Das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts eines auf das Erreichen der Regelaltersgrenze befristeten Arbeitsvertrages nach § 41 Satz 3 SGB VI erfordert, dass sich die Laufzeit des Verlängerungsvertrages nahtlos anschließt.

Jedenfalls eine Änderung der Vertragsbedingungen, die erst im Laufe des Verlängerungszeitraums erfolgt, ist für die Wirksamkeit der Befristungsabrede unschädlich.
Zumindest das einmalige sachgrundlose Hinausschieben der Altersgrenze um sechs Monate aufgrund von § 41 Satz 3 SGB VI ist durch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gedeckt.
Nach § 41 Satz 3 SGB VI können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben, wenn eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht.
Vorliegend war vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze enden sollte. Kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Dessen § 44 Nr. 4 sieht vor, dass das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Schulhalbjahres (31. Januar beziehungsweise 31. Juli) endet, in dem die Lehrkraft das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen einer abschlagsfreien Regelaltersrente vollendet hat. Das wäre vorliegend der Fall gewesen. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Tarifnorm sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des angegriffenen Urteils zu Ziffer I. der Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Die Verlängerungsvereinbarung erfolgte auch in schriftlicher Form während des laufenden Arbeitsverhältnisses, nämlich am 20.01.2015 und damit elf Tage vor dem ursprünglich vorgesehenen Ende des Arbeitsverhältnisses.
Es handelt sich auch um eine solche Vereinbarung, die den Beendigungszeitpunkt hinausschiebt, und nicht um den Neuabschluss eines Arbeitsverhältnisses.
Aus dem Merkmal des „Hinausschiebens“ folgt, dass sich die Vertragslaufzeit des Verlängerungsvertrages nahtlos an diejenige des vorangegangenen Vertrages anschließen muss1. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
Darüber hinaus folgt aus dem Tatbestandsmerkmal des „Hinausschiebens“ nach wohl hM. im Schrifttum, dass nur der Beendigungszeitpunkt geändert werden kann, die übrigen Arbeitsbedingungen aber unverändert bleiben müssen2.
Es kann vorliegend unentschieden bleiben, ob eine gleichzeitige Änderung der Arbeitsbedingungen dem Hinausschieben nach § 41 Satz 3 SGB VI entgegensteht. Die Vereinbarung enthält vorliegend nämlich über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts hinaus keine Inhaltsänderung des Arbeitsverhältnisses. Das spätere Schreiben der Schulleiterin an den Lehrer mit dem Betreff „Anordnung von Mehrarbeit“ ist unschädlich. Nach dem eindeutigen Wortlaut handelt es sich um eine (im Einverständnis mit dem Lehrer erfolgte) Anordnung von Mehrarbeit und nicht um eine Inhaltsänderung des Arbeitsvertrages. Im Übrigen erfolgte das Schreiben erst nach der Verlängerungsabrede. Änderungen des Arbeitsvertrages, die erst nach der Vereinbarung über das Hinausschieben des Vertragsendes erfolgen, können deren Wirksamkeit aber nicht berühren.
Jedenfalls soweit § 41 Satz 3 SGB VI das hier zu prüfende einmalige sachgrundlose Hinausschieben des Vertragsendes gestattet, verstößt die Norm nicht gegen Unionsrecht. Dieses gebietet es daher nicht, die Vorschrift vorliegend unangewendet zu lassen.
Allerdings begegnet es Bedenken, dass der Wortlaut von § 41 Satz 3 SGB VI weder eine Höchstdauer der Fortsetzung noch eine zahlenmäßige Beschränkung etwaiger weiterer Verlängerungen vorsieht3. Missbraucht der Arbeitgeber dieses Instrument, kann das zu einer Prekarisierung der Lage der betroffenen Beschäftigten führen, die durch die Richtlinie verhindert werden soll4. Bei der Auslegung der Norm, welche die Befristung ermöglicht, hat das nationale Gericht zu prüfen, ob im konkreten Fall die Befristung mit § 5 Abs. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Verträge im Einklang steht5.
Das vorliegende einmalige sachgrundlose Hinausschieben der Altersgrenze um sechs Monate aufgrund von § 41 Satz 3 SGB VI ist durch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gedeckt.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziel angemessen und erforderlich sind.
Daran gemessen stellt das einmalige sachgrundlose Hinausschieben der Altersgrenze um sechs Monate keinen Missbrauch der durch § 41 Satz 3 SGB VI eröffneten Gestaltungsmöglichkeit dar und steht im Einklang mit Unionsrecht. Die erstmalige Nutzung der Fortsetzung nach § 41 Satz 3 SGB VI ist mit europäischem Recht vereinbar6. Für den Arbeitnehmer, der Altersrente bezieht und dennoch weiter arbeiten möchte, ist es günstiger, wenn den Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit eröffnet wird, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei im Übrigen unveränderten Arbeitsbedingungen einmalig für eine absehbare Zeit hinauszuschieben, als wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis enden ließe, weil für eine erneute Befristung ein sachlicher Grund erforderlich wäre. Wie der vorliegende Sachverhalt zeigt, würden Arbeitgeber oft von einer befristeten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einem rentenbezugsberechtigten Arbeitnehmer Abstand nehmen, bedürfte diese eines Sachgrundes im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG.
§ 41 Satz 3 SGB VI bezieht sich nur auf solche Arbeitsverhältnisse, deren Beendigung mit Erreichen der Regelaltersgrenze bereits vereinbart war. Die in dem – einmaligen – Hinausschieben der Altersgrenze liegende Befristung gestaltet ein solches Arbeitsverhältnis daher nicht unsicherer, sondern bringt einen Vorteil für den Arbeitnehmer. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Regelung nur greift, wenn den betroffenen Arbeitnehmern am Ende ihrer beruflichen Laufbahn ein finanzieller Ausgleich in Gestalt einer Altersrente zugutekommt; dies spricht dafür, dass die Regelung geeignet ist, die Bedürfnisse der Arbeitsvertragsparteien in Einklang zu bringen7.
Ob eine Altersdiskriminierung vorläge, wenn die Parteien mehrfach neue Befristungen vereinbart hätten und dem Lehrer dabei die Möglichkeiten des Kündigungsschutzes und der Befristungskontrolle genommen worden wären, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Das einmalige Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts bringt eine solche Unsicherheit für den Lehrer jedenfalls nicht mit sich.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 29. November 2016 – 10 Sa 218/16
- Sievers, TzBfG, 5. Aufl., § 14 Rz. 410[↩]
- Sievers ibid.; Bader NZA 2014, 749; Kleinebrink DB 2014, 1490; KR/Bader 11. Aufl., § 23 TzBfG Rz. 31; Kroll ZTR 2016, 179; Meinel/Heyn/Herms, TzBfG, 5. Aufl., § 14 Rz. 234; ErfK/Rolfs, 17. Aufl.2017 § 41 SGB VI Rz. 23; aA. Bauer NZA 2014, 889; Giesen ZfA 2014, 217; Groeger ZTR 2015, 115; Marschner, in: Löschau, Gesetzliche Rentenversicherung, 13. Aufl., 19. Lfg., § 41 Rz. 30; Poguntke NZA 2014, 1372[↩]
- vgl. EuGH 26.11.2014 – C-22/13, Rn. 99[↩]
- vgl. EuGH 26.01.2015 – C-586/10, Rn. 25[↩]
- EuGH 26.01.2015 – C-586/10, Rn. 55[↩]
- in diesem Sinne auch Meinel/Heyn/Herms, TzBfG, 5. Aufl., § 14 Rz. 235[↩]
- vgl. EuGH 18.11.2010 – C-250/09 – Georgiev, Rn. 63 f.[↩]