Eine dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens erfasst auch den vereinbart, die auch den „Tarifvertrag Tarifliches Zusatzgeld für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens“ (TV T-ZUG) erfasst.

Dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lag eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag zugrunde, die unter anderem folgende Regelungen enthielt:
4.
Alle sonstigen Vertragsbedingungen und Vertragsbestandteile (inklusive Betriebszugehörigkeitszeiten und Kündigungsfristen) des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrages bleiben unverändert bestehen.5.
Mit Ausnahme der Regelung zur Wochenarbeitszeit kommen alle Tarifverträge für die nordrhein-westfälische Metall- und Elektroindustrie, die mit der IG Metall abgeschlossen worden sind, weiterhin im Betrieb zur Anwendung. Auch zukünftige zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarte Entgelterhöhungen, werden unter Berücksichtigung der tariflichen Regelungen zum ERA ETV, in vollem Umfang an den Mitarbeiter weitergegeben.
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweiligen anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten1.
Nach diesen Grundsätzen haben die Parteien mit der Zusatzvereinbarung eine dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vereinbart, die auch den TV T-ZUG erfasst.
Dies ergibt sich für das Bundesarbeitsgericht allerdings nicht bereits aus Nr. 4 der Zusatzvereinbarung. Diese bezieht sich auf „alle sonstigen Vertragsbedingungen und Vertragsbestandteile“ und damit nur auf solche, für die in der Zusatzvereinbarung keine gesonderte Regelung getroffen worden ist. In Nr. 5 der Zusatzvereinbarung findet sich jedoch eine ausdrückliche Vereinbarung hinsichtlich der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträge. Aufgrund dessen kann entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin dahinstehen, ob und in welchem Umfang die Parteien bereits zuvor – ggf. durch eine mündliche Abrede – die Bezugnahme auf die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vereinbart hatten.
5 der Zusatzvereinbarung enthält eine dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens, die nur hinsichtlich der Wochenarbeitszeit eingeschränkt ist. Eine Begrenzung der Dynamik auf „Entgelterhöhungen“ oder, wie die Arbeitgeberin meint, „Tabellenentgelterhöhungen“, lässt sich der Regelung nicht entnehmen.
Nach Nr. 5 Satz 1 der Zusatzvereinbarung sollen alle Tarifverträge, die „mit der IG Metall abgeschlossen worden sind“, weiterhin im Betrieb zur Anwendung kommen. Dies würde einerseits ein Verständnis zulassen, nachdem nur in der Vergangenheit geschlossene Tarifverträge erfasst werden. Andererseits käme auch in Betracht, es sollten mit der Formulierung lediglich diejenigen Tarifvertragsparteien bezeichnet werden, deren derzeitige oder künftige Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sein sollen. Gegen die erstgenannte Annahme könnte sprechen, dass es an der Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung der in Bezug genommenen Tarifverträge fehlt. In einem solchen Fall ist regelmäßig anzunehmen, die Tarifverträge sollen in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung finden. Einer ausdrücklichen „Jeweiligkeits-Klausel“ bedarf es nicht2. Bei einem vergangenheitsbezogenen Verständnis bliebe zudem unklar, ob der Zeitpunkt der Arbeitszeiterhöhung, des Beginns der Erfolgsbeteiligung, des Abschlusses der Zusatzvereinbarung oder des Endes der Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin maßgebend sein soll.
Die Regelung in Nr. 5 Satz 2 der Zusatzvereinbarung steht der Annahme einer dynamischen Verweisung auf alle Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens in Satz 1 – anders als die Arbeitgeberin meint – nicht zwingend entgegen. Die Zusatzvereinbarung bezieht sich insoweit zwar ausdrücklich nur auf „Entgelterhöhungen“ „unter Berücksichtigung der tariflichen Regelungen zum ERA ETV“ (Tarifvertrag zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens vom 18.12.2003) und damit nicht auf alle Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens. Der dortige ausdrückliche Verweis auf „zukünftige“ Vereinbarungen deutet auch zunächst auf ein vergangenheitsbezogenes Verständnis von Satz 1 hin. Dies wird aber durch die Verwendung des Wortes „auch“ relativiert. „Auch“ kann sowohl ausdrücken, dass sich etwas in gleicher Weise verhält als auch, dass zusätzlich noch etwas der Fall ist3.
Demgegenüber spricht die in dem vor Abschluss der Zusatzvereinbarung an alle Arbeitnehmer versandten Informationsschreiben verwendete; vom späteren Vertragstext abweichende Formulierung entscheidend für eine dynamische Inbezugnahme aller Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens. Das Informationsschreiben ist, obwohl es nicht Bestandteil der Zusatzvereinbarung ist, bei deren Auslegung zu berücksichtigen. Es wurde allen Arbeitnehmern, die als Vertragspartner in Betracht kamen, im Nachgang zu der Betriebsversammlung ausgehändigt. Im Gegensatz zu konkret-individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB) können solche Umstände, die – wie vorliegend – typischerweise den Abschluss vergleichbarer Abreden begleiten, zur Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen herangezogen werden4.
5 der Zusatzvereinbarung und die entsprechenden Passagen des Informationsschreibens haben einen geringfügig unterschiedlichen Wortlaut. Während sich Nr. 5 Satz 1 der Zusatzvereinbarung im Informationsschreiben wörtlich wiederfindet, weicht Satz 2 vom Informationsschreiben ab. Statt „auch“ steht in letzterem „insbesondere“, zudem findet sich ein Hinweis auf Urlaub, Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung. „Insbesondere“ bedeutet „besonders, hauptsächlich, im Besonderen, in erster Linie, namentlich, speziell, vor allem, vor allen Dingen“5. Anders als „auch“ lässt „insbesondere“ nicht die Interpretation zu, zusätzlich zu einer (statischen) Anwendung der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens sollten nur die in Satz 2 genannten Tarifbestimmungen dynamisch in Bezug genommen sein. Vielmehr ist dies so zu verstehen, dass die Entgelterhöhungen, der Urlaub, das Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung als Teil der ohnehin dynamischen Bezugnahme besonders hervorgehoben werden sollen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass mit der Verwendung unterschiedlicher Worte keine inhaltliche Änderung beabsichtigt gewesen wäre und die Zusatzvereinbarung daher genauso zu verstehen ist wie das Informationsschreiben, dem sie beigefügt war.
Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin ist auch unter Berücksichtigung des von den Vertragsparteien verfolgten Regelungszwecks und der der jeweiligen anderen Seite erkennbaren Interessenlage die Regelung in Nr. 5 Satz 1 der Zusatzvereinbarung als – mit Ausnahme der Arbeitszeit – dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens zu verstehen.
Anlass für den Wechsel der Arbeitgeberin in die OT-Mitgliedschaft und das Angebot zum Abschluss der Zusatzvereinbarung war ihr Wunsch, die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich um 3, 5 Stunden pro Woche zu erhöhen. Die Arbeitszeiterhöhung, nicht die statische Fortgeltung war Zweck der durch die Arbeitgeberin ergriffenen Maßnahmen, wie sich auch aus dem in der Mitarbeiterinformation dargestellten Konzept ergibt. Die Arbeitgeberin wollte durch Abschluss der Zusatzvereinbarungen erreichen, was ihr in Verhandlungen mit der IG Metall zuvor nicht gelungen war. Genau diesem Ziel entspricht das Verständnis, die Zusatzvereinbarung enthalte eine lediglich in Bezug auf die Arbeitszeit eingeschränkte dynamische Bezugnahmeklausel. Dementsprechend konnten die Arbeitnehmer davon ausgehen, es solle sich durch die Zusatzvereinbarung mit Ausnahme der Arbeitszeit an ihren zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung bestehenden Arbeitsbedingungen nichts ändern.
Eine Kenntnis der Arbeitnehmer vom bevorstehenden Wechsel in die OT-Mitgliedschaft führt – anders als die Revision meint, zu keinem anderen Ergebnis. Dieser führte nicht ohne weiteres für alle Arbeitsverhältnisse zu einer zukünftig lediglich statischen Anwendbarkeit der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens. Der Wechsel hatte zwar auf kollektiv-rechtlicher Ebene den Wegfall der Tarifgebundenheit gemäß § 3 Abs. 1 TVG für in der Zukunft geschlossene Tarifverträge und nach § 3 Abs. 3 TVG die Nachbindung an die zum Zeitpunkt des Wechsels bestehenden Tarifverträge zur Folge6. Auswirkungen für etwaige individualvertragliche Vereinbarungen zur Anwendung von Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens hingen aber davon ab, ob eine zeitdynamische Bezugnahmeklausel vereinbart oder ob die Abrede so gefasst war, dass die Dynamik mit dem Ende der Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin entfallen sollte („Gleichstellungsabrede“)7. Dies wäre in jedem Einzelfall zu prüfen gewesen. Die Arbeitgeberin wollte jedoch – wie sich aus der Mitarbeiterinformation ergibt – allen Arbeitnehmern ohne Berücksichtigung der jeweiligen individuellen vertraglichen Situation identische Vertragsangebote unterbreiten. Deshalb konnten diese davon ausgehen, außer der Arbeitszeit sollten die tarifvertraglichen Regelungen wie zuvor auch, mithin dynamisch zur Anwendung gelangen. Aufgrund dessen kann dahinstehen, ob – wie die Arbeitgeberin meint – den Arbeitnehmern als durchschnittlichen, nicht rechtskundigen Vertragspartnern8 die Rechtsfolgen des Wechsels in eine OT-Mitgliedschaft auf kollektiv- und/oder individualrechtlicher Ebene bekannt waren.
Der spätere Abschluss der Betriebsvereinbarung im März 2011 gebietet keine andere Auslegung der Zusatzvereinbarung. Das Verhalten von Vertragsparteien nach Abschluss der Vereinbarung kann zwar als Indiz für die Ermittlung von deren tatsächlichem Willen und Verständnis bei Vertragsschluss bedeutsam sein9. Der Arbeitnehmer war aber, ebenso wie die anderen Arbeitnehmer, am Abschluss der Betriebsvereinbarung nicht unmittelbar beteiligt, so dass sich dieser kein übereinstimmendes Verständnis der Parteien im Hinblick auf eine rein statische Bezugnahme durch die Zusatzvereinbarung entnehmen lässt.
Danach bleibt für die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB10 kein Raum. Die Arbeitgeberin als Verwenderin der Klauseln könnte sich ohnehin nicht darauf berufen11.
Weiterhin kann dahinstehen, ob die in der Zusatzvereinbarung getroffenen Regelungen intransparent iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sein könnten. Der Arbeitnehmer macht – soweit er seinen Anspruch zutreffend aus Nr. 5 der Zusatzvereinbarung herleitet – gerade die Wirksamkeit der Regelung geltend. Eine Berufung der Arbeitgeberin darauf, dass die von ihr selbst gestellten Klauseln unter dem Blickwinkel der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB eine dem Arbeitnehmer günstige Tarifbestimmung ausschließen würde, scheidet nach allgemeinen Grundsätzen aus12.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. April 2022 – 4 AZR 289/21
- st. Rspr., zuletzt zB BAG 2.06.2021 – 4 AZR 387/20, Rn. 14; 17.12.2020 – 8 AZR 149/20, Rn. 33, BAGE 173, 269[↩]
- vgl. BAG 30.08.2017 – 4 AZR 443/15, Rn.20, BAGE 160, 106; 12.06.2013 – 4 AZR 970/11, Rn. 15, BAGE 145, 237[↩]
- vgl. Duden Das Bedeutungswörterbuch 5. Aufl. Stichwort „auch“[↩]
- BAG 20.06.2017 – 3 AZR 179/16, Rn. 33; 15.02.2017 – 7 AZR 291/15, Rn. 15[↩]
- Duden Das Synonymwörterbuch 7. Aufl. Stichwort „insbesondere“[↩]
- vgl. hierzu BAG 25.02.2009 – 4 AZR 986/07, Rn. 26 ff.[↩]
- vgl. hierzu und zum bestehenden Vertrauensschutz für bis zum 31.12.2001 vereinbarte Bezugnahmeklauseln ausf. BAG 18.04.2007 – 4 AZR 652/05, Rn. 26 ff., BAGE 122, 74[↩]
- vgl. zu diesem Maßstab BAG 21.06.2018 – 6 AZR 38/17, Rn. 31; 23.03.2017 – 6 AZR 705/15, Rn. 14, BAGE 158, 349[↩]
- BAG 19.11.2019 – 7 AZR 582/17, Rn. 30 mwN; 24.08.2016 – 5 AZR 129/16, Rn. 27, BAGE 156, 157[↩]
- vgl. hierzu BAG 12.06.2019 – 7 AZR 428/17, Rn. 17[↩]
- vgl. BAG 24.11.2004 – 10 AZR 202/04, zu II 1 b der Gründe, BAGE 113, 29[↩]
- ausf. hierzu BAG 28.04.2021 – 4 AZR 229/20, Rn. 40[↩]