Arbeitsverhältnisse mit Haushaltsbefristung – und der Rechtsmissbrauch

Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird.

Arbeitsverhältnisse mit Haushaltsbefristung – und der Rechtsmissbrauch

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssen die Haushaltsmittel im Haushaltsplan mit einer konkreten Sachregelung auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Zwecksetzung für eine befristete Beschäftigung ausgebracht sein. Die für die Vergütung des befristet eingestellten Arbeitnehmers verfügbaren Haushaltsmittel müssen für eine Aufgabe von nur vorübergehender Dauer vorgesehen sein. Dabei müssen die Rechtsvorschriften, mit denen die Haushaltsmittel ausgebracht werden, selbst die inhaltlichen Anforderungen für die im Rahmen der befristeten Arbeitsverträge auszuübenden Tätigkeiten oder die Bedingungen, unter denen sie auszuführen sind, enthalten.

Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG liegen nicht vor, wenn Haushaltsmittel lediglich allgemein für die Beschäftigung von Arbeitnehmern im Rahmen von befristeten Arbeitsverhältnissen bereitgestellt werden.

Bei Vertragsschluss muss die Prognose gerechtfertigt sein, dass der befristet Beschäftigte überwiegend entsprechend der Zwecksetzung der bereitstehenden Haushaltsmittel eingesetzt wird1.

Dabei genügt es für die Feststellung, dass Haushaltsmittel für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, nicht, dass im Einzelplan vermerkt ist, dass „Stellen im Umfang von … zum 01.01.2015“ kw und „die restlichen Stellen … bei entsprechender wertgleicher Stellenumsetzung aus dem Epl. 05“ kw (d.h. künftig wegfallend) sind. Daraus ergibt sich nicht, dass die Stellen für eine befristete Beschäftigung ausgebracht sind. Der Umstand, dass eine bestimmte Anzahl von Stellen zu einem späteren Zeitpunkt wegfallen soll, besagt nichts darüber, ob diese Stellen bis dahin mit befristet oder unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern besetzt werden sollen. Ein Wegfall von Stellen kann auch durch Nichtbesetzung frei werdender Stellen, durch Ausspruch von Kündigungen oder durch einvernehmliche Beendigung von unbefristeten Arbeitsverhältnissen bewirkt werden2.

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Da § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG eine Zweckbestimmung in der haushaltsrechtlichen Vorschrift selbst erfordert, kann die notwendige Konkretisierung uch nicht davon abhängen, ob die Universität P für den Bereich Sozialwissenschaften unter anderem ab dem 1.01.2010 eine Stelle der Wertigkeit E13 angefordert hat und eine solche Stelle antragsgemäß zugewiesen wurde. Entscheidend ist, dass im Haushaltsplan eine Stelle dieser Wertigkeit für die Universität P mit der entsprechenden Zwecksetzung für eine befristete Beschäftigung ausgebracht ist.

Zudem kann § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG nicht ohne Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV unionsrechtskonform dahingehend ausgelegt werden, dass eine Befristung gerechtfertigt ist, wenn der Haushaltsplan auf einem förmlichen Gesetz beruht und die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zu den Voraussetzungen für eine Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG beachtet werden. Zu Unrecht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, das Bundesarbeitsgericht habe seine in der Entscheidung vom 27.10.20103 geäußerten Bedenken aufgegeben, dass die haushaltsrechtliche Befristung von Arbeitsverträgen nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG mit § 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG (Rahmenvereinbarung) unvereinbar sein könnte.

Mit dem Befristungsgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG wird für die Befristung von Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Sektor zusätzlich zu den im Gesetz vorgesehenen weiteren Sachgründen ein Rechtfertigungsgrund zugelassen, der für Arbeitsverhältnisse in der Privatwirtschaft nicht zur Verfügung steht. Das Bundesarbeitsgericht hatte daher den EuGH um Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV zur Klärung der Frage ersucht, ob der Umstand, dass öffentliche Arbeitgeber nach deutschem Recht keine Verpflichtungen eingehen dürfen, die haushaltsrechtlich nicht gedeckt sind, es nach § 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung sachlich rechtfertigt, für sie einen zusätzlichen Befristungstatbestand zu schaffen, auf den sich private Arbeitgeber nicht berufen können4. Einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs bedurfte es nicht mehr, nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten.

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Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht München5 die nachfolgenden Urteile des Bundesarbeitsgerichts dahin verstanden, dass § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG unionsrechtskonform ausgelegt werden könne und damit ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV nicht erforderlich sei. Dies ist nicht der Fall. Das Bundesarbeitsgericht konnte die Rechtsfrage, ob § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG mit § 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung im Einklang steht, in den weiteren Entscheidungen offenlassen, weil jeweils schon die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur haushaltsrechtlichen Befristung nicht erfüllt waren6. Ausdrücklich hat das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 15.12 20117 seine Zweifel wiederholt, ob die Auslegung und Anwendung von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG mit § 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung vereinbar ist. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergibt sich nichts anderes aus dem Urteil vom 09.03.20118, das eine Befristung von Arbeitsverträgen aus Haushaltsmitteln, die nicht durch ein förmliches Haushaltsgesetz zur Verfügung gestellt werden, zum Gegenstand hat. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass sich die Bundesagentur für Arbeit als rechtsfähige bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 367 Abs. 1 SGB III) und eigener Haushaltskompetenz nicht auf den Sachgrund der haushaltsrechtlichen Befristung berufen kann. Offengelassen hat das Bundesarbeitsgericht hingegen, ob die in der haushaltsrechtlichen Befristungsmöglichkeit liegende sektorale Privilegierung des öffentlichen Arbeitgebers deshalb mit § 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung vereinbar ist, weil die staatliche Haushaltswirtschaft (Art. 110 ff. GG) durch das Parlament legitimiert wird, das nach dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Gewaltenteilung die alleinige Definitionskompetenz für die wahrzunehmenden öffentlichen Aufgaben besitzt und die Durchsichtigkeit des Staatshandelns durch dieses Verfahren gewährleistet wird. Dazu hat das Bundesarbeitsgericht lediglich ausgeführt, dass sich die mit der Befristungsmöglichkeit des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG verbundene Ungleichbehandlung der bei einem öffentlichen Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer in dem durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten arbeitsvertraglichen Bestandsschutz gegenüber den in der Privatwirtschaft beschäftigten Arbeitnehmern „allenfalls“ durch das Demokratieprinzip (Art.20 Abs. 1 GG) sowie durch das Rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs. 3 GG) rechtfertigen ließe, wenn der Haushaltsplangeber demokratisch legitimiert ist9. Die Ausführungen sind jedoch nicht dahin zu verstehen, dass die unionsrechtlichen Bedenken an dem Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG ausgeräumt wären, wenn die Haushaltsmittel in einem förmlichen Haushaltsgesetz ausgebracht und die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze erfüllt sind.

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Die Rechtsfrage der Vereinbarkeit von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG mit Unionsrecht ist umstritten und durch den Gerichtshof der Europäischen Union nicht abschließend geklärt.

Der Generalanwalt hatte dem EuGH in seinen Schlussanträgen vom 15.09.2011 zu der – ohne Entscheidung des Gerichtshofs erledigten – Rechtssache Jansen10 vorgeschlagen, die damaligen Vorlagefragen ua. dahin zu beantworten, § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung sei so auszulegen, dass er in Bezug auf die Beurteilung des Vorliegens eines „sachlichen Grundes“ im Sinne der Rahmenvereinbarung einer Differenzierung zwischen dem öffentlichen Sektor und dem Privatsektor entgegensteht (Nr. 2) und damit eine nationale Bestimmung, wonach der Abschluss aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge aus haushaltsrechtlichen Gründen, die ausschließlich dem öffentlichen Sektor vorbehalten sind, nicht zulässig sei11. Diese Auffassung wird auch im Schrifttum teilweise vertreten12.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs lässt sich die Rechtsfrage, ob der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG den Anforderungen des § 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung genügt, weiterhin nicht abschließend beantworten. In der Entscheidung vom 21.09.201613 hat der Gerichtshof angenommen, ein Sachgrund zur Befristung eines Arbeitsvertrags könne nicht schon aus der Erwägung hergeleitet werden, dass der Staat als Arbeitgeber keinem finanziellen Risiko ausgesetzt werden dürfe. Selbst wenn Haushaltserwägungen den sozialpolitischen Entscheidungen eines Mitgliedstaats zugrunde lägen und die Art oder das Ausmaß der von ihm zu treffenden Maßnahmen beeinflussen könnten, stellten sie als solche kein mit dieser Politik verfolgtes Ziel dar und könnten daher nicht das Fehlen von Maßnahmen zur Vermeidung eines missbräuchlichen Rückgriffs auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge iSv. § 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung rechtfertigen14. Der EuGH hat damit angedeutet, dass es für die Annahme eines Sachgrunds nicht ausreicht, wenn die Befristung mittelbar in die freie Entscheidung des öffentlichen Arbeitgebers gestellt ist15. Ob dies bei dem Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG in der vom Bundesarbeitsgericht vorgenommenen Auslegung der Fall ist, wird durch diese Entscheidung nicht beantwortet.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Mai 2018 – 7 AZR 16/17

  1. vgl. BAG 16.01.2018 – 7 AZR 21/16, Rn. 24; 28.09.2016 – 7 AZR 549/14, Rn. 38; 11.09.2013 – 7 AZR 107/12, Rn. 31; 17.03.2010 – 7 AZR 843/08, Rn. 10; 2.09.2009 – 7 AZR 162/08, Rn. 13, BAGE 132, 45; 22.04.2009 – 7 AZR 743/07, Rn.19 f., BAGE 130, 313; grundlegend BAG 18.10.2006 – 7 AZR 419/05, Rn. 18 ff., BAGE 120, 42[]
  2. BAG 2.09.2009 – 7 AZR 162/08, Rn. 15, BAGE 132, 45[]
  3. 7 AZR 485/09 (A), Rn. 42, BAGE 136, 93[]
  4. BAG 27.10.2010 – 7 AZR 485/09 (A), Rn. 42, BAGE 136, 93[]
  5. LAG München, Urtiel vom 16.06.2016 – 2 Sa 1146/15[]
  6. vgl. BAG 16.01.2018 – 7 AZR 21/16, Rn. 24 f.; 28.09.2016 – 7 AZR 549/14, Rn. 41; 11.09.2013 – 7 AZR 107/12, Rn. 32; 15.12 2011 – 7 AZR 394/10, Rn. 37, BAGE 140, 191[]
  7. 7 AZR 394/10, Rn. 38, aaO[]
  8. 7 AZR 728/09, BAGE 137, 178[]
  9. BAG 9.03.2011 – 7 AZR 728/09, Rn. 28 f., aaO[]
  10. EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts vom 15.09.2011 – C-313/10 – [Jansen] Rn. 98[]
  11. Rn. 65, 67 ff.[]
  12. vgl. etwa APS/Greiner 5. Aufl. TzBfG § 14 Rn. 99; Staudinger/Preis [2016] § 620 BGB Rn. 149, 159; Däubler/Deinert/Zwanziger/Wroblewski BAGchR 10. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 140; aA Schaub ArbR-HdB/Koch 17. Aufl. § 40 Rn. 38a; Schlachter in Laux/Schlachter TzBfG 2. Aufl. § 14 Rn. 88; KR/Lipke 11. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 449; HaKo/Mestwerdt 6. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 159[]
  13. - C-614/15 – [Popescu] Rn. 62 f.[]
  14. EuGH 21.09.2016 – C-614/15 – [Popescu] Rn. 62 f.[]
  15. vgl. EUArbR/Krebber 2. Aufl. RL 1999/70/EG § 5 Rn. 25[]
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