Befristung eines Arbeitsverhältnisses – auf den 65. Geburtstag

Eine arbeitsvertragliche Klausel „Das Arbeitsverhältnis endet spätestens mit Ablauf desjenigen Monats, in welchem Sie Altersruhegeld bewilligt erhalten oder Sie das 65. Lebensjahr vollendet haben.“ beinhaltet eine wirksame Befristungsabrede dahingehend, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze beendet ist. Die arbeitsvertragliche Klausel ist – jedenfalls insoweit – nicht wegen Verletzung des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

Befristung eines Arbeitsverhältnisses – auf den 65. Geburtstag

Eine solche Regelung enthält regelmäßig Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB. Die §§ 305 ff. BGB finden nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB seit dem 1.01.2003 auf bereits früher geschlossene Arbeitsverhältnisse Anwendung. 

Die der angegriffenen Befristung hier zugrundeliegende zweite Alternative ist nicht intransparent.

Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, die nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB die Unwirksamkeit von Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Folge hat, daraus ergeben, dass diese nicht klar und verständlich sind. Das Bestimmtheitsgebot als maßgebliche Ausprägung des Transparenzgebots verlangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender der Klausel keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen und der Gefahr vorgebeugt wird, dass der Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird1. Eine Formularbestimmung genügt dem Bestimmtheitsgebot nur dann, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreibt2. Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses3. Dem Vertragspartner kann dabei nicht jedes eigene Nachdenken erspart bleiben4. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Klausel führt nicht automatisch zu deren Intransparenz3. Eine vom Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen gewählte Befristungsabrede muss wegen der weitreichenden wirtschaftlichen Folgen, die mit der Beendigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses verbunden sind, den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den durchschnittlichen Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennen lassen5.

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Diesen Anforderungen wird jedenfalls die – hinsichtlich der streitbefangenen Befristung allein maßgebliche – zweite Alternative dieser arbeitsvertraglichen Befristungsabrede gerecht. Im Ergebnis ihrer Auslegung6 regelt sie klar und deutlich, dass das Arbeitsverhältnis spätestens mit dem Zeitpunkt endet, in dem der Arbeitnehmer die für ihn maßgebliche Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht.

Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg ((LAG Baden-Württemberg 28.06.2021 – 9 Sa 75/20)) ist dieses Verständnis allerdings nicht bereits nach § 41 Satz 2 SGB VI vorgegeben. Danach gilt eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der Arbeitnehmer vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen Alters beantragen kann, dem Arbeitnehmer gegenüber als auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen, es sei denn, dass die Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen oder von dem Arbeitnehmer innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt bestätigt worden ist. § 41 Satz 2 SGB VI greift bei der hier einschlägigen zweiten Alternative der Vertragsklausel aber schon deshalb nicht ein, weil die Vorschrift nur für einzelvertraglich vereinbarte Altersgrenzen vor Vollendung des Regelrentenalters gilt7.

Das Bundesarbeitsgericht hat zu einer mit der zweiten Alternative dieser arbeitsvertraglichen Befristungsabrede vergleichbaren Klauselformulierung bereits entschieden, dass das Tatbestandsmerkmal „Vollendung des 65. Lebensjahres“ als Beschreibung des Zeitpunkts zu verstehen ist, in dem der Arbeitnehmer nach seinem Lebensalter zum Bezug einer Regelaltersrente berechtigt ist8. Vorliegend gilt nichts Anderes. Das Regelrentenalter wurde seit dem 1.01.1916 von den in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Beschäftigten mit der Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht (vgl. auch § 35 SGB VI idF vom 18.12.1989). Bei der Abfassung von Verträgen – so auch im Zeitpunkt des Arbeitsvertrags der Parteien vom 24. Juni/19.07.1993 – gab es aus damaliger Sicht keine Veranlassung zu abweichenden Formulierungen, wenn an die in der Sozialversicherung geltende Altersgrenze von 65 Jahren angeknüpft werden sollte. Ein verständiger Arbeitnehmer musste daher die Formulierung „Vollendung des 65. Lebensjahres“ als Anknüpfung an den Zeitpunkt des Erreichens der Regelaltersgrenze verstehen8. Die Vollendung des 65. Lebensjahres war das Synonym für die Vollendung des gesetzlichen Regelrentenalters. Dies hat sich erst aufgrund des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20.04.20079 geändert. Die Regelaltersgrenze wird nach § 35 Satz 2 SGB VI nunmehr mit Vollendung des 67. Lebensjahres erreicht. Der Arbeitnehmer fällt unter die Sonderregelung des § 235 SGB VI, da er im Januar 1954 und somit vor dem 1.01.1964 geboren ist. Er hat die Regelaltersgrenze mit Vollendung von 65 Jahren und 8 Monaten erreicht, worüber die Parteien auch nicht streiten.

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Entgegen der Rechtsansicht des Arbeitnehmers besteht kein unklares Verhältnis der beiden Alternativen dieser arbeitsvertraglichen Befristungsabrede. Tritt die erste Alternative (Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Ende des Monats, „in welchem Sie Altersruhegeld bewilligt erhalten“) nicht ein, ist das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze beendet. Im Übrigen wäre das Verhältnis der beiden Alternativen selbst dann nicht unklar, wenn die erste Alternative nicht als auf die „Bewilligung“ eines (vorzeitigen) „Altersruhegeldes“ angesehen werden sollte. Sofern eine der beiden Alternativen zuerst eintritt, ist das Arbeitsverhältnis beendet, so dass die andere Alternative nicht mehr greifen kann; dies ist schon wegen des Ausdrucks „spätestens“ nicht unklar.

Eine Intransparenz folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Klausel nicht den Zusatz enthält, das Arbeitsverhältnis ende „ohne dass es einer Kündigung bedarf“. Auch ohne diesen Zusatz ergibt sich aus dieser Bestimmung des Arbeitsverrages ohne Weiteres, dass der Eintritt der darin genannten Voraussetzungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen soll.

Es kann dahinstehen, ob die erstgenannte Alternative der Vertragsklausel („Altersruhegeld bewilligt erhalten“) für sich betrachtet dem Transparenzgebot genügt. Unterstellte man deren Unwirksamkeit, hätte dies nicht die Unwirksamkeit der gesamten Klausel zur Folge.

Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise unwirksam, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam (§ 306 Abs. 1 BGB) und sein Inhalt richtet sich insoweit nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 2 BGB). Eine geltungserhaltende Reduktion von einheitlichen Klauseln auf den zulässigen Inhalt durch die Gerichte findet grundsätzlich nicht statt10. Demgegenüber kann eine teilbare Formularklausel mit ihrem zulässigen Teil aufrechterhalten werden11. Die Regelungen müssen allerdings nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich trennbar sein. Die Teilbarkeit einer Klausel ist durch Streichung des unwirksamen Teils (sog. blue-pencil-Test) zu ermitteln11. Verbleibt nach der Streichung der unwirksamen Teilregelung und des unwirksamen Klauselteils eine verständliche Regelung, behält diese ihre Gültigkeit12.

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Die beschriebene arbeitsvertragliche Bestimmung ist teilbar und könnte auch nur mit der zweiten Alternative aufrechterhalten bleiben. Die Streichung der sprachlich abgrenzbaren Worte „… Sie Altersruhegeld bewilligt erhalten oder“ beließe der Klausel im Übrigen einen verständlichen und sinnvollen Regelungsgehalt. Sie beinhaltete dann, dass das Arbeitsverhältnis (spätestens) mit Ablauf desjenigen Monats endet, in welchem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze erreicht.

Die Aufrechterhaltung dieses Teils dieser arbeitsvertraglichen Befristungsabrede scheitert nicht am Umstand einer (Alternativ-)Kombination zweier Klauselteile13. Es ist auch nicht so, dass diese arbeitsvertragliche Regelung bei Aufrechterhaltung nur einer Beendigungsalternative aufgrund der „vor beide Alternativen gezogenen“ Formulierung „spätestens“ sinnentleert wäre. Das Arbeitsverhältnis kann auch durch frühere Umstände – etwa eine Kündigung – beendet werden; der Ausdruck „spätestens“ wäre nicht inhaltslos.

Die Anwendung des sog. blue-pencil-Tests führt nicht zu einer Schlechterstellung des Arbeitnehmers. Die Beendigung dessen Arbeitsverhältnisses träte bei Streichung der – unterstellt intransparenten – ersten Alternative dieser arbeitsvertraglichen Befristungsabrede stets mit Erreichen des Regelrentenalters ein. Bei Aufrechterhalten der gestrichenen ersten Alternative hätte das Arbeitsverhältnis in keinem Fall länger gedauert.

Weitere Unwirksamkeitsgründe hat der Arbeitnehmer weder bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (vgl. § 17 Satz 2 TzBfG, § 6 Satz 1 KSchG) noch zu einem späteren Zeitpunkt bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens geltend gemacht14. Schon deshalb verfängt sein erst in der Revisionsinstanz angebrachter Verweis auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 02.06.202215 zur Altersdiskriminierung bei einer – in der Satzung einer Arbeitnehmerorganisation für die Wählbarkeit von Mitgliedern der Organisation für deren Vorsitz festgelegten – Altersgrenze nicht.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 7 AZR 489/21

  1. BAG 12.06.2019 – 7 AZR 428/17, Rn. 26[]
  2. BAG 2.12.2021 – 3 AZR 254/21, Rn. 43[]
  3. BAG 7.09.2022 – 5 AZR 128/22, Rn. 55[][]
  4. BAG 7.09.2022 – 5 AZR 128/22, Rn. 55; 24.05.2022 – 9 AZR 461/21, Rn. 28[]
  5. BAG 25.10.2017 – 7 AZR 632/15, Rn. 35[]
  6. zu den entspr. Maßgaben bei AGB und Einmalbedingungen vgl. BAG 19.11.2019 – 7 AZR 582/17, Rn. 25[]
  7. vgl. BAG 4.11.2015 – 7 AZR 851/13, Rn. 31[]
  8. vgl. BAG 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, Rn. 16[][]
  9. BGBl. I S. 554 ff.[]
  10. vgl. BAG 5.07.2022 – 9 AZR 341/21, Rn. 22[]
  11. BAG 9.03.2021 – 9 AZR 323/20, Rn. 25[][]
  12. vgl. BAG 24.05.2022 – 9 AZR 461/21, Rn. 45[]
  13. vgl. etwa zur Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt BAG 14.09.2011 – 10 AZR 526/10, Rn. 28, BAGE 139, 156[]
  14. vgl. BAG 24.06.2015 – 7 AZR 541/13, Rn. 27[]
  15. EuGH 02.06.2022 – C-587/20 – HK/Danmark und HK/Privat[]