Arbeitsvertragliche dynamische Bezugnahme auf einen Tarifvertrag – als Allgemeine Geschäftsbedingung

Haben die Parteien im Arbeitsvertrag vereinbart, dass auf das Arbeitsverhältnis ua. die jeweils für den Betrieb oder Betriebsteil geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung im Rahmen ihres Geltungsbereichs anzuwenden sind, so ist diese Bezugnahmeklausel, sofern es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, weder überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB noch verstößt sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Arbeitsvertragliche dynamische Bezugnahme auf einen Tarifvertrag – als Allgemeine Geschäftsbedingung

Die Bezugnahmeklausel ist keine überraschende Klausel iSv. § 305c Abs. 1 BGB und deshalb Vertragsbestandteil geworden. Dynamische Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge sind im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument so verbreitet, dass ihre Aufnahme in Formularverträge nicht iSd. § 305c Abs. 1 BGB überraschend ist1.

Die Bezugnahmeklausel verletzt nicht das Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Eine Verweisung auf Vorschriften eines anderen Regelungswerks führt für sich genommen nicht zur Intransparenz. Das Bestimmtheitsgebot als maßgebliche Ausprägung des Transparenzgebots verlangt lediglich, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender der Klausel keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen und der Gefahr vorgebeugt wird, dass der Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird2. Im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung müssen die geltenden, in Bezug genommenen Regelungen bestimmbar sein3.

Eine Regelung, die auf einen Tarifvertrag verweist, ist weder unverständlich noch unklar. Dies gilt auch dann, wenn die Verweisung dynamisch ausgestaltet ist. Bezugnahmeklauseln auf das jeweils gültige Tarifrecht entsprechen einer üblichen Regelungstechnik und dienen den Interessen beider Parteien. Dies ergibt sich aus der Zukunftsgerichtetheit des Arbeitsverhältnisses. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG genügt deshalb der bloße allgemeine Hinweis auf Tarifverträge4. Welche konkreten tariflichen Regelungen jeweils das Arbeitsverhältnis ausfüllen sollen, ist von den Arbeitnehmern durch Einsicht in die Tarifverträge feststellbar5.

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Die Bezugnahmeklausel ist auch nicht deshalb intransparent, weil der Arbeitsvertrag in § 1 Abs. 3, § 2 und § 3 auf einzelne Bestimmungen des MTV verweist. Dies steht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht im Widerspruch zu der umfassenden dynamischen Inbezugnahme des MTV in § 7 des Arbeitsvertrags. Bei der Erwähnung einzelner Tarifbestimmungen im Arbeitsvertrag handelt es sich nicht um konstitutive Verweisungen, sondern um deklaratorische Hinweise auf die einschlägigen Tarifbestimmungen, deren Geltung der Arbeitsvertrag aufgrund der umfassenden Bezugnahme voraussetzt. So bestimmt § 1 Abs. 3 des Arbeitsvertrags, dass das Versetzungsrecht nach § 4 MTV durch die Festlegung der Tätigkeit der Klägerin in § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrags nicht abbedungen ist. Dies setzt denknotwendig die Geltung von § 4 MTV voraus. § 2 des Arbeitsvertrags regelt bereits nach seinem Wortlaut nicht die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin nach dem VTV zu vergüten. Die Bestimmung, nach welcher sich die Höhe der Vergütung aus der Zuordnung der Tätigkeit zu Band 4 und der Positionierung innerhalb des Bandes gemäß § 5 VTV errechnet, ist vielmehr deklaratorisch und setzt ebenfalls die Geltung des VTV voraus. § 3 des Arbeitsvertrags enthält die erforderliche Einigung über den Umfang der Arbeitszeit. Das wird durch die Formulierungen „gemäß“ und „entspricht“ bestätigt. Mit den lediglich deklaratorischen Hinweisen auf einzelne tarifliche Vorschriften nimmt der Arbeitsvertrag diese entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht in konstitutiver Weise statisch in Bezug.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Juni 2017 – 7 AZR 390/15

  1. BAG 26.10.2016 – 7 AZR 140/15, Rn. 39; 24.09.2008 – 6 AZR 76/07, Rn.20 mwN, BAGE 128, 73[]
  2. vgl. BAG 24.09.2008 – 6 AZR 76/07, Rn. 30 mwN, BAGE 128, 73[]
  3. vgl. BAG 26.10.2016 – 7 AZR 140/15, Rn. 39; 18.03.2015 – 7 AZR 272/13, Rn. 39[]
  4. vgl. BAG 18.03.2015 – 7 AZR 272/13, Rn. 38; 24.09.2008 – 6 AZR 76/07, Rn. 31 mwN, BAGE 128, 73[]
  5. BAG 26.10.2016 – 7 AZR 140/15, Rn. 39[]