Die dem Arbeitnehmer in einem gerichtlichen Vergleich eingeräumte Möglichkeit, aus dem Arbeitsverhältnis vor dessen vereinbarter Beendigung durch einseitige schriftliche Erklärung auszuscheiden, ist keine Kündigung im Sinne von § 623 BGB und bedarf daher nicht der gesetzlichen Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB.

Die gewillkürte Schriftform einer solchen „schriftlichen Erklärung“ kann mithin nach § 127 Abs. 2 BGB auch durch ein Telefax gewahrt werden.
§ 623 BGB findet auf die Erklärung der Arbeitnehmerin in Ausübung ihres Optionsrechtes aus dem gerichtlichen Vergleich keine Anwendung. Bei dieser einseitigen Erklärung der Arbeitnehmerin handelt es sich nicht um eine Kündigung im Sinne von § 623 BGB, sondern um die Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechtes zur Umgestaltung der vertraglichen Vereinbarungen aus dem Abwicklungsvertrag, den der arbeitsgerichtliche Vergleich der Sache nach darstellt. Allerdings kann der bloße Umstand, dass die Parteien des Arbeitsvertrages der Arbeitnehmerin die Möglichkeit eingeräumt haben, durch eine schriftliche Erklärung, welche gegenüber der Arbeitgeberin „anzuzeigen ist „, nicht auf die gesetzliche Schriftform verzichten können, weil diese nicht zur Disposition der Parteien steht. Auch wenn die Arbeitnehmerin nur eine „Anzeigepflicht“ hat, ändert das nichts daran, dass die gesetzliche Schriftform dann zu beachten ist, wenn diese Art von Erklärung vom Tatbestand des § 623 BGB erfasst wird.
Auf der anderen Seite haben die Parteien in ihrem Vergleich nicht vereinbart, dass die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis unter einer abgekürzten Kündigungsfrist kündigen kann. Angesichts des Umstandes, dass an dem Zu-Stande-Kommen des Vergleiches das Arbeitsgericht sowie zwei Rechtsanwälte mitgewirkt haben, kann davon ausgegangen werden, dass dann, wenn man der Arbeitnehmerin nur die Möglichkeit einer Kündigung mit verkürzter Kündigungsfrist hätte einräumen wollen, das auch entsprechend formuliert worden wäre. Vielmehr zeigt der Umstand, dass die Parteien in dem Vergleich von „einem Recht zum vorzeitigen Ausscheiden“ sprechen, das die Arbeitnehmerin mit einer „Ankündigungsfrist“ gegenüber der Arbeitgeberin „anzuzeigen hat“, dass hier nicht nur eine modifizierte Kündigungsmöglichkeit für die Arbeitnehmerin geschaffen werden sollte, sondern ein eigenes Recht zur vorzeitigen Lossagung vom Arbeitsverhältnis unter gleichzeitiger Erhöhung der Abfindung.
Der Sache nach ist in dieser Bestimmung des Vergleiches der Arbeitnehmerin das einseitige Recht zur Abänderung der Vereinbarungen des Vergleiches bezüglich des Beendigungszeitpunktes und der Höhe der Abfindung eingeräumt worden.
Auf dieses Gestaltungsrecht der Arbeitnehmerin findet § 623 BGB keine Anwendung. Vielmehr gilt diese Vorschrift nur für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag. Die Gestaltungsmöglichkeit der Arbeitnehmerin stellt weder das eine noch das andere dar. Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die darauf abzielt, durch Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechtes das Arbeitsverhältnis zu beenden. Darum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht, denn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben die Parteien durch den gerichtlichen Vergleich, der der Sache nach entweder ein Aufhebungsvertrag oder ein Abwicklungsvertrag ist, bereits formwirksam vereinbart. Vielmehr geht es nur darum, dass die Arbeitnehmerin die bereits vereinbarten Modalitäten ihres Ausscheidens durch eine einseitige Erklärung abändern kann. Ihre Erklärung zielt daher nicht darauf ab, das bestehende Arbeitsverhältnis zu beenden, sondern die bereits getroffene Beendigungsvereinbarung zu modifizieren. Dies ist formfrei möglich, jedenfalls gilt hierfür nicht § 623 BGB, sondern es ist lediglich die von den Parteien vereinbarte gewillkürte Schriftform zu beachten, welche eingehalten ist.
Das ist auch mit dem Zweck von § 623 BGB zu vereinbaren. Die Vorschrift dient zum einen der Beweisfunktion, in dem sie Unklarheiten darüber verhindern soll, ob überhaupt das Arbeitsverhältnis gekündigt worden ist und zum anderen hat sie eine Wahlfunktion für denjenigen, der eine Kündigung ausspricht ErfK/Müller-Glöge, § 623 BGB, Rn 1)). Beiden Zwecken ist hier Rechnung getragen. Dadurch, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in dem gerichtlichen Vergleich geregelt ist, ist der Warnfunktion für beide Parteien Genüge getan. Sie wissen, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist. Ebenso wenig kann, nachdem dies in einem gerichtlichen Vergleich vereinbart ist, Streit über die Beendigung an sich entstehen.
Der vorliegende Sachverhalt ist auch nicht dem des § 12 Abs. 1 LSGchG vergleichbar. Hier wird angenommen, dass für die Lossagungserklärung des Arbeitnehmers die Schriftform des § 623 einzuhalten ist1. Dies ist deshalb berechtigt, weil durch die Lossagungserklärung ein ungekündigt bestehendes Arbeitsverhältnis beendet wird, während im vorliegenden Fall die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung und der Eintritt ihrer Wirkung durch den gerichtlichen Vergleich bereits feststehen.
Im Übrigen würde selbst dann, wenn man für die Erklärung der Arbeitnehmerin nach § 623 BGB die Einhaltung des gesetzlichen Schriftformerfordernisses verlangen würde, dieses gewahrt sein. Die Schriftform für das Recht der Arbeitnehmerin, durch einseitige Erklärung vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden ist dadurch gewahrt, dass dieses Recht schriftlich im Sinne der §§ 623 BGB, 126 BGB in dem gerichtlichen Vergleich vereinbart worden ist. Der gerichtliche Vergleich, in dem dieses Recht der Arbeitnehmerin vereinbart ist, war nach § 127a BGB die gesetzliche Schriftform. Insoweit weist die Arbeitnehmerin zu Recht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs2 hin, dessen Gedanke, dass dem Schutzzweck einer Formvorschrift genügt ist, wenn die Vereinbarung der Option der Schriftform genügte, hier sinngemäß anzuwenden ist.
Die Situation ist weiterhin mit der Unterzeichnung einer Blankoabrede vergleichbar, in der der eigentliche Vertragsinhalt zunächst nicht von der Unterschrift gedeckt wird, weil diese erst später von einer Partei (abredegemäß) ausgefüllt wird. Die Blankoabrede wahrt die gesetzliche Schriftform3. Dem ist die vorliegende Situation vergleichbar. Der Arbeitnehmerin wurde durch die Einräumung des Optionsrechtes anheimgestellt, den Inhalt des Vergleiches/Abwicklungsvertrages nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Zwar wurden ihr dafür keine Vorgaben gemacht, das betrifft allerdings nicht die Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmerin, sondern allenfalls die der Arbeitgeberin, die sich durch die Einräumung des Optionsrechtes im Rahmen der Vereinbarungen des § 4 des Vergleiches dem Willen der Arbeitnehmerin unterworfen hat.
Aus den genannten Gründen war also die per Telefax übermittelte Erklärung der Arbeitnehmerin formwirksam, weil sie lediglich die gewillkürte Schriftform zu wahren hatte. Die (erneute) Einhaltung der gesetzlichen Schriftform war nicht erforderlich.
Landesarbeitsgericht Baden -Württemberg, Urteil vom 20. August 2014 – 9 Sa 40/14