Befristetes Prozessarbeitsverhältnis – und die Weiterarbeit nach Fristablauf

Der Widerspruch, mit dem der Arbeitgeber nach § 15 Absatz 5 TzBfG die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei Weiterarbeit des Arbeitnehmers verhindern kann, ist eine Willenserklärung1, die aber nicht dem Schriftformerfordernis unterliegt. Er kann daher auch konkludent erfolgen.

Befristetes Prozessarbeitsverhältnis – und die Weiterarbeit nach Fristablauf

Das Widerspruchsrecht kann nicht auf Vorrat ohne Bezug zu einem bestimmten Beendigungsdatum erklärt werden, weil dadurch die zwingende Wirkung von § 15 Absatz 5 TzBfG, die sich aus § 22 TzBfG ergibt, umgangen würde2.

Nach § 15 Absatz 5 TzBfG gilt ein befristetes Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert, sofern es nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen wurde, mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt wird und dieser nicht unverzüglich widerspricht. Der Arbeitgeber kann die Rechtsfolgen des § 15 Absatz 5 TzBfG ausschließen, in dem er der Fortsetzung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers unverzüglich widerspricht. Der Widerspruch ist eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung im Sinne der §§ 116 ff BGB3. Da für den Widerspruch der Schriftformzwang nicht gilt, kann er allerdings auch konkludent erklärt werden. Es muss aber ein Ereignis erkennbar seom, aus dem man auf einen konkludenten Widerspruch durch dem Arbeitgeber schließen kann.

nknüpfungspunkt für eine konkludente Erklärung des Widerspruchs im Sinne von § 15 Absatz 5 TzBfG könnte vorliegend die sozialversicherungsrechtliche Abmeldung der Arbeitnehmerin durch der Arbeitgeber sein. In diesem Sinne ist es anerkannt, dass die Aushändigung der Arbeitspapiere an den Arbeitnehmer als konkludente Ausübung des Widerspruchsrechts gewertet werden kann4. Eine direkte Übertragung dieser Bewertung auf den Fall der sozialversicherungsrechtlichen Abmeldung des Arbeitnehmers ist allerdings nicht möglich, da eine Willenserklärung eine empfangsbedürftige Erklärung ist, die willentlich gegenüber dem Erklärungsempfänger verlautbart wird. Daran fehlt es hier. Die Arbeitnehmerin hat von dem Ereignis der sozialversicherungsrechtlichen Abmeldung nur indirekt dadurch Kenntnis erlangt hat, dass sich ihre Krankenkasse in der Folge fürsorglich an sie zur Anbahnung einer weiteren Krankenversicherung auf neuer Basis gewandt hatte.

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Selbst wenn man dieses Bedenken bei Seite schiebt, kann aus der sozialversicherungsrechtlichen Abmeldung der Arbeitnehmerin durch den Arbeitgeber vorliegend nicht eindeutig auf einen Widerspruch gegen die weitere Beschäftigung im Sinne von § 15 Absatz 5 TzBfG geschlossen werden, denn der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmerin nahtlos wieder sozialversicherungsrechtlich angemeldet, so dass aus der Sicht der Arbeitnehmerin ihre Intervention an der Spitze der Personalverwaltung mit der Mail vom 25.09.2013 sogar erfolgreich war; sie konnte berechtigt von einer Zustimmung zur weiteren Beschäftigung ausgehen. Die erneute sozialversicherungsrechtliche Anmeldung der Arbeitnehmerin zum 1.10.2013 könnte zwar auch aufgrund einer bloß faktischen Weiterbeschäftigung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt sein. Ob das der Fall war, kann hier aber offenbleiben, denn entscheidend ist, dass aufgrund des Folgeverhaltens des Arbeitgebers aus dem Ereignis der sozialversicherungsrechtlichen Abmeldung keine eindeutigen Schlüsse auf den Willen zum Widerspruch im Sinne von § 15 Absatz 5 TzBfG gezogen werden können.

Gelegentlich wird angenommen, dass man auch in dem Klagabweisungsantrag in dem Rechtsstreit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses einen Widerspruch gegen die weitere Beschäftigung über den Tag der Befristung hinaus erblicken könne.

Auch auf diese Weise lässt sich vorliegend allerdings nicht auf einen Widerspruch des Arbeitgebers gegen die weitere Beschäftigung der Arbeitnehmerin über den 30.09.2013 hinaus schließen. Eine solche Folgerung könnte man aus dem Klagabweisungsantrag des Arbeitgebers in dem Vorprozess der Parteien lediglich bezüglich der seinerzeit streitigen Befristung ziehen. Diese gedankliche Konstruktion hätte in der Praxis auch nur dann eine Bedeutung, wenn die Befristungskontrollklage schon einige Zeit vor Erreichen des Befristungsdatums erhoben wird. Hier mag es schlüssig sein, aus dem Klageabweisungsantrag auf einen Widerspruch gegen die weitere Beschäftigung über das im Vorprozess streitige Beendigungsdatum hinaus zu schließen.

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Anerkanntermaßen kann das Widerspruchsrecht aber nicht sozusagen auf Vorrat ohne Bezug zu einem bestimmten Beendigungsdatum erklärt werden, weil dadurch die zwingende Wirkung von § 15 Absatz 5 TzBfG, die sich aus § 22 TzBfG ergibt, umgangen würde5.

Da im vorliegenden Falle die Klageerwiderung im Vorprozess bereits längere Zeit vor Erreichen des Beendigungsdatums aus dem hier streitigen weiteren befristeten Arbeitsverhältnis erfolgt ist, und da sich die Klageerwiderung nur auf das Beendigungsdatum aus dem Vorprozess und nicht auf das hier streitige Beendigungsdatum bezogen haben kann, scheidet die Klageerwiderung im Vorprozess als Anknüpfungspunkt für einen konkludenten Widerspruch im Sinne von § 15 Absatz 5 TzBfG vorliegend aus.

Aber selbst für den Fall, dass man doch davon ausgehen müsste, dass sich der Arbeitgeber durch einen konkludent erklärten Widerspruch erfolgreich gegen den Eintritt der Rechtsfolgen aus § 15 Absatz 5 TzBfG geschützt hat, ist der klägerische Feststellungsantrag begründet, denn auch in diesem Falle wäre zwischen Parteien durch die kommentarlose Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30.09.2013 hinaus aus dem ehemals befristeten (zweiten) Arbeitsverhältnis ein unbefristetes entstanden.

Denn in der kommentarlosen Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses über das vereinbarte Vertragsende hinaus wird man im Regelfall einen konkludenten rechtsgeschäftlichen Vertragsschluss gerichtet auf eine unbefristete Beschäftigung erblicken müssen. So wie Arbeitsverhältnisse nach den allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen allein schon durch die Aufnahme der Tätigkeit und die beiderseitige Erfüllung der arbeitsvertragstypischen Pflichten entstehen können, können selbstverständlich auch nur befristet eingegangene Arbeitsverhältnisse konkludent durch die gemeinsame Fortsetzung der Zusammenarbeit über das vereinbarte Befristungsende hinaus in unbefristete Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden.

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Das ist hier der Fall. Dem Arbeitgeber ist der Nachweis nicht gelungen, dass die weitere Zusammenarbeit ab dem 1.10.2013 entweder gänzlich ohne rechtsgeschäftliche Basis erfolgt ist oder aber auf rechtsgeschäftlicher Basis jedoch eingeschränkt auf die Zeit der Dauer des Vorprozesses. Damit haben die Parteien ihr auf den 30.09.2013 befristetes (zweites) Arbeitsverhältnis unbefristet fortgesetzt.

Es ist zwar anerkannt, dass eine weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers nach einem obsiegenden Urteil in einer Bestandsschutzstreitigkeit eine Beschäftigung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung darstellt, wenn der Arbeitnehmer zuvor eine solche angedroht hatte. Ein solcher Fall liegt hier allerdings nicht vor, da die Arbeitnehmerin keine Zwangsvollstreckung angedroht hatte.

Geht das Ansinnen zu einer Prozessbeschäftigung vom Arbeitgeber aus, etwa, weil er das Annahmeverzugsrisiko minimieren will, wird das streitige Rechtsverhältnis häufig über das vereinbarte Beendigungsdatum hinaus fortgesetzt. Wird das Ansinnen auf die weitere Beschäftigung vom Arbeitnehmer betrieben, geschieht dies im Regelfall nach einem obsiegenden Urteil und ist häufig verbunden mit dem Aufbau eines Vollstreckungsdrucks. Vorliegend trifft weder das eine noch das andere zu. Das Arbeitsverhältnis der Parteien war im vorliegenden Fall zunächst nach dem vereinbarten Vertragsende nterbrochen und wurde dann 2 Monate später wieder aufgenommen. Die Wiederaufnahme der Beschäftigung der Arbeitnehmerin mit dem 1.06.2013 steht allerdings nicht in einem zeitlichen Zusammenhang zu dem arbeitsgerichtlichen Urteil im Vorprozess, das erst am 23.07.2013 ergangen war.

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Ähnliches ist bezüglich des Endes der zwischenzeitlich vereinbarten befristeten weiteren Zusammenarbeit festzustellen. Das vereinbarte Ende des befristeten Vertrages (30.09.2013) steht in keinerlei Zusammenhang zu dem Vorprozess der Parteien.

Damit erweist sich die Angabe des Befristungsgrundes „Prozessbeschäftigung“ im Arbeitsvertrag der Parteien vom 16.05.2013 als bloßer Hinweis auf ein Motiv, das beim Abschluss auf Seiten des Arbeitgebers erheblich gewesen ist.

Wegen der fehlenden Verzahnung des während des Laufs des Vorprozesses geschlossenen weiteren Arbeitsverhältnisses mit dem Vorprozess, können aus der weiteren Zusammenarbeit der Parteien über den 30.09.2013 hinaus auch nicht die für der Arbeitgeber günstigen Folgerungen aus diesem Umstand gezogen werden.

Bei einer echten rechtsgeschäftlich begründeten Prozessbeschäftigung, die bereits vor Verkündung einer gerichtlichen Entscheidung zu Gunsten des Arbeitnehmers begonnen wurde, mag man die Fortsetzung der Zusammenarbeit nach Erreichen des vereinbarten Befristungsdatums als bloße Erfüllung der Pflichten aus einem zwischenzeitlich ergangenen Urteil interpretieren. Eine solche Schlussfolgerung ist hier jedoch nicht erlaubt. Denn die weitere Beschäftigung über den 30.09.2013 hinaus könnte auch darin begründet sein, dass die Erwartung der Universität, Prof. Dr. H. würde diese bis zum 31.03.2013 verlassen, nicht zutreffend war. Denn Prof. Dr. H. war auch weit über den 30.09.2013 hinaus noch an der Universität tätig. Nach dem Kenntnisstand des Gerichts ist er sogar heute noch als Lehrstuhlinhaber in A-Stadt tätig. Damit gibt es aber für die weitere Beschäftigung der Arbeitnehmerin über den 30.09.2013 hinaus aus der Sicht der Arbeitnehmerin zumindest zwei Anknüpfungspunkte, einmal das zu ihren Gunsten am 23.07.2013 ergangene erstinstanzliche Urteil im Vorprozess und zum anderen die veränderte Bedarfslage, die durch die weitere Tätigkeit des Professors an der Universität entstanden war. Das macht es unmöglich, aus dem bloßen Umstand der weiteren Beschäftigung der Arbeitnehmerin auf eine bestimmte Willensrichtung der Universität, die diesem Verhalten zu Grunde liegt, zu schließen.

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Die anderweitige Veröffentlichung des Zeitungsredakteurs

Landesarbeitsgericht Mecklenburg -Vorpommern, Urteil vom 22. Januar 2016 – 2 Sa 114/15

  1. BAG 11.07.2007 – 7 AZR 501/06 – AP Nr. 12 zu § 57a HRG[]
  2. BAG 22.07.2014 – 9 AZR 1066/12 – BAGE 148, 349, AP Nr. 30 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, DB 2014, 2837[]
  3. BAG 11.07.2007 – 7 AZR 501/06 – AP Nr. 12 zu § 57a HRG[]
  4. vgl. nur ErfK/Müller-Glöge § 15 TzBfG Randnummer 12[]
  5. BAG 22.07.2014 – 9 AZR 1066/12 – BAGE 148, 349, AP Nr. 30 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, DB 2014, 2837[]