Die Auslegung des Arbeitsvertrags durch das Berufungsgericht befasst sich zunächst gründlich und überzeugend mit der Frage, ob dort eine dynamische Anwendung von Tarifverträgen vereinbart worden ist. Es kommt im Ergebnis zutreffend zu dem Schluss, dass der Arbeitsvertrag der Arbeitnehmerin hinsichtlich der Höhe des vereinbarten monatlichen Arbeitsentgelts zeitdynamisch auf einen nach seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich für die Arbeitnehmerin einschlägigen, die Höhe des monatlichen Entgelts regelnden Tarifvertrag Bezug nimmt.

Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag handelt es sich um einen Formularvertrag, dessen Auslegung durch das Landesarbeitsgericht vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden kann1.
Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Wortlaut der im Arbeitsvertrag getroffenen Vergütungsvereinbarung war für die Arbeitnehmerin bei einer „Tarifliche[n] Einstufung: G1, 5. BJ“ als „Vergütung“ ein „Tarifentgelt“ iHv.02.561, 30 DM vorgesehen.
Das Bundesarbeitsgericht hat – im Anschluss an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.02.20132 – hinsichtlich vergleichbarer Formulierungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entschieden, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer bei einer derartigen Verknüpfung von einem festen Entgeltbetrag und dessen Bezeichnung als Tarifgehalt idR redlicherweise davon ausgehen darf, der in der Klausel festgehaltene Betrag werde nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern solle sich entsprechend den tariflichen Entwicklungen des maßgebenden Tarifvertrags verändern. Ein redlicher Arbeitgeber würde – wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte – die Bezeichnung als Tarifentgelt unterlassen, um klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), dass er nicht „nach Tarif“ zahlen will, sondern sich das vereinbarte Entgelt ausschließlich nach den konkret bezifferten Parteivereinbarungen richten soll3.
Der Wille der Arbeitgeberin zur dynamischen Inbezugnahme von tariflichen Entgeltregelungen folgt nach der zutreffenden Ansicht des Landesarbeitsgerichts ferner aus Ziff. 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen. Die dortige Anrechnungsregelung – „Freiwillige übertarifliche Zulagen sonstiger Art können bei Änderung der Tarifbezüge, gleich aus welchem Anlass auf die tariflichen Erhöhungen angerechnet werden“ – darf ein durchschnittlicher Arbeitnehmer so verstehen, dass die Arbeitgeberin sich auch unabhängig von der – ohnehin vor Vertragsschluss beendeten – Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrags zur Zahlung des jeweiligen Tarifentgelts verpflichten wollte. Zwar hat der Anrechnungsvorbehalt nicht ausschließlich bei einer dynamischen Inbezugnahme der tariflichen Entgeltbestimmungen einen Anwendungsbereich4, sondern auch dann, wenn künftig Tarifvertragsänderungen für allgemeinverbindlich erklärt werden. Allerdings hat die Arbeitgeberin den Anrechnungsvorbehalt nicht auf diese Fallkonstellation beschränkt. Zudem hat sie durch den Zusatz „gleich aus welchem Anlass“ zum Ausdruck gebracht, dass Anlass für eine Erhöhung des tariflichen Entgelts der Arbeitnehmerin nicht ausschließlich ein künftiger für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag, sondern jede künftige tarifliche Entgeltsteigerung sein kann. Die Klausel setzt daher eine Änderung des Entgelts in der Folge einer tariflichen Dynamik voraus und erfasst gerade nicht die erstmalige Anwendbarkeit oder Geltung eines Tarifvertrags.
Das Landesarbeitsgericht hat es aber versäumt, festzustellen, an welche (Entgelt-)Tarifverträge welcher Tarifvertragsparteien diese arbeitsvertragliche Anbindung erfolgt ist. Ohne eine – Zweifel ausschließende – Identität des oder der Tarifvertrags/Tarifverträge zu benennen, an die die Arbeitsvertragsparteien den Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses (hier: die Vergütung) dynamisch ankoppeln wollten, und ohne die nach Beendigung des hiervon ursprünglich erfassten Tarifvertrags als gleichfalls von der Verweisungsklausel erfassten „Folgetarifverträge“ zu benennen, ist eine Bestimmung des zu einem Jahre später nach dieser vertraglichen Verweisungsklausel maßgebenden Tarifvertrags nicht möglich. Das Landesarbeitsgericht hat sich darauf beschränkt, die Dynamik der Verweisungsklausel zu begründen; auf welchen Tarifvertrag sie sich aus welchen Gründen 12 Jahre später beziehen sollte, auf welche Anspruchsgrundlage sich also die Arbeitnehmerin berufen kann, und inwieweit die dort – mutmaßlich – genannten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, hat das Landesarbeitsgericht nicht angesprochen.
Soweit das Landesarbeitsgericht Köln5 in diesem Zusammenhang ausführt, die Arbeitgeberin habe zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses „den Gehaltstarifvertrag für Arbeitnehmer im Einzelhandel NRW“ angewandt, ist bereits dieser nicht präzise bezeichnet. Ein Rückgriff auf die vorherigen allgemeinverbindlichen Entgelttarifverträge ist schon deshalb nicht möglich, weil deren Allgemeinverbindlichkeit und damit die – unabhängig von einer vertraglichen Vereinbarung bestehende – normative Wirkung bereits seit dem 31.03.2000, mithin vor Abschluss des Arbeitsvertrags beendet war. Sie wurde danach auch nicht ersetzt oder erneuert. Angesichts dessen hätte es für die Bestimmung der Rechtsfolge aus einer später vereinbarten Verweisungsklausel einer präzisen Auslegung bedurft, welcher (Lohn- oder Gehalts-)Tarifvertrag danach zur Anwendung kommen sollte.
Das Landesarbeitsgericht Köln5 wendet im Ergebnis dann einen nicht näher bezeichneten Lohn- oder Gehaltstarifvertrag an, von dessen Erfassung durch die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel es offenbar ausgeht. Auch dies hätte einer Begründung bedurft, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die früher allgemeinverbindlichen Lohn- bzw. Gehaltstarifverträge auf Arbeitgeberseite von dem „Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen e.V.“ die letzten, dem Revisionsgericht vorliegenden Lohn- bzw. Gehaltstarifverträge jedoch vom „Handelsverband Nordrhein-Westfalen e. V.“ geschlossen wurden. In der dazwischen liegenden Zeit haben auch andere Verbände mit den Gewerkschaften Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) und Handel, Banken und Versicherungen (HBV) bzw. der Gewerkschaft ver.di Gehalts- und Lohntarifverträge abgeschlossen. Aber auch die bereits oben genannte „DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V.“ ist insoweit tätig geworden, zum Beispiel durch den Abschluss eines Lohntarifvertrags vom 10.12 2013, eines Manteltarifvertrags oder schon im Jahre 2003 durch den Abschluss eines Lohntarifvertrags mit der „Landesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen e.V.“ Auf weitere Unklarheiten ist bereits hingewiesen worden.
Auf die Tatsache, dass zum persönlichen Geltungsbereich des vom Landesarbeitsgericht Köln5 „angewandten“ Tarifvertrags sowie zur Tätigkeit der Arbeitnehmerin und damit zu der Erfüllung der Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der von ihr geltend gemachten Gehaltsgruppe keinerlei Ausführungen im Berufungsurteil gemacht worden sind, kommt es danach nicht mehr an.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Januar 2017 – 4 AZR 518/15
- st. Rspr., vgl. nur BAG 19.05.2010 – 4 AZR 796/08, Rn. 15 mwN, BAGE 134, 283[↩]
- BAG 13.02.2013 – 5 AZR 2/12[↩]
- vgl. nur BAG 8.07.2015 – 4 AZR 51/14, Rn. 16; 13.05.2015 – 4 AZR 244/14, Rn. 17 ff.[↩]
- anders aber bei nicht allgemeinverbindlichen Tarifverträgen BAG 8.07.2015 – 4 AZR 51/14, Rn. 17; 13.05.2015 – 4 AZR 244/14, Rn. 18; 20.04.2012 – 9 AZR 504/10, Rn. 29[↩]
- LAG Köln, Urteil vom 13.07.2015 – 2 Sa 436/15[↩][↩][↩]