Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung1 nicht annimmt.

In welchem zeitlichen Umfang dabei der Arbeitgeber in Annahmeverzug geraten kann, richtet sich nach der arbeitsvertraglich vereinbarten oder – falls diese regelmäßig überschritten wird – nach der tatsächlich praktizierten Arbeitszeit2. Denn die für das Arbeitsverhältnis maßgebliche Arbeitszeit bestimmt den zeitlichen Umfang, in welchem der Arbeitnehmer berechtigt ist, Arbeitsleistung zu erbringen und der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Arbeitsleistung anzunehmen.
Ob sich der zeitliche Umfang, in dem der Arbeitgeber in Annahmeverzug geraten konnte, nach § 3 Arbeitsvertrag als eigenständiger arbeitsvertraglicher Regelung3 der Arbeitszeit oder den in Bezug genommenen tariflichen Regelungen richtet, braucht das Bundesarbeitsgericht nicht zu entscheiden. Nach beiden beträgt die regelmäßige wöchentliche Mindestarbeitszeit nicht mehr als 35 Stunden.
Der Arbeitgeber gerät jedenfalls in Annahmeverzug, wenn er die – angebotene – Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht im Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Mindestarbeitszeit (hier: von 35 Wochenstunden) annimmt.
Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass jeder Arbeitnehmer von Montag bis Freitag beschäftigt werden müsse. Soweit die Verteilung der Arbeitszeit arbeitsvertraglich nicht geregelt und auch kollektivrechtlich und gesetzlich nicht beschränkt ist, legt der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit durch Weisung kraft seines Direktionsrechts aus § 106 Satz 1 GewO fest4.
Die Vereinbarung einer unterschiedlichen Dauer der Arbeitszeit während verleihfreier Zeiten und für die Dauer einer Überlassung begegnet – jedenfalls bei einer Regelung wie der im Streitfall – keinen Bedenken. Sie entspricht § 10 Abs. 4 AÜG.
Die Dauer der Arbeitszeit ist ein in Art. 3 Abs. 1 Buchst. f, i der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Leiharbeit (fortan: Richtlinie) genannter Regelungsgegenstand und damit eine wesentliche, dem Gebot der Gleichbehandlung unterliegende Arbeitsbedingung iSv. § 10 Abs. 4 AÜG. Für die Dauer einer Überlassung hat deshalb der Leiharbeitnehmer aus § 10 Abs. 4 AÜG Anspruch darauf, in einem dem vergleichbarer Stammarbeitnehmer entsprechenden zeitlichen Umfang beschäftigt zu werden. Damit kann die Dauer der Arbeitszeit je nach Entleiher unterschiedlich und nicht im Voraus starr fixierbar sein. Für verleihfreie Zeiten dagegen schränken weder § 10 Abs. 4 AÜG noch die Richtlinie hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit die Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien ein.
Bedenklich wird die Aufspaltung der Dauer der Arbeitszeit für Überlassungen und überlassungsfreie Zeiten erst dann, wenn eine solche Vertragsgestaltung dazu dient, die Unabdingbarkeit des Anspruchs auf Vergütung bei Annahmeverzug nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG dadurch zu unterlaufen, dass für verleihfreie Zeiten eine ungewöhnlich kurze Arbeitszeit vereinbart wird5. Davon kann im Streitfall aber nicht die Rede sein. Die vereinbarte Mindestarbeitszeit von 35 Wochenstunden entspricht einer vielfach erhobenen (und durchgesetzten) Forderung von DGB-Gewerkschaften.
Weder die arbeitsvertragliche noch die in Bezug genommene tarifliche Arbeitszeitregelung sind deshalb unwirksam, weil sie zugleich Einrichtung und Führung eines Arbeitszeitkontos zum Ausgleich der monatlichen Abweichungen zwischen der vereinbarten individuellen regelmäßigen Arbeitszeit des Arbeitnehmers und der tatsächlichen Arbeitszeit vorsehen.
Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass Arbeit nicht mit bezahlter Freizeit entgolten werden dürfte und stets in der Abrechnungsperiode, in der sie geleistet wurde, zu vergüten wäre. Sowohl den Arbeitsvertrags, als auch den Tarifvertragsparteien bleibt es unbenommen, über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeitsstunden auf einem Arbeitszeitkonto anzusammeln und in der Folgezeit durch bezahlte Freizeit auszugleichen. Das kommt dem Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers ebenso wie einem verbreiteten Bedürfnis von Arbeitnehmern entgegen.
Das Arbeitszeitkonto im Leihverhältnis darf allerdings nicht dazu eingesetzt werden, § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG zu umgehen und das vom Verleiher zu tragende Beschäftigungsrisiko auf den Leiharbeitnehmer abzuwälzen. Regelungen, die es dem Verleiher ermöglichen, in verleihfreien Zeiten einseitig das Arbeitszeitkonto abzubauen, sind unwirksam6.
Inwieweit danach die arbeitsvertraglichen bzw. in Bezug genommenen tariflichen Regelungen zum Arbeitszeitkonto Bestand haben, braucht das Bundesarbeitsgericht nicht zu entscheiden. Sind die Regelungen zum Arbeitszeitkonto in § 3 Arbeitsvertrag teilweise oder insgesamt unwirksam, bleibt davon die Regelung der Dauer der Arbeitszeit unberührt. Die Klausel ist im Sinne des sog. blue-pencil-Tests7 teilbar. Fallen die Vereinbarungen zum Arbeitszeitkonto weg, verbleibt es bei den inhaltlich teilbaren und in sich verständlichen Regelungen zur Dauer der Arbeitszeit mit der Folge, dass über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Mehrarbeit stets zu vergüten ist.
Selbst wenn die entsprechende Bestimmung des Arbeitsvertrags insgesamt unwirksam wäre und auch die in Bezug genommenen tariflichen Arbeitszeitregelungen nicht greifen würden, könnte das der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. In diesem Falle hätten die Parteien überhaupt keine bestimmte Dauer der Arbeitszeit vereinbart, so dass der Arbeitnehmer nur über § 10 Abs. 4 AÜG (Dauer der Arbeitszeit vergleichbarer Stammarbeitnehmer) oder eine in der Leiharbeitsbranche „übliche“ Arbeitszeit zu einem 35 Wochenstunden übersteigenden zeitlichen Rahmen für den Annahmeverzug kommen könnte.
Die Auffassung, einem Arbeitszeitkonto im Leiharbeitsverhältnis stünde § 12 Abs. 1 TzBfG entgegen, ist nicht entscheidungserheblich und zudem unzutreffend. Unabhängig davon, ob im Streitfall überhaupt ein Abrufarbeitsverhältnis vorliegt, haben die Parteien in § 3 Arbeitsvertrag eine bestimmte Mindestdauer der wöchentlichen Arbeitszeit und für Überlassungszeiten eine bestimmte Dauer der täglichen Arbeitszeit – nämlich die im Betrieb des Entleihers geltende – vereinbart (§ 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG). Für verleihfreie Zeiten ist die Vereinbarung einer bestimmten Dauer der täglichen Arbeitszeit jedenfalls dann überflüssig, wenn der Verleiher den Leiharbeitnehmer mit der vereinbarten Tätigkeit nicht im eigenen Betrieb einsetzen kann. Zudem führt eine fehlende Vereinbarung zur Dauer der täglichen Arbeitszeit lediglich dazu, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen hat, § 12 Abs. 1 Satz 4 TzBfG. Dass das nicht der Fall gewesen wäre, hat der Arbeitnehmer nicht behauptet. Einen Anspruch, an jedem Tag von Montag bis Freitag abgerufen zu werden, begründet § 12 Abs. 1 TzBfG nicht.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. April 2014 – 5 AZR 483/12
- vgl. BAG 15.05.2013 – 5 AZR 130/12, Rn. 22 mwN[↩]
- vgl. BAG 21.11.2001 – 5 AZR 296/00, BAGE 100, 25[↩]
- vgl. BAG 25.09.2013 – 5 AZR 778/12, Rn. 14; 23.10.2013 – 5 AZR 556/12, Rn. 14[↩]
- BAG 15.09.2009 – 9 AZR 757/08, Rn. 33, BAGE 132, 88; Schaub/Linck ArbR-HdB 15. Aufl. § 45 Rn. 42; ErfK/Preis 14. Aufl. § 611 BGB Rn. 656[↩]
- ähnlich – allerdings im Zusammenhang mit Arbeitszeitkonten – Thüsing/Pötters BB 2012, 317, 320[↩]
- wie hier: Ulber/Ulber AÜG – Basis 2. Aufl. § 11 Rn. 67f.; Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst AÜG 2. Aufl. § 11 Rn. 45; weiter – für tarifliche Systeme – Schüren in Schüren/Hamann AÜG 4. Aufl. § 11 Rn. 112f.; aA Mengel in Thüsing AÜG 3. Aufl. § 11 Rn. 43; vgl. auch die Nachweise zum Streitstand bei Thüsing/Pötters BB 2012, 317, 318f.[↩]
- vgl. dazu BAG 12.03.2008 – 10 AZR 152/07[↩]