Aufrechnung eines Erstattungsanspruchs gegen eine Gehaltsforderung

Der Arbeitgeber kann gegen einen Entgeltanspruchs des Arbeitnehmers nicht mit einem Erstattungsanspruch aufrechnen, soweit der Entgeltanspruch des Arbeitnehemrs Pfändungsschutz genießt.

Aufrechnung eines Erstattungsanspruchs gegen eine Gehaltsforderung

Die Aufrechnung der Arbeitgeberin verstößt insoweit gegen das Aufrechnungsverbot des § 394 Satz 1 BGB.

§ 394 Satz 1 BGB schließt eine Aufrechnung gegen eine Forderung aus, soweit diese nicht der Pfändung unterworfen ist. Bei Arbeitseinkommen bestimmt sich der pfändbare Teil gemäß § 850 Abs. 1 ZPO nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO. Zur Sicherung des Existenzminimums des Arbeitnehmers und seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen regelt § 850c Abs. 1 ZPO einen unpfändbaren Grundbetrag. Dieser ist entsprechend den Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers gestaffelt und nach oben begrenzt. Für den Teil des Arbeitseinkommens, der diesen Grundbetrag übersteigt, gelten die weiteren Pfändungsbeschränkungen des § 850c Abs. 2 ZPO1.

Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg2 sind die gesetzlichen Pfändungsbeschränkungen auch ohne eine Rüge des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Rechnet der Arbeitgeber gegen Arbeitseinkommen auf, obliegt es ihm vorzutragen, dass die Aufrechnung unter Beachtung der Pfändungsschutzvorschriften erfolgt1. Denn die Befugnis des Arbeitgebers, gegen den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers aufzurechnen, ist integraler Teil des Erfüllungseinwands, den der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Arbeitgeber dem Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers entgegenhalten kann.

Geht man zugunsten der Arbeitgeberin davon aus, die Arbeitnehmerin habe keinerlei Unterhaltspflichten zu erfüllen, beträgt der pfändbare Teil des in der Entgeltabrechnung ausgewiesenen Nettobetrags von 4.746,08 € auf der Grundlage der zum Aufrechnungszeitpunkt maßgeblichen Freigrenzen 3.076,71 € netto. Die Arbeitgeberin brachte von dem Entgeltanspruch der Arbeitnehmerin einen Nettobetrag von 3.784,33 € in Abzug. Die Differenz in Höhe von 707,62 € netto konnte die Arbeitgeberin nicht wirksam aufrechnen.

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Die Arbeitgeberin hat nicht dargelegt, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sie hinsichtlich des verbleibenden Restbetrags in Höhe von 3.076,71 € netto das Aufrechnungsverbot des § 394 Satz 1 BGB beachtet hat. Die Entgeltabrechnung für den Monat September 2012 weist außer der stetigen Monatsvergütung in Höhe von 3.033,00 € (Grundvergütung 2.933,00 € brutto zuzüglich einer Zulage von 100,00 €) unter der Nummer „3065“ auch eine Vergütung für 310,78 Überstunden in Höhe von 5.444, 87 € brutto aus. Nach § 850a Nr. 1 ZPO sind die auf die Leistung von Mehrarbeit entfallenden Teile des Arbeitseinkommens nur zur Hälfte pfändbar. Die Einhaltung der sich daraus ergebenden Pfändungsbeschränkungen lässt sich aufgrund der unzureichenden Angaben der Arbeitgeberin nicht prüfen. Welcher Teil des ausgewiesenen Gesamtnettobetrags der Überstundenvergütung zuzurechnen ist, ergibt sich aus der Entgeltabrechnung nicht. Im Urteilsverfahren, für das der Beibringungsgrundsatz gilt, ist es nicht Sache der Gerichte für Arbeitssachen, die pfändbaren Teile des Arbeitseinkommens zu ermitteln. Genügt der Arbeitgeber seiner diesbezüglichen Obliegenheit nicht, ist der Erfüllungseinwand unbeachtlich1.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. September 2015 – 9 AZR 143/14

  1. vgl. BAG 5.12 2002 – 6 AZR 569/01, zu 2 b der Gründe[][][]
  2. LAG Baden-Württemberg 12.09.2013 – 16 Sa 24713[]