Befristung – wegen der Eigenart der Arbeitsleistung

Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn diese durch die Eigenart der Arbeitsleistung gerechtfertigt ist.

Befristung – wegen der Eigenart der Arbeitsleistung

In § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG ist nicht näher bestimmt, welche Eigenarten der Arbeitsleistung die Befristung eines Arbeitsvertrags rechtfertigen. Den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass mit dem Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG vor allem verfassungsrechtlichen, sich aus der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) und der Freiheit der Kunst (Art. 5 Abs. 3 GG) ergebenden Besonderheiten Rechnung getragen werden soll1. Die Regelung ist daher etwa geeignet, die Befristung von Arbeitsverträgen mit programmgestaltenden Mitarbeitern bei Rundfunkanstalten zu rechtfertigen2. Der Sachgrund der Eigenart der Arbeitsleistung ist jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf diese Fallgruppen beschränkt, sondern kann auch in anderen Fällen zur Anwendung kommen3. Weder aus dem Gesetz noch aus der Gesetzesbegründung ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG auf derartige verfassungsrechtlich geprägte Arbeitsverhältnisse beschränkt sein soll4. Insbesondere Tendenzunternehmen der Presse und der Kunst haben aufgrund der verfassungsrechtlichen Gewährleistungen nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG ebenfalls die Möglichkeit, befristete Verträge mit sog. Tendenzträgern zu begründen. Unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Anliegens könnten von der Befristungsmöglichkeit in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG auch befristete Arbeitsverhältnisse mit wissenschaftlichem Personal an wissenschaftlichen Einrichtungen erfasst sein, die zur Sicherung der Innovationsfähigkeit im Bereich der wissenschaftlichen Tätigkeit auf eine stete Personalfluktuation angewiesen sind5. Eine Befristung kann auf Sachgründe nach dem TzBfG aber nur gestützt werden, soweit der für die Befristung maßgebliche Sachverhalt nicht abschließend von der Befristungsregelung des § 2 Abs. 1 WissZeitVG erfasst wird6.

Weiterlesen:
Die Befristung eines Arbeitsvertrages

Der Begriff der „Eigenart der Arbeitsleistung“ ist nicht so zu verstehen, dass nur die Eigenart der Arbeitsleistung als solche, nicht aber Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden können. Die Arbeitsleistung wird im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erbracht und kann nicht davon losgelöst betrachtet werden7. Allerdings ist nicht jegliche Eigenart der Arbeitsleistung geeignet, die Befristung oder auflösende Bedingung eines Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Nach der dem TzBfG zugrundeliegenden Wertung ist der unbefristete Arbeitsvertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme8. Daher kann die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung eines Arbeitsvertrags nur dann rechtfertigen, wenn die Arbeitsleistung Besonderheiten aufweist, aus denen sich ein berechtigtes Interesse der Parteien, insbesondere des Arbeitgebers, ergibt, statt eines unbefristeten nur einen befristeten oder auflösend bedingten Arbeitsvertrag abzuschließen. Diese besonderen Umstände müssen das Interesse des Arbeitnehmers an der Begründung eines Dauerarbeitsverhältnisses überwiegen. Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG erfordert daher eine Abwägung der beiderseitigen Interessen, bei der auch das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen ist9.

Bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Befristung sind grundsätzlich die Umstände im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend10. Anknüpfungspunkt des Sachgrunds nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG ist die Art der auszuübenden Tätigkeit, die durch die arbeitsvertragliche Vereinbarung festgelegt wird. Maßgeblich ist deshalb, was von dem Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrags, einer Dienstaufgabenbeschreibung oder sonstiger Umstände nach objektiven Gesichtspunkten bei Vertragsschluss erwartet wird (vgl. zu § 1 Abs. 1 WissZeitVG BAG 20.01.2016 – 7 AZR 376/14, Rn. 34). Das bedeutet allerdings nicht, dass die tatsächliche Vertragsdurchführung unbeachtlich ist. Aus ihr lassen sich ggf. Rückschlüsse ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also als vertraglich geschuldet angesehen haben11. Nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses eintretende Änderungen haben grundsätzlich keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der vereinbarten Befristung. Fällt der bei Vertragsschluss gegebene Sachgrund für die Befristung später weg, entsteht daher kein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn sich während der Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses die Tätigkeit des Arbeitnehmers ändert12.

Weiterlesen:
Befristungsabrede mit einem Bademeister - auch für zukünftige Badesaisons

Der Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG setzt außerhalb verfassungsrechtlich geprägter Arbeitsverhältnisse jedenfalls voraus, dass das Arbeitsverhältnis durch außergewöhnliche Umstände geprägt ist, die ein berechtigtes Interesse der Parteien, insbesondere des Arbeitgebers, an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung begründen können, etwa Verschleißtatbestände, das Abwechslungsbedürfnis des Publikums oder auch ein Wechselinteresse des Arbeitnehmers13. So bildet etwa der Umstand, dass ein Arbeitnehmer leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 KSchG ist, keinen die Befristung rechtfertigenden Sachgrund. Nach Inkrafttreten des TzBfG bedarf auch die Befristung eines Arbeitsvertrags mit einem leitenden Angestellten – wenn die Voraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung nicht vorliegen – eines Sachgrundes14, dessen Vorliegen grundsätzlich nach denselben Maßstäben zu beurteilen ist wie bei anderen Arbeitnehmern15. Entsprechend stellen Tätigkeiten als Führungskraft oder in leitenden Positionen – die typischerweise mit einem geringeren Grad der Bindung an (Einzel-)Weisungen des Arbeitgebers einhergehen und aufgrund der übertragenen Verantwortung Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber bewirken können – keine befristungstauglichen Eigenarten der Arbeitsleistung dar16.

Demnach folgt auch aus einer „geschäftsführerähnlichen“ Stellung des Arbeitnehmers kein Befristungsgrund. Die Arbeitgeberin hat sich bei der Besetzung der Position (hier: des Geschäftsführenden Direktors der Zentrumsleitung) eines Arbeitsvertrags und keines vom Anwendungsbereich des TzBfG nicht erfassten Vertragstypus bedient. Aus der Art der geschuldeten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers – mag diese auch (weitgehend) weisungsfrei zu erbringen und von einer starken Stellung gegenüber dem Vorstand in Konfliktsituationen geprägt sein – folgt kein berechtigtes Interesse der Arbeitgeberin, statt eines unbefristeten nur einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. Mit dem Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG ist weder eine – aus Sicht des Arbeitgebers weitreichende – Weisungsfreiheit des Arbeitnehmers kompensiert noch ein Instrument zur Auflösung eines potenziellen Dauerkonflikts der Arbeitsvertragsparteien – und sei dieser der normativen Verfasstheit der Arbeitsleistungserbringung geschuldet – eröffnet.

Weiterlesen:
Rechtsmissbrauch bei der sachgrundlosen Befristung - oder: das Jobcenter und seine Arbeitsverhältnisse

Eine hohe Vergütung sowie die verlängerten Kündigungsfristen sind ebenfalls keine außergewöhnlichen Umstände, die – als üblicherweise nur in Geschäftsführerverträgen vereinbart – ein besonderes Befristungsinteresse darstellen. Es wäre darüber hinaus nicht erkennbar, dass das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers insoweit angemessen Berücksichtigung gefunden hätte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. Juni 2022 – 7 AZR 151/21

  1. BT-Drs. 14/4374 S.19[]
  2. BAG 13.12.2017 – 7 AZR 69/16, Rn. 11 mwN[]
  3. vgl. BAG 16.01.2018 – 7 AZR 312/16, Rn. 15 mwN, BAGE 161, 283[]
  4. BAG 16.01.2018 – 7 AZR 312/16 – aaO[]
  5. BAG 18.05.2016 – 7 AZR 533/14, Rn. 18, BAGE 155, 101[]
  6. BAG 18.05.2016 – 7 AZR 533/14, Rn. 21, aaO[]
  7. BAG 17.06.2020 – 7 AZR 398/18, Rn. 34[]
  8. vgl. BT-Drs. 14/4374 S. 1 und 12[]
  9. BAG 17.06.2020 – 7 AZR 398/18, Rn. 34 mwN[]
  10. BAG 14.06.2017 – 7 AZR 597/15, Rn.20 mwN, BAGE 159, 237[]
  11. vgl. BAG 13.12.2017 – 7 AZR 69/16, Rn. 13[]
  12. BAG 17.05.2017 – 7 AZR 301/15, Rn. 28[]
  13. BAG 21.03.2017 – 7 AZR 207/15, Rn. 104, BAGE 158, 266; vgl. APS/Backhaus 6. Aufl. TzBfG § 14 Rn. 132; Boecken/Joussen TzBfG 6. Aufl. § 14 Rn. 82; Arnold/Gräfl/Gräfl TzBfG 5. Aufl. § 14 Rn. 144[]
  14. ausf. BAG 21.03.2017 – 7 AZR 207/15, Rn. 110 mwN, aaO[]
  15. Meinel/Heyn/Herms TzBfG 6. Aufl. § 14 Rn. 72; Däubler/Deinert/Zwanziger/Wroblewski BAGchR 11. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 30; Maschmann in Annuß/Thüsing TzBfG 3. Aufl. § 14 Rn. 6; Boewer TzBfG § 14 Rn. 37?f.; KR/Lipke/Bubach 13. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 81; eine Erweiterung des Sachgrundes bei leitenden Angestellten dagegen wohl in Betracht ziehend: APS/Backhaus 6. Aufl. TzBfG § 14 Rn.20; MünchKomm-BGB/Hesse 8. Aufl. TzBfG § 14 Rn. 11[]
  16. vgl. HWK/Rennpferdt 10. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 92; Boecken/Joussen TzBfG 6. Aufl. § 14 Rn. 33; BeckOK ArbR/Bayreuther Stand 1.06.2022 TzBfG § 14 Rn. 56[]
Weiterlesen:
Die Vermarktung des Esels Joschi - und das Arbeitsrecht

Bildnachweis: