Sind in einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel die in Bezug genommenen Tarifverträge nicht ausdrücklich benannt, ist aufgrund des typischerweise der Vereinbarung einer Bezugnahmeklausel zugrunde liegenden Vereinheitlichungsinteresses des Arbeitgebers als Verwender der vorformulierten Vertragsbestimmungen die Verweisung in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte dahingehend zu verstehen, dass die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge in Bezug genommen werden sollten.

Dies war in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall, da die Arbeitgeberin zum damaligen Zeitpunkt dem öffentlichen Dienst (Tarifgebiet Ost) zugehörig war, der BAT-O. Soweit nach der Vertragsklausel die für „den Angestellten“ jeweils geltenden Tarifverträge maßgebend sein sollen, ist dies lediglich als Abgrenzung zu den für die zum damaligen Zeitpunkt für die gewerblichen Arbeitnehmer geltenden abweichenden Tarifverträgen zu verstehen. Für das Verständnis als Bezugnahme auf den BAT-O spricht weiter der enge zeitliche Zusammenhang mit der vertraglichen Inbezugnahme des BAT-O in der Vereinbarung vom 01.04.1991.
Diese im vorliegenden Fall inhaltlich auf den BAT-O gerichtete Bezugnahmeklausel ist zeitdynamisch ausgestaltet. Zwar erscheint sie auf den ersten Blick unstimmig, da sie einerseits auf die „jeweils geltenden“ Tarifverträge, andererseits aber „in der z. Zeit geltenden Fassung“ verweist. Ein Widerspruch ist jedoch dann nicht zu sehen, wenn man die Klausel zwar zeitdynamisch, aber nicht inhaltsdynamisch versteht. Die Parteien wollten ersichtlich – wenngleich sprachlich missglückt – eine dynamische Verweisung vereinbaren, die sich auf Tarifverträge bezog, die zum damaligen Zeitpunkt einschlägig waren. Dies konnten sie durch eine – im öffentlichen Dienst nahezu ausschließlich verwandte – sog. kleine dynamische Bezugnahmeklausel erreichen, dh. die Verweisung auf den BAT-O in seiner jeweils geltenden Fassung.
Diesem Auslegungsergebnis entspricht schließlich auch die Vertragspraxis der Parteien. Diese kann jedenfalls dann zur Auslegung der Klausel herangezogen werden, wenn sie Rückschlüsse auf den zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehenden Erklärungswillen der Parteien zulässt1. Das ist hier der Fall. Die Rechtsvorgängerinnen der Arbeitgeberin haben den BAT-O bis zu seiner Ablösung durch den TVöD im Jahr 2005 tatsächlich auf das Arbeitsverhältnis der Parteien angewandt und auch alle Tariferhöhungen an die Arbeitnehmerin weitergegeben.
Die so verstandene Bezugnahmeklausel verweist nach gebotener ergänzender Auslegung nunmehr auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (TVöD/VKA).
Die Verweisungsklausel erfasst ihrem Wortlaut nach nur den BAT-O in seiner jeweils geltenden Fassung, nicht hingegen den diesen ersetzenden TVöD. Dieser ist keine jeweilige Fassung des BAT-O2. Die Vertragsregelung ist nach entsprechender Auslegung zeitdynamisch, nicht jedoch inhaltsdynamisch ausgestaltet. Ein Zusatz, auch die „ersetzenden“ Tarifverträge sollten Anwendung finden3, fehlt. Die unbedingte dynamische Bezugnahme führt deshalb ab dem 1.10.2005 zu einer nachträglichen Lücke der vertraglichen Vereinbarung, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung4 zu schließen ist.
Aus der zeitdynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme ergibt sich der Wille der damaligen Arbeitsvertragsparteien, die Arbeitsbedingungen nicht in einer bestimmten Weise festzuschreiben, sondern sie dynamisch an die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst der „Kreiskrankenhäuser“, also an die Bedingungen im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) anzupassen. Durch die weitestgehende Ersetzung des BAT-O für den Bereich der Kommunen zum 1.10.2005 durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13.09.2005 (§ 2 Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts [TVÜ-VKA] vom 13.09.2005) hat die dynamische Entwicklung des BAT-O und die zu seiner Ergänzung geschlossenen Tarifverträge ihr Ende gefunden. Die mit der Ersetzung des BAT-O entstandene nachträgliche Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Danach tritt an die Stelle der lückenhaften Klausel diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Geschäftsbedingung bekannt gewesen wäre. Das ist hier der TVöD/VKA. Entsprechend wurde das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin auch im Jahr 2005 übergeleitet und der TVöD bis zum Jahr 2010 weiterhin zur Anwendung gebracht.
Da die Parteien danach mit der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme auf das Tarifwerk des BAT-O in § 3 des Arbeitsvertrags vom 01. bzw. 10.07.1991 die Regelung der Arbeitsbedingungen für die Zukunft der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Bereich der VKA anvertraut haben, erfasst die Bezugnahmeklausel nicht die Haustarifverträge des (jeweiligen) privaten Arbeitgebers und damit auch nicht – wie von der Arbeitnehmerin geltend gemacht – die Tarifverträge des Sana-Konzerns. Diese sind – jedenfalls arbeitgeberseitig – nicht von den Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes abgeschlossen worden5.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Juli 2018 – 4 AZR 444/17
- BAG 16.06.2010 – 4 AZR 924/08, Rn. 18; 15.03.2006 – 4 AZR 132/05, Rn. 38 mwN[↩]
- vgl. nur BAG 18.04.2012 – 4 AZR 392/10, Rn. 15 mwN, BAGE 141, 150[↩]
- vgl. dazu zB BAG 10.06.2009 – 4 AZR 194/08, Rn. 38; 22.04.2009 – 4 ABR 14/08, Rn. 25 mwN, BAGE 130, 286[↩]
- ausf. zu den Voraussetzungen und Maßstäben BAG 6.07.2011 – 4 AZR 706/09, Rn. 27, 31 ff., BAGE 138, 269; 19.05.2010 – 4 AZR 796/08, Rn. 23, 31 ff., BAGE 134, 283[↩]
- vgl. auch BAG 16.05.2018 – 4 AZR 209/15, Rn.19; 26.08.2015 – 4 AZR 719/13, Rn. 15[↩]