Auslegung eines Tarifvertrages

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften.

Auslegung eines Tarifvertrages

Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann.

Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt1.

Die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags ist für seine Auslegung ebenso ohne Bedeutung wie die tatsächliche Handhabung der tariflichen Regelung in früheren Jahren, soweit die Auslegung des Tarifvertrags nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck bereits zu einem eindeutigen Ergebnis führt2.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. Februar 2015 – 3 AZR 904/13

  1. st. Rspr., vgl. etwa BAG 18.02.2014 – 3 AZR 808/11, Rn. 29; 26.03.2013 – 3 AZR 68/11, Rn. 25 mwN[]
  2. vgl. BAG 24.02.2010 – 10 AZR 1035/08, Rn. 29 mwN[]
Weiterlesen:
Beschränkung der Revisionszulassung im Hinblick auf die Berufungsstattgabe