Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitglieds der Personalvertretung unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Gemäß § 48 Abs. 1 SächsPersVG bedarf die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Personalrats, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, der Zustimmung des Personalrats. Verweigert dieser seine Zustimmung oder äußert er sich – wie im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Streitfall – nicht innerhalb von drei Arbeitstagen nach Eingang des Antrags, so kann das Verwaltungsgericht sie auf Antrag des Dienststellenleiters ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Die ohne eine Zustimmung oder deren gerichtliche Ersetzung ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist unwirksam [1]. Entsprechendes ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG iVm. § 108 Abs. 1 BPersVG. Inwieweit der Landesgesetzgeber nach der Föderalismusreform 2006 von § 108 BPersVG abweichende, ersetzende Bestimmungen erlassen darf [2], bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Der Sächsische Gesetzgeber hat eine solche Regelung nicht beschlossen. § 48 Abs. 1 SächsPersVG stimmt mit § 108 Abs. 1 BPersVG, soweit dieser sich auf Mitglieder des Personalrats bezieht, weiterhin wörtlich überein.

Die Kündigung eines durch § 15 KSchG besonders geschützten Mitglieds des Betriebsrats oder der Personalvertretung kann in Fällen, in denen es der gerichtlichen Ersetzung der Zustimmung des Betriebs- oder Personalrats bedarf, wirksam erst nach Eintritt der Rechtskraft einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung erfolgen [3].
§ 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG verlangt – ebenso wie § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG , dass die Zustimmung der betreffenden Arbeitnehmervertretung „ersetzt ist“. Diese Formulierung spricht für den Willen des Gesetzgebers, die Kündigung erst bei endgültig feststehender Ersetzung zu ermöglichen. Solange die gerichtliche Entscheidung noch mit dem Risiko einer Abänderung im Instanzenzug behaftet ist, kann noch nicht die Rede davon sein, dass die Zustimmung des Personalrats ersetzt „ist“.
Dieses Normverständnis stimmt mit den Grundsätzen über die Vollstreckbarkeit der im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ergehenden Entscheidungen und über den Eintritt ihrer Wirksamkeit überein: Die Ersetzung der Zustimmung beruht auf der Gestaltungswirkung eines gerichtlichen Beschlusses, die regelmäßig nicht vor Rechtskraft der Entscheidung eintreten kann [4]. Außerdem trägt ein solches Verständnis dem in gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren bestehenden Bedürfnis nach Rechtsklarheit und Rechtssicherheit Rechnung [5].
Eine Ausnahme gilt für die Fälle, in denen sich ein Rechtsmittel oder Rechtsbehelf gegen den die Zustimmung ersetzenden Beschluss als offensichtlich aussichtslos darstellt. Unter dieser Voraussetzung kann die Kündigung schon vor Eintritt der formellen Rechtskraft der die Zustimmung des Betriebs- oder Personalrats ersetzenden gerichtlichen Entscheidung erfolgen. Der besondere Kündigungsschutz wird dadurch nicht beeinträchtigt, da bereits feststeht, dass eine anderweitige gerichtliche Entscheidung nicht mehr erreichbar ist [6]. Die gerichtliche Entscheidung ist dann ebenso „unanfechtbar“ wie ein formell rechtskräftiger Beschluss [7].
Diese Grundsätze sind auf das Zustimmungserfordernis aus § 48 Abs. 1 SächsPersVG übertragbar [8].
§ 48 Abs. 1 SächsPersVG stimmt mit § 47 Abs. 1, § 108 Abs. 1 BPersVG wörtlich bzw. nahezu wörtlich überein und hat einen mit § 103 BetrVG identischen Regelungsgehalt. Das verlangt nach einer kongruenten Auslegung der einzelnen Normen.
Das Landesrecht enthält zwar einige verfahrensrechtliche Besonderheiten. Diese führen aber nicht dazu, dass eine auf § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG iVm. § 48 Abs. 1 SächsPersVG gestützte Kündigung bereits vor Rechtskraft eines die Zustimmung des Personalrats ersetzenden Beschlusses Wirksamkeit erlangen könnte.
§ 187 Abs. 2 VwGO gestattet den Ländern, für das Gebiet des Personalvertretungsrechts von der Verwaltungsgerichtsordnung abweichende Verfahrensvorschriften zu erlassen. Von dieser Möglichkeit hat der Sächsische Landesgesetzgeber mit der Regelung des § 88 Abs. 2 SächsPersVG Gebrauch gemacht. Er hat in § 88 Abs. 2 Satz 1 SächsPersVG – analog der für den Bund geltenden Regelung des § 83 Abs. 2 BPersVG – angeordnet, dass für bestimmte personalvertretungsrechtliche Angelegenheiten die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Beschlussverfahren entsprechende Anwendung finden sollen. Das gilt auch für die vor den Verwaltungsgerichten auszutragenden Streitigkeiten nach § 48 Abs. 1 SächsPersVG [9].
Allerdings enthält § 88 Abs. 2 Satz 2 SächsPersVG [10] hierzu eine Rückausnahme. Während nach § 87 ArbGG gegen verfahrensbeendende Beschlüsse der Arbeitsgerichte im Beschlussverfahren das Rechtsmittel der Beschwerde ohne weitere Beschränkungen zulässig ist, hat der Sächsische Landesgesetzgeber mit der vorbezeichneten Regelung für die Einlegung der Beschwerde gegen vergleichbare Beschlüsse des Verwaltungsgerichts die entsprechende Anwendung von § 124 Abs. 2 und 124a VwGO vorgeschrieben. Danach ist die Beschwerde gegen erstinstanzliche Beschlüsse der Verwaltungsgerichte in personalvertretungsrechtlichen Angelegenheiten nur statthaft, wenn sie zugelassen worden ist. Hat – wie im Streitfall – das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss die Beschwerde nicht zugelassen, kann sie nur auf Zulassung hin erfolgen, die binnen eines Monats beantragt werden muss. Über den Antrag, der beim Verwaltungsgericht anzubringen ist, entscheidet das Oberverwaltungsgericht (§ 124a Abs. 4, Abs. 5 VwGO).
Ob diese [11] Beschränkungen der Rechtsschutzmöglichkeiten im Zustimmungsersetzungsverfahren rechtlichen Bedenken unterliegen [12], kann dahinstehen. Aus ihnen lässt sich jedenfalls nicht die Befugnis des Arbeitgebers ableiten, die Kündigung schon vor rechtskräftiger Zustimmungsersetzung zu erklären. Der aufgrund § 88 Abs. 2 Satz 1 SächsPersVG iVm. § 84 ArbGG ergehende Beschluss entfaltet vor Ablauf der Antragsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO keine Rechtskraftwirkung. Wird ein Antrag auf Zulassung der Beschwerde gestellt, hemmt dieser den Eintritt der Rechtskraft (§ 124a Abs. 4 Satz 6 VwGO).
Der Einwand, ein Zuwarten mit der Kündigung bis zur Rechtskraft eines die Zustimmung ersetzenden Beschlusses sei ihr mit Rücksicht auf die vergleichsweise lange Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren und die sich daraus ergebenden Belastungen unzumutbar, und ihr Hinweis auf die Überzeugungskraft verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen greifen nicht durch. Unabhängig von der sachlichen Berechtigung dieser Erwägungen führen sie nicht daran vorbei, dass dem verwaltungsgerichtlichen Ersetzungsbeschluss vor Eintritt der formellen Rechtskraft die notwendige Gestaltungswirkung fehlt.
Für das Erfordernis der Rechtskraft des die Zustimmung ersetzenden Beschlusses spricht im Übrigen der – doppelte – Schutzzweck des § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG.
Die Regelung gewährleistet zum einen die Unabhängigkeit der Personalratsmitglieder bei der Ausübung ihres Amtes. Sie will zum anderen die Stetigkeit der Arbeit im Personalrat dadurch sichern, dass dieser für die Dauer der Wahlperiode in seiner personellen Zusammensetzung möglichst unverändert bleibt. Der besondere Kündigungsschutz für Mitglieder der Arbeitnehmervertretung dient damit sowohl individuellen als auch kollektiven Interessen [13]. Die bis zur Rechtskraft des Ersetzungsbeschlusses eintretende Verzögerung einer beabsichtigten Kündigung ist notwendige Folge dieses Schutzes [14].
Bestünde dagegen die Möglichkeit, die Kündigung schon vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der die Zustimmung des Personalrats ersetzenden Entscheidung zu erklären, führte dies zwangsläufig zu einem rechtlichen Schwebezustand, den die Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung grundsätzlich nicht verträgt [15]. Außerdem wäre für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits von einer Verhinderung des Personalratsmitglieds iSv. § 31 Abs. 1 Satz 2 SächsPersVG auszugehen [16]. Das vertrüge sich nicht mit dem gesetzgeberischen Ziel, die personelle Kontinuität des Personalrats so lange zu sichern, bis kollektivrechtlich alle notwendigen Voraussetzungen für die Kündigung geschaffen sind.
Für die Notwendigkeit der Rechtskraft des Zustimmungsersetzungsbeschlusses spricht überdies die Systematik vergleichbarer Verfahren. So wird der Ausschluss eines Arbeitnehmers aus dem Personalrat (§ 28 Abs. 1 SächsPersVG) erst mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung wirksam [17]. Das Gleiche gilt für den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds (§ 23 Abs. 1 BetrVG; vgl. Fitting BetrVG 25. Aufl. § 23 Rn. 26).
Etwaige praktische Schwierigkeiten, die sich bei der Feststellung des Zeitpunkts ergeben mögen, zu dem der die Zustimmung ersetzende Beschluss in Rechtskraft erwächst, rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Diese Probleme stellen sich auch in anderen Zusammenhängen und werden dort vom Gesetzgeber ersichtlich hingenommen. So hat ggf. eine außerordentliche Kündigung gemäß § 91 Abs. 5 SGB IX unverzüglich nach erteilter Zustimmung des Integrationsamts zu erfolgen [18].
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. November 2011 – 2 AZR 480/10
- vgl. BAG 28.04.1994 – 8 AZR 209/93, BAGE 76, 317[↩]
- zum Meinungsstand: AnwK/Spreer 2. Aufl. § 108 BPersVG Rn. 108 ff.; Kersten in Richardi/Weber/Dörner PersVG 3. Aufl. § 108 Rn. 4[↩]
- für § 103 BetrVG: BAG 9.07.1998 – 2 AZR 142/98 – zu II 2 der Gründe, BAGE 89, 220; 25.10.1989 – 2 AZR 342/89 – zu I der Gründe, RzK II 3 17; 25.01.1979 – 2 AZR 983/77 – zu I 1 der Gründe, BAGE 31, 253; 11.11.1976 – 2 AZR 457/75 – zu B I 4 ff. der Gründe, BAGE 28, 233; für §§ 47, 108 BPersVG: BAG 28.04.1994 – 8 AZR 209/93 – zu I 1 der Gründe, BAGE 76, 317; 27.03.1991 – 2 AZR 418/90 – zu II 1 b aa der Gründe, RzK II 1a Nr. 5[↩]
- vgl. BAG 11.11.1976 – 2 AZR 457/75 – zu B I 4 ff. der Gründe, BAGE 28, 233; Matthes in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 85 Rn. 3[↩]
- BAG 9.07.1998 – 2 AZR 142/98 – zu II 2 b der Gründe, BAGE 89, 220; 11.11.1976 – 2 AZR 457/75 – zu B I 8 c der Gründe, BAGE 28, 233[↩]
- vgl. BAG 9.07.1998 – 2 AZR 142/98 – zu II 2 b der Gründe, BAGE 89, 220; 25.01.1979 – 2 AZR 983/77 – zu I 3 a der Gründe, BAGE 31, 253[↩]
- vgl. BAG 25.01.1979 – 2 AZR 983/77 – zu I 4 der Gründe, aaO[↩]
- so auch: Behrens-Kubitza/Darré/Wagner SächsPersVG 2. Aufl. § 48 Nr. 3; Gliech/Seidel/Schwill SächsPersVG 3. Aufl. § 48 Rn. 12; Vogelsang ua. LPersVG für den Freistaat Sachsen Stand 2009 § 48 Rn. 52[↩]
- Gliech/Seidel/Schwill SächsPersVG 3. Aufl. § 88 Rn. 4[↩]
- in der bis 20.11.2010 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 25.06.1999, SächsGVBl. S. 430[↩]
- durch das 4. Gesetz zur Änderung des SächsPersVG vom 04.11.2010, SächsGVBl. S. 290 aufgehobenen[↩]
- dazu: Gliech/Seidel/Schwill SächsPersVG 3. Aufl. § 88 Rn. 3[↩]
- vgl. BAG 26.11.2009 – 2 AZR 185/08, Rn. 18, BAGE 132, 293; 23.01.2002 – 7 AZR 611/00 – zu II 2 b der Gründe, BAGE 100, 204[↩]
- BAG 28.04.1994 – 8 AZR 209/93 – zu I 2 b aa der Gründe, BAGE 76, 317[↩]
- BAG 24.02.2011 – 2 AZR 830/09, Rn. 18 mwN, NZA 2011, 708[↩]
- vgl. Schwarze in Richardi/Dörner/Weber PersVR 3. Aufl. § 31 Rn. 16; für die vergleichbare Regelung des § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG: BAG 10.11.2004 – 7 ABR 12/04 – zu B II 1 b bb der Gründe, BAGE 112, 305; 14.05.1997 – 7 ABR 26/96 – zu B II 2 der Gründe, BAGE 85, 370[↩]
- § 29 Abs. 1 Nr. 6 SächsPersVG; vgl. Gliech/Seidel/Schwill SächsPersVG 3. Aufl. § 29 Rn. 7[↩]
- dazu BAG 2.02.2006 – 2 AZR 57/05, AP BGB § 626 Nr.204 = EzA BGB 2002 § 626 Ausschlussfrist Nr. 1[↩]