Antrag hat das Bundesarbeitsgericht für unzulässig gehalten, weil die Frage, ob der Betrieb der Arbeitgeberin unmittelbar oder überwiegend karitativen Bestimmungen iSd. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG dient, allenfalls eine (nicht feststellungsfähige) Vorfrage eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO betrifft5. Es kann nicht angenommen werden, dass die Antragstellerin vor diesem Hintergrund einen unzulässigen Antrag stellen wollte. So hat sich die Antragstellerin im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht dagegen gewandt, dass das Landesarbeitsgericht in seinen klarstellenden Tenor den ersten Teil des Antrags nicht aufgenommen hat. Gegenstand der begehrten Feststellung ist daher nur der zweite Teil des Antrags. Dieser kann nicht dahin verstanden werden, dass die Antragstellerin rein vergangenheitsbezogen die Unwirksamkeit der Bildung des Wirtschaftsausschusses durch den Betriebsrat festgestellt wissen will. Vielmehr ist der Antrag auf die Klärung der betriebsverfassungsrechtlichen Befugnis des Betriebsrats gerichtet, einen Wirtschaftsausschuss zu bilden oder nicht6. Dabei soll mit dem Hauptantrag geklärt werden, ob der Betriebsrat überhaupt berechtigt ist, einen Wirtschaftsausschuss zu bilden. Zwar hat die Antragstellerin geltend gemacht, sie begehre die im Hauptantrag formulierte Feststellung nur in Bezug auf sich. Diese Beschränkung hat aber im Antrag keinen ausreichenden Niederschlag gefunden. Der Antragsbegründung lässt sich entnehmen, dass die Antragstellerin die Errichtung eines Wirtschaftsausschusses insgesamt – auch hinsichtlich der KES – für unzulässig hält. Mit dem Hauptantrag soll daher die grundsätzliche Unzulässigkeit der Bildung eines Wirtschaftsausschusses durch den Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs geklärt werden. Für dieses Verständnis spricht auch der Hilfsantrag.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 26. Februar 2020 – 7 ABR 20/18
- vgl. BAG 15.05.2012 – 3 AZR 469/11, Rn. 26 mwN[↩]
- BAG 4.11.2015 – 7 AZR 851/13, Rn. 14 mwN[↩]
- vgl. BAG 27.10.1992 – 1 ABR 17/92, zu II 2 b der Gründe[↩]
- BAG 22.07.2014 – 1 ABR 93/12[↩]
- BAG 22.07.2014 – 1 ABR 93/12, Rn. 14 mwN[↩]
- vgl. BAG 22.07.2014 – 1 ABR 93/12, Rn. 16 mwN[↩]
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