Befristungskontrollklage – und der rechtskräftig abgewiesene allgemeine Feststellungsantrag

Grundsätzlich bedarf es bei einer Befristungskontrollklage gemäß § 17 Satz 1 TzBfG keines besonderen Feststellungsinteresses1

Befristungskontrollklage – und der rechtskräftig abgewiesene allgemeine Feststellungsantrag

Dieses folgt bereits daraus, dass der Arbeitnehmer gemäß § 17 Satz 1 TzBfG fristgebunden Klage erheben muss, weil andernfalls die Befristung nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam gilt. 

Eine Befristungskontrollklage ist allerdings – wie jede Klage – unzulässig, wenn für sie kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Dies ist der Fall, wenn der klagende Arbeitnehmer kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann2

So hatte der klagende Arbeitnehmer auch in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall (weiter) ein schutzwürdiges Interesse an dem Befristungskontrollantrag. Dem steht nicht entgegen, dass das Arbeitsgericht sein erstinstanzlich angebrachtes allgemeines Feststellungsbegehren rechtskräftig abgewiesen hat. Dieser Entscheidungsausspruch beinhaltet keine Feststellung, dass bereits ab dem 1.10.2019 -dem Stichtag für die Befristungskontrollklage- kein Arbeitsverhältnis der Parteien mehr besteht (was gegen ein fortbestehendes Interesse des Arbeitnehmers an der Feststellung der Unwirksamkeit der streitbefangenen Befristung sprechen würde), sondern lediglich, dass am 15.10.2020 -dem Datum der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht- kein Arbeitsverhältnis mehr bestand.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg ist hierzu in der Berufungsinstanz zutreffend davon ausgegangen, dass der allgemeine Feststellungsantrag rechtskräftig abgewiesen ist3. Der Arbeitnehmer hat insoweit keine Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts eingelegt. Es kann offenbleiben, ob der allgemeine Feststellungsantrag dahingehend hätte verstanden werden müssen, dass dieser lediglich als Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens mit dem Befristungskontrollantrag (sowie dem Kündigungsschutzantrag) gestellt worden ist4. Das Arbeitsgericht hat ihn ausdrücklich als unbedingt gestellten Feststellungsantrag abgewiesen.

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Nicht frei von Rechtsfehlern ist allerdings die weitere Annahme des Landesarbeitsgerichts, die arbeitsgerichtliche Entscheidung entfalte deshalb keine den Bestand des Arbeitsverhältnisses ab dem 1.10.2019 betreffende materielle Rechtskraftwirkung, weil das allgemeine Feststellungsbegehren mangels anderweitiger Beendigungstatbestände unzulässig war und dessen arbeitsgerichtliche Abweisung als „jedenfalls unbegründet“ ein Verständnis als dahingehendes – nur hinsichtlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Rechtskraft fähiges – Prozessurteil zuließe.

Im Ausgangspunkt zutreffend legt das Landesarbeitsgericht seiner Argumentation zugrunde, dass es im Fall der rechtskräftigen Abweisung eines streitbefangenen Begehrens für die Bestimmung des Rechtskraftumfangs von maßgebender Bedeutung ist, ob es sich um eine Prozessentscheidung handelt, mit der die Klage als unzulässig abgewiesen worden ist, oder um eine die Begründetheit verneinende Entscheidung5. Es ist aber bereits fraglich, ob – wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat – das allgemeine Feststellungsbegehren unzulässig war. Der Arbeitnehmer hatte sich zunächst auch – wenngleich pauschal und im Zusammenhang mit dem Befristungskontrollantrag – darauf berufen, die Vertragsklausel in § 10 Satz 7 seines Arbeitsvertrags sei überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB und somit nicht Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden. Eine solche Folge ist nicht Gegenstand einer Befristungskontrollklage, sondern einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO6. Allerdings hatte der Arbeitnehmer den allgemeinen Feststellungsantrag selbst ausdrücklich allein damit begründet, er sei für den Fall gestellt, dass sich die Arbeitgeberin auf weitere Beendigungstatbestände berufe. Die Argumentation, § 10 Satz 7 des Arbeitsvertrags sei überraschend, hat er fallengelassen und – so auch noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht – allein darauf abgehoben, mit dem vom Arbeitsgericht abgewiesenen allgemeinen Feststellungsbegehren habe er lediglich im Sinn eines sog. „Schleppnetzantrags“ sicherstellen wollen, dass er die Wirksamkeit jeglicher potentieller (weiterer) Auflösungstatbestände rechtzeitig angreift7.

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Jedenfalls aber kommt der arbeitsgerichtlichen Abweisung des allgemeinen Feststellungsantrags entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts materielle Rechtskraftwirkung als – wenngleich verfahrensfehlerhaftes – Sachurteil zu. Es ist zwar grundsätzlich rechtsfehlerhaft, die Frage der Zulässigkeit einer Klage nicht zu beantworten und diese wegen feststehender Unbegründetheit abzuweisen8. Schon wegen der Auswirkung auf die Rechtskraft ergibt sich insoweit ein absoluter Vorrang der Zulässigkeits- vor der Begründetheitsprüfung9. Eine klageabweisende Entscheidung, die die Zulässigkeit der Klage ausdrücklich „offenlässt“, erwächst aber ungeachtet dessen prinzipiell als Sachurteil in Rechtskraft10.

Die materielle Rechtskraftwirkung der arbeitsgerichtlichen Abweisung des allgemeinen Feststellungsantrags erfasst hingegen nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt der letzten erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 15.10.2020 und vermag deshalb das Rechtsschutzbedürfnis für die streitgegenständliche Befristungskontrollklage nicht in Frage zu stellen.

Der Umfang der materiellen Rechtskraft gemäß § 322 Abs. 1 ZPO ist aus dem Urteil und den dazu ergangenen Gründen zu bestimmen. Bei einer klageabweisenden Entscheidung ist der aus der Begründung zu ermittelnde ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Entscheidungsbegründung11. Das gilt prinzipiell auch bei einer Verkennung des Streitgegenstands durch das ihn abschlägig bescheidende Gericht und einem ggf. hierin liegenden Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO12.

Nach den Entscheidungsgründen des arbeitsgerichtlichen Urteils ist der allgemeine Feststellungsantrag (jedenfalls) unbegründet, weil „heute – bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht – kein Arbeitsverhältnis mehr besteht“. Selbst wenn das Arbeitsgericht – was das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich offenlässt – damit den Streitgegenstand verkannt und ggf. gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen haben sollte, steht (allein) rechtskräftig fest, dass am 15.10.2020 kein Arbeitsverhältnis mehr bestand. Diese Rechtskraftwirkung lässt das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nicht (ausnahmsweise) entfallen. Nach dem Befristungskontrollantrag ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2019 im Streit. An dieser Streitklärung hat der Arbeitnehmer nach wie vor ein berechtigtes Interesse, weil nicht rechtskräftig feststeht, dass (bereits) ab dem 1.10.2019 kein Arbeitsverhältnis mehr bestand.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Dezember 2022 – 7 AZR 489/21

  1. BAG 24.06.2015 – 7 AZR 541/13, Rn. 18[]
  2. BAG 17.01.2007 – 7 AZR 20/06, Rn. 18, BAGE 121, 18[]
  3. LAG Baden-Württemberg 28.06.2021 – 9 Sa 75/20[]
  4. vgl. dazu BAG 15.12.2021 – 7 AZR 530/20, Rn. 40[]
  5. vgl. BAG 15.06.2016 – 4 AZR 485/14, Rn. 39 mwN[]
  6. vgl. BAG 25.10.2017 – 7 AZR 632/15, Rn. 18[]
  7. vgl. dazu ausf. BAG 16.12.2021 – 6 AZR 154/21, Rn. 13 ff.[]
  8. BGH 25.01.2012 – XII ZR 139/09, Rn. 44; BeckOK ZPO/Elzer Stand 1.12.2022 § 300 Rn. 33[]
  9. ausf. BGH 25.01.2012 – XII ZR 139/09, Rn. 44[]
  10. vgl. BAG 29.09.2020 – 9 AZR 113/19, Rn.19; 15.06.2016 – 4 AZR 485/14, Rn. 41; ausf. BGH 16.01.2008 – XII ZR 216/05, Rn. 17[]
  11. BAG 10.04.2014 – 2 AZR 812/12, Rn. 29 mwN[]
  12. vgl. BGH 28.05.1998 – I ZR 275/95, zu II 2 a der Gründe[]