Austritt aus dem Arbeitgeberverband – und die Beendigung eines Haustarifvertrags

Eine Regelung in einem Haustarifvertrag, wonach er mit dem Austritt des Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband endet, ist wirksam.

Austritt aus dem Arbeitgeberverband – und die Beendigung eines Haustarifvertrags

Im vorliegenden Fall bezweckte die entsprechende Regelungen einen Gleichlauf von Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin auf der einen und Geltung des (Sanierungs-)Haustarifvertrags auf der anderen Seite. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Arbeitgeberin, deren Verpflichtungen aus dem allgemeinen Tarifvertrag teilweise vorübergehend abgesenkt werden, diese im Übrigen aufgrund unmittelbarer Tarifgebundenheit zu erfüllen hat. Schon die Gefährdung dieses Gleichlaufs durch eine Kündigung der – tarifgebundenen – Mitgliedschaft im Unternehmensverband sollte daher durch die Regelung unterbunden werden. Sinn und Zweck der Regelung sprechen daher für das Auslegungsergebnis, dass bereits die Erklärung des Verbandsaustritts durch die Arbeitgeberin zur Beendigung des HausTV führt.

Die entsprechende Regelung im Haustarifvertrag ist auch wirksam. Das Grundrecht der Arbeitgeberin auf negative Koalitionsfreiheit wird hierdurch nicht verletzt.

GG gewährleistet als individuelles Freiheitsrecht das Recht jedes Einzelnen, eine Koalition zu gründen, einer Koalition beizutreten oder ihr fernzubleiben oder aus ihr auszutreten sowie das Recht, durch koalitionsmäßige Betätigung die in der Grundrechtsnorm genannten Zwecke zu verfolgen. Elemente der Gewährleistung der Koalitionsfreiheit sind demnach insbesondere die Gründungs- und Beitrittsfreiheit, die Freiheit des Austritts und des Fernbleibens1. Dabei stellt nicht jeder tatsächliche Druck, einer Koalition beizutreten oder in dieser zu verbleiben, einen unzulässigen Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit dar2. Allerdings kann eine ausdrückliche Verpflichtung des Arbeitgebers in einem Firmentarifvertrag, die Mitgliedschaft in einem bestimmten Arbeitgeberverband aufrechtzuerhalten, gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 iVm. Satz 1 GG verstoßen. Der Arbeitgeber verliert durch eine derartige Verpflichtung seine grundrechtlich garantierte Freiheit, aus dem Verband auszutreten. Der freiwilligen Beschränkung der negativen Koalitionsfreiheit werden hierdurch Grenzen gesetzt3. Auch hat der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden, die durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Freiheit, eine Koalition zu verlassen, dürfe nicht unangemessen durch zeitliche Austrittshindernisse erschwert werden. Einem Mitglied einer Koalition seien lediglich „mäßige“ Kündigungsfristen zuzumuten4.

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Im Entscheidungsfall ist die negative Koalitionsfreiheit der Arbeitgeberin durch die tarifliche Regelung von § 17 Nr. 2 Spiegelstrich 2 HausTV nicht verletzt.

Eine Verletzung des nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Grundrechts kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil sich die Arbeitgeberin mit dem Abschluss des HausTV nicht verpflichtet hat, ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband – längerfristig, zu garantieren. Sie ist lediglich die Verpflichtung eingegangen, ihre Mitgliedschaft für die Laufzeit des Sanierungszwecken dienenden HausTV – gleichsam als Gegenleistung für dessen Abschluss – aufrechtzuerhalten. § 17 Nr. 2 Spiegelstrich 2 HausTV untersagt zudem nicht den Austritt aus dem Arbeitgeberverband. Die Vorschrift geht gerade umgekehrt von einer solchen – jederzeitigen – Möglichkeit aus.

Mit der an die Erklärung eines Austritts während der Laufzeit geknüpften Rechtsfolge des § 17 Nr. 2 Spiegelstrich 2 HausTV wird auch kein unangemessener Druck auf die Arbeitgeberin ausgeübt, die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband aufrechtzuerhalten. Der Eintritt der auflösenden Bedingung führt lediglich zu einem „Wiederaufleben“ des RTV, also einer uneingeschränkten Geltung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und einer anschließenden Nachbindung iSv. § 3 Abs. 3 TVG. Dies stellt keinen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG dar. Die Arbeitgeberin hat ihre Bindung an die von dem Arbeitgeberverband vereinbarten Tarifverträge durch ihren Beitritt zu diesem in Ausübung der ihr zustehenden Koalitionsfreiheit selbst herbeigeführt. Die Fortgeltung der Bindung an den Tarifvertrag ist durch die – frühere – Mitgliedschaft der Arbeitgeberin im Arbeitgeberverband legitimiert5.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. September 2016 – 4 AZR 534/14

  1. sh. nur BVerfG 3.07.2000 – 1 BvR 945/00, zu II 2 a der Gründe mwN zur verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung; BAG 1.07.2009 – 4 AZR 261/08, Rn. 38, BAGE 131, 176[]
  2. vgl. BVerfG 15.07.1980 – 1 BvR 24/74, zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 55, 7; 14.06.1983 – 2 BvR 488/80, zu B I der Gründe, BVerfGE 64, 208[]
  3. BAG 10.12 2002 – 1 AZR 96/02, zu B I 3 b bb der Gründe, BAGE 104, 155[]
  4. BGH 4.07.1977 – II ZR 30/76; 22.09.1980 – II ZR 34/80; für den Austritt aus dem Arbeitgeberverband BGH 29.07.2014 – II ZR 243/13, Rn. 23 ff., BGHZ 202, 202[]
  5. vgl. BAG 1.07.2009 – 4 AZR 261/08, Rn. 43, BAGE 131, 176; 7.11.2001 – 4 AZR 703/00, zu 1 c dd (1) der Gründe, BAGE 99, 283[]