Beitragspflichten zu dem Sozialkassensystem der Bauwirtschaft – aufgrund allgemeinverbindlichem Tarifvertrag oder SokaSiG

Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft hat ihre zulässige Klage nicht geändert, indem sie die Beitragsforderungen zunächst allein auf die AVE VTV 2016 und später auch auf § 7 SokaSiG gestützt hat.

Beitragspflichten zu dem Sozialkassensystem der Bauwirtschaft – aufgrund allgemeinverbindlichem Tarifvertrag oder SokaSiG

Beitragsansprüche nach den Verfahrenstarifverträgen, für deren Geltungserstreckung sowohl eine Allgemeinverbindlicherklärung als auch § 7 SokaSiG in Betracht kommen, werden von demselben den Streitgegenstand umgrenzenden Lebenssachverhalt erfasst1.

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf die von dem Arbeitgeber gemeldeten Beiträge. Dies ergibt sich aus § 16 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a, § 18 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 VTV 2015. Der Arbeitgeber ist an den VTV 2015 nach § 5 Abs. 4 TVG iVm. der AVE VTV 2016 gebunden. Die Voraussetzungen für eine Beitragspflicht des Arbeitgebers nach den Bestimmungen des VTV 2015 sind erfüllt.

Der im Land Hessen gelegene Baubetrieb des Arbeitgebers fällt in den räumlichen und den betrieblichen Geltungsbereich des VTV 2015 (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 VTV 2015). In ihm werden arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten iSv. § 1 Abs. 2 VTV 2015 ausgeführt: Vollwärmeschutzarbeiten unterfallen kumulativ oder alternativ § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9, Nr. 12 und Nr. 40 VTV 20152. Maurerarbeiten werden nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 23 vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV 2015 erfasst. Bei Renovierungs- und Ausbauarbeiten handelt es sich jedenfalls um bauliche Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV 20153. Der persönliche Geltungsbereich des VTV 2015 erstreckt sich auf die bei dem Arbeitgeber beschäftigten Angestellten (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VTV 2015).

Weiterlesen:
Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag - und die Betriebsvereinbarungsoffenheit

Die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (ZVK-Bau) hat nach § 3 Abs. 2 VTV 2015 gegenüber den Betrieben Anspruch auf die zur Finanzierung dieser Leistungen festgesetzten Beiträge. Der Arbeitnehmer zieht diese Beiträge als Einzugsstelle ein, § 3 Abs. 3 Satz 1 VTV 2015. Der monatliche Beitrag zur Finanzierung der Zusatzversorgung der Angestellten richtete sich im Jahr 2016 nach § 16 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a VTV 2015. Die Beiträge sind nach § 18 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 VTV 2015 für jeden Abrechnungszeitraum spätestens bis zum 20. des folgenden Monats bargeldlos an den Arbeitnehmer zu zahlen. Über ihre rechnerische Höhe streiten die Parteien nicht.

Die Beitragsansprüche ergeben sich auch aus § 7 Abs. 1 iVm. der Anlage 26 SokaSiG. Gegen die gesetzliche Geltungserstreckung auf Betriebe wie den des nicht tarifgebundenen Arbeitgeber bestehen aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts keine verfassungsrechtlichen Bedenken4.

Nach § 7 Abs. 1 SokaSiG gelten die Rechtsnormen des VTV 2015 in seinem Geltungsbereich für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis zu der Beendigung des Tarifvertrags. Die Anlage 26 enthält den vollständigen Text des VTV 20155. Der VTV 2015 endete nach § 31 Satz 2 des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 28.09.2018 (VTV 2018) mit dessen Inkrafttreten am 1.01.2019 (§ 31 Satz 1 VTV 2018).

Die Zahlungspflicht des Arbeitgebers folgt aus § 16 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a, § 18 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 VTV 2015.

Weiterlesen:
Betriebliche Übung und die Schriftformklausel des TVöD

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. August 2019 – 10 AZR 555/18

  1. BAG 27.03.2019 – 10 AZR 512/17, Rn. 12 f. mwN[]
  2. vgl. BAG 19.07.2000 – 10 AZR 918/98, zu II 1 b aa der Gründe[]
  3. vgl. BAG 8.05.2019 – 10 AZR 559/17, Rn. 21; 23.06.2010 – 10 AZR 463/09, Rn. 13[]
  4. BAG 20.11.2018 – 10 AZR 121/18, Rn. 42 ff., BAGE 164, 201[]
  5. vgl. den Anlageband zum BGBl. I Nr. 29 vom 24.05.2017 S. 255 bis 268[]