Ausscheiden in Anwendung eines Sozialplans – und der anteilige Bonusanspruch

Eine in einem Sozialplan enthaltene Regelung „Im Austrittsjahr erhalten Mitarbeiter einen Bonus gemäß der jeweils gültigen Bonusregelung zeitanteilig, sofern das Arbeitsverhältnis im Austrittsjahr mindestens drei Monate bestanden hat, mit anderen Worten der Austrittstermin des Arbeitsverhältnisses nicht vor dem 31.03. des jeweiligen Kalenderjahres liegt. Sollte das Austrittsdatum vor dem 01.Juli liegen, wird der Bonus pauschal mit einem Gesamtfaktor 1, 0 (Group, SPU, – und persönliche Zielerreichung) berechnet. Für Austritte ab dem 01.Juli eines Jahres muss ein ausgefüllter und abgeschlossener „My Plan“ vorliegen. Liegt zum Austrittstermin noch kein Group- bzw. SPU-Faktor zur Berechnung vor, wird der Bonus für beide Komponenten auf der Basis „DE – 1, 0“ ermittelt; der individuelle Faktor wird im Zielerreichungsgespräch zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter vereinbart.“ vermittelt keinen Anspruch auf eine Bonuszahlung, sondern modifiziert die Voraussetzungen eines Anspruchs, der nach den Bedingungen einer einschlägigen Bonusregelung bestehen kann.

Ausscheiden in Anwendung eines Sozialplans – und der anteilige Bonusanspruch

Die Auslegung eines Sozialplans als Betriebsvereinbarung eigener Art richtet sich wegen seiner normativen Wirkung (§ 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG) nach den Grundsätzen der Tarifvertrags- und Gesetzesauslegung. Ausgehend vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Darüber hinaus sind Sinn und Zweck der Regelung von besonderer Bedeutung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt1.

Die in einem Rahmensozialplan enthalten Formulierung „Im Austrittsjahr erhalten Mitarbeiter“ könnte zwar zunächst auf einen Anspruch hindeuten2. Allerdings erfolgt im selben Satz eine Verweisung auf die „jeweils gültige Bonusregelung“. Damit wird klargestellt, dass ein Anspruch nur unter den in einer solchen Regelung aufgestellten Voraussetzungen bestehen kann. Diese werden lediglich im Hinblick auf die besondere Situation der ausscheidenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter modifiziert. So wird in dem mit „sofern“ eingeleiteten Nebensatz eine zusätzliche Voraussetzung – ein mindestens dreimonatiger Bestand des Arbeitsverhältnisses im Austrittsjahr – aufgestellt. Die Regelung im Sozialplan (hier: § 12 Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 RSP) nimmt sodann eine Abweichung für die Berechnung vor, indem für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vor dem 1.Juli ausscheiden, pauschal ein Gesamtfaktor von 1, 0 zugrunde zu legen ist. Für Austritte ab dem 1.Juli schreibt § 12 Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 RSP zunächst vor, dass Voraussetzung für den Bonus ein „My Plan“, dh. ein abgeschlossener Zielvereinbarungsprozess, ist. In Satz 2 wird dann ebenfalls ein pauschaler Faktor für bestimmte Konstellationen festgelegt.

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Sinn und Zweck der Regelungen in § 12 Nr. 1 RSP sprechen ebenfalls gegen die Annahme einer eigenständigen Anspruchsgrundlage. Vielmehr ist das Ziel der Bestimmung, einen anderweitig geregelten Anspruch an die Situation des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis anzupassen, damit eine Bonusberechnung auch dann möglich ist, wenn die sonst hierfür erforderlichen Faktoren nicht ermittelbar oder noch nicht ermittelt sind. Die Regelungen differenzieren dabei nach Beendigungen, die bis zum 30.06.erfolgen, und solchen, die ab dem 1.Juli wirksam werden.

Nach § 12 Nr. 1 Abs. 1 RSP ist der Abschluss einer Zielvereinbarung bei einem Ausscheiden bis zum 30.06.keine Voraussetzung für einen Bonusanspruch. Der Verzicht auf diese Voraussetzung liegt bei einem Leistungszeitraum von drei bis sechs Monaten nahe, weil es sich insoweit oftmals um keine repräsentative Zeitspanne handelt, die es erlaubt, Ziele realistisch zu erreichen und diese valide zu beurteilen. Stattdessen wird ein pauschaler Faktor herangezogen.

Bei Austritten ab dem 1.Juli hängt der Bonusanspruch hingegen vom Abschluss einer Zielvereinbarung und der Beurteilung der Zielerreichung („My Plan“) ab. Gleichwohl erfolgen auch hier Modifikationen für den Fall, dass bestimmte Parameter, die für die Berechnung des Bonus erforderlich sind, noch nicht zu ermitteln sind. Auf diese Weise wird auch für diese Fallkonstellationen sichergestellt, dass der Bonus berechnet werden kann.

Der Anspruch ergibt sich allerdings auf Grundlage des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes.

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Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wird inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt. Er gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz auch bei der Zahlung der Arbeitsvergütung anwendbar, wenn diese durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben wird oder der Arbeitgeber die Leistung nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer erlaubt noch nicht den Schluss, diese bildeten eine Gruppe. Eine Gruppenbildung ist erst dann gegeben, wenn die Besserstellung nach bestimmten Kriterien vorgenommen wird, die alle Begünstigten aufweisen. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist auch dann anwendbar, wenn der Arbeitgeber – nicht auf besondere Einzelfälle beschränkt – nach Gutdünken oder nach nicht sachgerechten oder nicht bestimmbaren Kriterien Leistungen erbringt3.

Die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liegt grundsätzlich beim anspruchstellenden Arbeitnehmer. Nach den allgemeinen Regeln der Normenbegünstigung hat er die Voraussetzungen des Anspruchs auf Gleichbehandlung darzulegen und daher vergleichbare Arbeitnehmer zu nennen, die ihm gegenüber vorteilhaft behandelt werden. Ist dies erfolgt, muss der Arbeitgeber – wenn er anderer Auffassung ist – darlegen, wie groß der begünstigte Personenkreis ist, wie er sich zusammensetzt, wie er abgegrenzt ist und warum der klagende Arbeitnehmer nicht dazugehört. Der Arbeitgeber hat die nicht ohne Weiteres erkennbaren Gründe für die von ihm vorgenommene Differenzierung offenzulegen und jedenfalls im Rechtsstreit mit einem benachteiligten Arbeitnehmer so substantiiert darzutun, dass durch das Gericht beurteilt werden kann, ob die Gruppenbildung auf sachlichen Kriterien beruht4.

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Nach diesen Grundsätzen ergibt sich ein Anspruch auf eine (ggf. nach § 12 Nr. 1 RSP anteilige) Bonusgewährung auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Arbeitgeberin, die im Rahmen einer dem RSP unterliegenden Maßnahme im Jahr 2020 nach dem 31.05.2020 aus ihrem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Differenzierung zwischen den Beschäftigten, die bis zum 31.05.2020 ausgeschieden sind, und denen, deren Arbeitsverhältnis ab dem 1.06.2020 endete, sachlich gerechtfertigt ist. Der von der Arbeitgeberin angeführte; und vom Berufungsgericht gebilligte sachliche Grund – die am 8.06.2020 erfolgte Ankündigung durch den Vorsitzenden des Konzerns – trägt die unterschiedliche Behandlung nicht.

Nicht zu beanstanden ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Gruppenbildung. Unstreitig haben sechs Beschäftigte, die bis zum 31.05.2020 aufgrund einer dem RSP unterliegenden Maßnahme ausgeschieden sind, einen anteiligen Bonus für das Jahr 2020 erhalten. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie die Arbeitnehmerin, deren Arbeitsverhältnisse nach diesem Termin und noch im Jahr 2020 endeten, haben demgegenüber keinen Bonus erhalten. Das Landesarbeitsgericht hat den bis zum 31.05.2020 ausgeschiedenen Beschäftigten die Beschäftigten gegenübergestellt, die nach diesem Zeitpunkt im Jahr 2020 ausgeschieden sind. Damit hat es die Vergleichsgruppe auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Jahr 2020 auf der Grundlage einer dem RSP unterliegenden Maßnahme endete, erstreckt, aber auch beschränkt. Insoweit handelt es sich um eine sachgerechte Gruppenbildung. Auf die Gesamtanzahl der bei der Arbeitgeberin im Jahre 2020 beschäftigten, nicht auf Grundlage einer dem RSP unterliegenden Maßnahme ausgeschiedenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommt es entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht an.

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Die Arbeitgeberin hat mit der Gewährung eines anteiligen Bonus im Jahr 2020 an bestimmte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Leistung nach einer an objektiven Kriterien festgemachten Regel erbracht.

Sie hat Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis auf der Grundlage einer dem RSP unterliegenden Maßnahme bis zum 31.05.2020 beendet worden war, einen anteiligen Bonus entsprechend den in § 12 Nr. 1 RSP iVm. der KBV ACB niedergelegten Grundsätzen und losgelöst von einer Entscheidung über die Bereitstellung finanzieller Mittel vorbehaltlos gewährt.

Der Annahme einer Leistungsgewährung nach einer an objektiven Kriterien festgemachten Regel steht nicht entgegen, dass die Bonusgewährung nur an sechs Beschäftigte erfolgte. Mit Blick auf die Vergleichsgruppe, die sich aus den im Jahr 2020 aufgrund einer dem RSP unterliegenden Maßnahme ausgeschiedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammensetzt, kann die Arbeitgeberin die Zahl der Beschäftigten, die einen Bonus erhalten haben, nicht in das Verhältnis zur Gesamtzahl der bei ihr im Jahr 2020 beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer setzen. Die Arbeitgeberin hat auch nicht behauptet, dass die Bonusgewährung an die sechs Beschäftigten aufgrund besonderer individueller Abreden erfolgte.

Die Arbeitgeberin hat den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die nach dem 31.05.2020 aufgrund einer dem RSP unterliegenden Maßnahme ausgeschieden sind, hingegen keinen (anteiligen) Bonus für das Jahr 2020 gezahlt und diese damit anders behandelt als die Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis bis zu diesem Termin aufgrund einer solchen Maßnahme beendet wurde.

Für diese unterschiedliche Behandlung besteht kein sachlicher Grund.

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Soweit die Arbeitgeberin geltend macht, mit der pauschalen Ausschüttung eines anteiligen Bonus habe sie organisatorischen Aufwand durch eine nachgelagerte Zahlung vermeiden wollen, rechtfertigt dieser Zweck eine unterschiedliche Behandlung von (unterjährig) im Jahr 2020 ausgeschiedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht. Die Lage war bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor und nach dem 31.05.2020 nicht verschieden. Die für die Bonusberechnung erforderlichen Faktoren ergaben sich – wie dargelegt – differenziert nach dem Ausscheidenstermin jeweils aus § 12 Nr. 1 RSP und standen auch im Fall des Ausscheidens der Arbeitnehmerin fest.

Auch die von der Arbeitgeberin behauptete unternehmerische Entscheidung über die Nichtgewährung eines Bonus für das Jahr 2020 trägt die vorgenommene Ungleichbehandlung nicht.

Die Arbeitgeberin hat sich darauf berufen, die Bonusgewährung unterliege nach der KBV ACB einem Freiwilligkeitsvorbehalt und die pauschale Bonusgewährung sei davon abhängig gemacht worden, wie gut oder schlecht sich die wirtschaftliche Situation dargestellt habe. Im Zeitpunkt der Bekanntgabe am 8.06.2020 sei von einer desaströsen Situation auszugehen gewesen, weshalb die Entscheidung getroffen worden sei, keinen Bonus für das Jahr 2020 auszuschütten.

Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin lässt sich der Verlautbarung vom 08.06.2020 ein dahingehender Inhalt bereits nicht entnehmen. Aus dieser ergibt sich nicht, dass für das Jahr 2020 kein Bonus ausgeschüttet werden wird. Vielmehr handelte es sich lediglich um eine Prognose, die mit einer Warnung verbunden war, nicht mit den finanziellen Mitteln aus dem Bonus zu planen. Dass es sich um eine bloße Ankündigung handelte und die endgültige Entscheidung erst im Februar des Folgejahres getroffen wurde, hat die Arbeitgeberin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht selbst eingeräumt.

Eine solche Ankündigung rechtfertigt es nicht, Beschäftigten, die nach dem 31.05.2020 aufgrund einer dem RSP unterliegenden Maßnahme aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, den (anteiligen) Bonus für das Jahr 2020 vorzuenthalten. Die Arbeitgeberin hat bis zum 31.05.2020 auf völlig unklarer Tatsachenbasis, was den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens angeht, Boni vorbehaltlos an eine Gruppe von Beschäftigten ausgeschüttet. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2020 war nach allen in Betracht zu ziehenden Bonusregelungen unklar, ob ein Anspruch auf den Bonus gegeben sein wird. Wenn sie mit der pauschalen Zahlung das Ziel verfolgte, die Vertragsbeziehungen mit den ausscheidenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abschließend abzuwickeln und zusätzliche Zahlungs- und Abrechnungsvorgänge zu vermeiden, war diese Situation nach dem 31.05.2020 unverändert gegeben.

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Der Anspruch ist entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich die Arbeitnehmerin auf eine „Gleichheit im Unrecht“ beruft5. Im Streitfall geht es nicht um eine rechtswidrige Verwaltungspraxis, die keinen Anspruch vermitteln könnte. Vielmehr hat die Arbeitgeberin losgelöst von den Voraussetzungen der KBV ACB iVm. § 12 Nr. 1 RSP einer Gruppe von Beschäftigten vorbehaltlos Boni gewährt. Zur Erbringung einer solchen Leistung war die Arbeitgeberin in Wahrnehmung ihrer unternehmerischen Freiheit berechtigt, musste allerdings – wie dargelegt – den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Gruppenbildung beachten.

Damit hat die Arbeitnehmerin im vorliegenden Fall als benachteiligte Person Anspruch auf den ihr vorenthaltenen Bonus.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Januar 2023 – 10 AZR 29/22

  1. st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 9.11.2021 – 1 AZR 278/20, Rn. 14 mwN[]
  2. vgl. BAG 10.11.2021 – 10 AZR 696/19, Rn. 39[]
  3. BAG 12.10.2022 – 5 AZR 135/22, Rn. 25 mwN[]
  4. BAG 12.10.2022 – 5 AZR 135/22, Rn. 26 mwN[]
  5. vgl. dazu BAG 18.12.2019 – 10 AZR 141/18, Rn. 63 mwN[]