Die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liegt grundsätzlich beim anspruchstellenden Arbeitnehmer.

Nach den allgemeinen Regeln der Normenbegünstigung hat er die Voraussetzungen des Anspruchs auf Gleichbehandlung darzulegen und daher vergleichbare Arbeitnehmer zu nennen, die ihm gegenüber vorteilhaft behandelt werden. Ist dies erfolgt, muss der Arbeitgeber – wenn er anderer Auffassung ist – darlegen, wie groß der begünstigte Personenkreis ist, wie er sich zusammensetzt, wie er abgegrenzt ist und warum der klagende Arbeitnehmer nicht dazugehört1.
Der Arbeitgeber hat die nicht ohne Weiteres erkennbaren Gründe für die von ihm vorgenommene Differenzierung offenzulegen und jedenfalls im Rechtsstreit mit einem benachteiligten Arbeitnehmer so substantiiert darzutun, dass durch das Gericht beurteilt werden kann, ob die Gruppenbildung auf sachlichen Kriterien beruht2.
Hiervon ausgehend hat im vorliegenden Fall das Landesarbeitsgericht Niedersachsen rechtsfehlerhaft angenommen, der Arbeitnehmer habe das Vorhandensein einer Gruppe mit ihm vergleichbarer, im Verhältnis zu ihm vorteilhaft behandelter Arbeitnehmer nicht hinreichend substantiiert dargelegt3. Dieser Würdigung liegt eine unzutreffende Verteilung der Darlegungslast zugrunde. Hierin liegt ein materieller Rechtsfehler, der im Revisionsverfahren ohne Verfahrensrüge von Amts wegen zu beachten ist4.
Indem der Arbeitnehmer auf seine Zugehörigkeit zu den „leitenden Führungskräften“ nach § 1 Abs. 2 Satz 4 des Arbeitsvertrags und auf den Erhalt einer Leistung aus dem LTI-Programm für die Geschäftsjahre 2015 und 2016 verwiesen hat, hat er behauptet, zu den inländischen Führungskräften des R-Konzerns iSv. Abschn. A Nr. II Ziff. 1 der Regelungen des LTI-Programms zu zählen. Aus dieser Gruppe hat er 13 nach seinem Vortrag vergleichbare Personen benannt, die für die streitgegenständlichen Geschäftsjahre 2017 und 2018 Leistungen nach dem LTI-Programm erhalten haben. Damit hat er die Voraussetzungen für den begehrten Auskunftsanspruch schlüssig dargelegt: Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis als besondere rechtliche Beziehung, aus welcher dem Grund nach ein Leistungsanspruch gegen die Arbeitgeberin wahrscheinlich ist. Mit den hierfür verlangten weitergehenden Darlegungen hat das Landesarbeitsgericht die den Arbeitnehmer treffende Darlegungslast verkannt. Weitere Ausführungen können vom Arbeitnehmer erst nach erheblichem (Gegen-)Vortrag (§ 138 Abs. 2 ZPO) der Arbeitgeberin verlangt werden. Der Arbeitnehmer war weiterhin in einer entschuldbaren Ungewissheit über Bestehen und Umfang seiner Rechte, weil er keine genaue Kenntnis von den gewährten Ausschüttungsbeträgen und der zugrunde liegenden Berechnung hatte und haben konnte. Es ist weder konkret behauptet noch ersichtlich, dass sich der Arbeitnehmer die notwendigen Informationen selbst auf zumutbare und rechtmäßige Weise beschaffen konnte. Der Arbeitgeberin ist die Auskunftserteilung zumutbar. Schließlich werden die allgemeinen Beweisgrundsätze nicht unterlaufen, weil nach Auskunftserteilung die oben dargestellte Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu beachten ist.
Unter Berücksichtigung des Vortrags und der Kenntnismöglichkeiten des im streitgegenständlichen Zeitraum freigestellten Arbeitnehmers oblag es der Arbeitgeberin, seinen Behauptungen zur Gruppenbildung substantiiert entgegenzutreten und darzulegen, wie groß der von ihr begünstigte Personenkreis ist, wie er sich zusammensetzt, wie er abgegrenzt ist und warum der Arbeitnehmer nicht dazugehört. Dies hat sie nicht getan. Sie hat zwar mit dem Verweis auf unterschiedliche Hierarchieebenen ein mögliches Abgrenzungskriterium angesprochen, aber nicht erläutert, dass oder inwiefern dieser Aspekt bei der vorgenommenen Gruppenbildung eine Rolle gespielt hat. Ohne die Darlegung der hierfür maßgeblichen Kriterien ist nicht erkennbar, inwieweit es für die Gruppenzugehörigkeit des Arbeitnehmers von Bedeutung ist, dass er nach dem Vortrag der Arbeitgeberin einer anderen Hierarchieebene zugehörig sein soll. Ob er deswegen nicht mit Personen vergleichbar ist, die auf höheren Hierarchieebenen tätig sind, lässt sich ohne Offenlegung der Gründe für die vorgenommene Differenzierung nicht feststellen. Ebenso wenig kann beurteilt werden, ob eine – unterstellte – Gruppenbildung basierend auf Hierarchieebenen sachlichen Kriterien entsprach. Weiterer Vortrag des Arbeitnehmers zu den Funktionen der von ihm benannten Personen ist erst erforderlich, nachdem die Arbeitgeberin erklärt hat, inwieweit es bei der Gruppenbildung auf die jeweils wahrgenommene Funktion ankommt.
Aus dem Vortrag der Arbeitgeberin ergibt sich auch nicht, dass der Anwendungsbereich des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im Streitfall bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil die Leistungszusagen und Gewährungen nach dem LTI-Programm im streitgegenständlichen Zeitraum nicht nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip, bei dem sie Voraussetzungen oder Zwecke festlegt hatte, erfolgten.
Die Arbeitgeberin hat zwar individuelle Zusagen gegenüber den Empfängern der Ausschüttungsleistungen nach dem LTI-Programm für die streitgegenständlichen Geschäftsjahre behauptet, diese aber nicht im Einzelnen geschildert. Indem sie eine willkürliche Ungleichbehandlung des Arbeitnehmers bestritten hat, hat sie vielmehr impliziert, für die gewährten Zusagen und Leistungen nach dem LTI-Programm sachliche Gründe gehabt zu haben.
Die nach dem Vortrag der Arbeitgeberin unterbliebenen Leistungszusagen und Gewährungen nach dem LTI-Programm an mit dem Arbeitnehmer vergleichbare Arbeitnehmer stehen dem Vorhandensein einer allgemeinen Regel ebenfalls nicht entgegen. Zum einen ist eine willkürliche Schlechterstellung dieser Arbeitnehmergruppe im Verhältnis zu anderen Arbeitnehmern hierdurch nicht ausgeschlossen. Zum anderen ist die Behauptung der Arbeitgeberin unsubstantiiert, solange sie nicht darlegt, aufgrund welcher Kriterien der Arbeitnehmer mit den Arbeitnehmern ohne Leistungszusagen und Gewährungen nach dem LTI-Programm vergleichbar ist. Zudem hat die Arbeitgeberin nicht behauptet, alle mit dem Arbeitnehmer vergleichbaren Arbeitnehmer hätten keine Leistungen nach dem LTI-Programm erhalten.
Einem Anspruch des Arbeitnehmers aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz steht entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin auch nicht entgegen, dass nach den Regelungen des LTI-Programms individuelle Zusagen stets nur für ein Geschäftsjahr gewährt werden und es sich, wie auch in der Zusage für das Geschäftsjahr 2015 sowie in den Begleitschreiben zur Leistungsgewährung für die Geschäftsjahre 2015 und 2016 aufgenommen, bei den Ausschüttungen nach dem LTI-Programm um eine freiwillige Leistung handelt, auf die auch bei wiederholter Zahlung weder dem Grund noch der Höhe nach ein Rechtsanspruch begründet wird. Die Wirksamkeit der Freiwilligkeitsvorbehalte zugunsten der Arbeitgeberin unterstellt, wird eine Bindung an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz durch einen in den Vorjahren regelmäßig erklärten Freiwilligkeitsvorbehalt für das Jahr der Zahlung bzw. Leistung nicht ausgeschlossen5.
Auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann das Bundesarbeitsgericht unter Berücksichtigung des Gebots eines fairen Verfahrens nicht endentscheiden. Dies führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Arbeitsgericht hat dem Auskunftsantrag zwar stattgegeben, hierbei jedoch keine Ausführungen zur Darlegungslast vorgenommen, die beim arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten ist. Das Landesarbeitsgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, der Arbeitnehmer sei seiner Darlegungslast hinsichtlich der Benennung vergleichbarer Arbeitnehmer, die ihm gegenüber vorteilhaft behandelt wurden, nicht ausreichend nachgekommen. Mit Blick darauf gebietet es das Gebot eines fairen Verfahrens, der Arbeitgeberin im fortgesetzten Berufungsverfahren die Möglichkeit zu eröffnen, zur Zusammensetzung und Abgrenzung der begünstigten Gruppe substantiiert vorzutragen6. Sofern dies geschieht, ist dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einzuräumen, dazu Stellung zu nehmen.
Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht, bei dem die gesamte Stufenklage mit Auskunfts- und Leistungsantrag wieder anfällt, auf der Grundlage des zu erwartenden Vortrags der Parteien erneut zu prüfen haben, ob ein Anspruch des Arbeitnehmers aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hinreichend wahrscheinlich ist.
Sollte es der Arbeitgeberin gelingen, eine Gruppenbildung innerhalb der vom LTI-Programm nach dessen Präambel erfassten Führungskräfte nach bestimmten Kriterien und die Nichtzugehörigkeit des Arbeitnehmers zu der Gruppe, die Zusagen und Leistungsgewährungen nach dem LTI-Programm erhalten hat, darzulegen, obläge es diesem, vorzutragen, dass er die Voraussetzungen für Leistungszusagen und Gewährungen nach dem LTI-Programm erfüllt oder warum die Gründe für die Gruppenbildung sachfremd sind. Gelänge ihm dies, dürfte ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit der nach dem beiderseitigen Vortrag maßgeblichen Gruppe wahrscheinlich sein. Ein Auskunftsanspruch könnte Erfolg haben. Andernfalls wäre auf die Berufung der Arbeitgeberin das Teilurteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage als unbegründet abzuweisen, weil ein Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht in Betracht käme.
Sollte es der Arbeitgeberin nicht gelingen, eine Gruppenbildung innerhalb der vom LTI-Programm nach dessen Präambel erfassten Führungskräfte darzulegen, wäre davon auszugehen, dass die Leistungszusagen und die Gewährungen nach dem LTI-Programm in den streitgegenständlichen Geschäftsjahren ohne weitere Differenzierung bei den dieser Gruppe zugehörigen Personen vorgenommen wurden. Ein Anspruch des Arbeitnehmers aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz wäre wahrscheinlich, so dass die Arbeitgeberin die Auskunft zu den für die Ermittlung des Ausschüttungsbetrags aus dem LTI-Programm für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 maßgeblichen Bemessungsgrundlagen nach Abschn. A Nr. III Ziff. 2 der Regelungen zum LTI-Programm erteilen müsste.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. April 2023 – 10 AZR 137/22
- BAG 12.10.2022 – 5 AZR 135/22, Rn. 26; 22.01.2009 – 8 AZR 808/07, Rn. 37; 29.09.2004 – 5 AZR 43/04, zu II 3 a der Gründe; Staudinger/Richardi/Fischinger [2022] § 611a Rn. 1044; ErfK/Preis 23. Aufl. BGB § 611a Rn. 698[↩]
- BAG 12.10.2022 – 5 AZR 135/22 – aaO; 12.08.2014 – 3 AZR 764/12, Rn. 27; 15.01.2013 – 3 AZR 169/10, Rn. 30, BAGE 144, 160[↩]
- LAG Niedersachsen 9.11.2021 – 10 Sa 217/21 [↩]
- vgl. BAG 12.10.2022 – 5 AZR 135/22, Rn. 27; 7.05.2020 – 2 AZR 692/19, Rn. 70; 28.05.2014 – 7 AZR 276/12, Rn. 32[↩]
- BAG 6.12.1995 – 10 AZR 198/95, zu II 2 b der Gründe; ErfK/Preis 23. Aufl. BGB § 611a Rn. 687; vgl. zu freiwilligen Leistungen auch BAG 15.11.2011 – 9 AZR 387/10, Rn. 26 mwN[↩]
- vgl. BAG 30.11.2021 – 9 AZR 143/21, Rn. 35; siehe auch BAG 12.10.2022 – 5 AZR 135/22, Rn. 34 mwN; generell zum verfassungsrechtlichen Gebot eines fairen Verfahrens: BVerfG 17.01.2006 – 1 BvR 2558/05, Rn. 7 ff.; BAG 14.09.2020 – 5 AZB 23/20, Rn. 27, BAGE 172, 186[↩]