Benennung von Beisitzern der Einigungsstelle

Aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat folgt, dass die Betriebsparteien keine Personen zu Einigungsstellenbeisitzern benennen dürfen, die offensichtlich ungeeignet sind, über die der Einigungsstelle obliegende Materie zu entscheiden. Maßstab ist die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Einigungsstelle.

Benennung von Beisitzern der Einigungsstelle

Es fehlt an einer Rechtsgrundlage für die von der Arbeitgeberin geltend gemachte Pflicht des Betriebsrats, Herrn B nicht mehr als Beisitzer für Einigungsstellen zu benennen.

Eine derartige Pflicht folgt zunächst nicht aus dem zwischen den Beteiligten im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG am 30.09.2010 geschlossenen Vergleich. Das Beschwerdegericht hat diesen Vergleich nicht ausgelegt. Obwohl es sich um eine nichttypische Vereinbarung handelt1, kann das Bundesarbeitsgericht als Rechtsbeschwerdegericht den Vergleich auslegen, da es weiterer Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht nicht bedarf2. Auch auf der Basis des Vortrags der Arbeitgeberin, die Tätigkeit von Herrn B in der Einigungsstelle sei bei Vergleichsschluss angesprochen worden, ergibt sich nicht, dass diese weitere Tätigkeit mit dem Ausscheiden von Herrn B aus dem Betriebsrat beendet sein sollte. Die Einigungsstelle ist ein besonders zu bildendes Organ der Betriebsverfassung. Die Benennung und Tätigkeit als Beisitzer einer Einigungsstelle hängt von der Mitgliedschaft im Betriebsrat nicht ab. Gerade wenn über die Tätigkeit von Herrn B in der Einigungsstelle gesprochen, jedoch keine Regelung über eine Tätigkeit in Einigungsstellen getroffen wurde, spricht dies dafür, dass die Betriebsparteien eine derartige Regelung auch nicht treffen wollten. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Betriebsrat sich so weitgehend rechtlich überhaupt hätte binden können.

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Ein Anspruch folgt auch nicht etwa aus einer entsprechenden Anwendung der Regelungen der ZPO über die Befangenheit von Schiedsrichtern (§§ 1036 f. ZPO).

Diese Regeln gelten entsprechend für den Vorsitzenden einer Einigungsstelle3. Das ist jedoch auf die Beisitzer einer Einigungsstelle nicht zu übertragen. Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit kommt hier nicht in Betracht4. Das Erfordernis der Unparteilichkeit des Vorsitzenden einer Einigungsstelle nach § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG erstreckt sich nicht auf die Beisitzer. Das Gesetz sieht die Bestellung von Beisitzern durch die Betriebsparteien vor. Nur hinsichtlich der Person des Vorsitzenden und der Zahl der Beisitzer, nicht dagegen hinsichtlich deren Person entscheidet gemäß § 76 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BetrVG, § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG das Arbeitsgericht, soweit sich die Betriebsparteien nicht einigen können.

Die Betriebsparteien dürfen sich dabei für Personen entscheiden, denen sie dahingehend vertrauen, dass sie als Beisitzer die Interessen der Arbeitnehmer oder des Arbeitgebers in Verhandlungen mit der anderen Seite wahren. Dies und das Vertrauen, durch das Erarbeiten von Kompromissen eine für beide Betriebsparteien annehmbare Konfliktlösung zu erreichen, ist der Maßstab, an dem sich die Betriebsparteien bei ihrer Benennungsentscheidung auszurichten haben. Ob ein solches Vertrauen gerechtfertigt ist, entzieht sich dabei jedoch der gerichtlichen Nachprüfung5. Es steht den Betriebsparteien dabei auch frei, externe Beisitzer zu benennen6. Ihre Befugnis zur Bestellung von Beisitzern ist nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt7.

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Der Betriebsrat kann deshalb im vorliegenden Fall auch nicht seinerseits etwas aus den in § 1037 Abs. 2 Satz 1 ZPO geregelten Fristen herleiten.

Eine Verpflichtung des Betriebsrats, Herrn B nicht mehr als Einigungsstellenbeisitzer zu benennen, folgt auch nicht aus § 2 Abs. 1 BetrVG.

Die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat werden durch die Rechte und Pflichten bestimmt, die dem Betriebsverfassungsrecht zugrunde liegen, sowie durch die wechselseitigen Rücksichtspflichten, die sich aus § 2 Abs. 1 BetrVG ergeben. Aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit folgt deshalb, dass sich aus der Wertung der im Gesetz vorgesehenen Rechte auch Nebenpflichten ergeben können8. Der Grundsatz ist Maßstab dafür, wie die Betriebsparteien ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten wahrzunehmen und auszuüben haben. Sie müssen dabei auch auf die Interessen anderer Betriebsparteien Rücksicht nehmen9. Jedoch kann aus § 2 Abs. 1 BetrVG nicht unabhängig vom Bestehen konkreter betriebsverfassungsrechtlicher Rechtsvorschriften das Entstehen von Rechten und Pflichten des Arbeitgebers oder des Betriebsrats hergeleitet werden. Die Bestimmung betrifft lediglich die Art der Ausübung bestehender Rechte10. Es geht letztlich um die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben auch in der Betriebsverfassung11.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist es den Betriebsparteien verwehrt, Personen als Beisitzer von Einigungsstellen zu benennen, die von ihrer Person her offensichtlich ungeeignet sind, entsprechend der Funktion der Einigungsstelle tätig zu werden. Das gilt dann, wenn sie hinsichtlich ihrer Kenntnisse und Erfahrungen offensichtlich ungeeignet sind, über die der Einigungsstelle zugrunde liegende Regelungsmaterie zu entscheiden12. Es gilt aber auch, wenn der benannten Person die mangelnde Eignung in sonstiger Weise anhaftet und sich daraus ergibt, dass sie in der Einigungsstelle ihre Funktion nicht ordnungsgemäß ausüben kann. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen; insbesondere geht es nicht darum, einzelne Verhaltensweisen der Person in der Vergangenheit zu sanktionieren. Maßstab ist auch nicht, ob Gründe für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses oder den Ausschluss aus dem Betriebsrat vorliegen. Eine Person scheidet als Beisitzer der Einigungsstelle vielmehr nur aus, wenn unter ihrer Mitwirkung eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Einigungsstelle nicht zu erwarten ist.

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Danach kann die Arbeitgeberin wegen der Äußerung des Herrn B über Dr. T vom Betriebsrat nicht verlangen, dass er Herrn B nicht als Einigungsstellenbeisitzer benennt. Der in Rede stehende Vorfall, so wie er von der Arbeitgeberin zugrunde gelegt wird, stellt zwar eine grobe und schwerwiegende Entgleisung von Herrn B dar. Trotzdem lässt diese einmalige Entgleisung nicht den Schluss auf eine offensichtlich mangelnde persönliche Eignung zur Wahrnehmung des Amtes des Einigungsstellenbeisitzers zu. Das gilt umso mehr, als Herr B während des laufenden Zustimmungsersetzungsverfahrens an Einigungsstellensitzungen teilgenommen hat und die Arbeitgeberin keine Vorkommnisse vorgetragen hat, die auf einen grundsätzlichen Mangel an persönlicher Eignung schließen lassen.

Auch unter sonstigen Gesichtspunkten verstößt der Betriebsrat durch die Benennung von Herrn B als Einigungsstellenbeisitzer nicht gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit.

Zugunsten der Arbeitgeberin kann nichts aus der Vielzahl von Einigungsstellen, deren Bildung der Betriebsrat ins Auge gefasst hat, geschlossen werden. Es steht jeder Betriebspartei zu, eine Entscheidung darüber zu treffen, auf welchem im Gesetz vorgesehenen Wege sie eine Regelung im Rahmen der Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes herbeiführt. Dies unterliegt nicht gerichtlicher Kontrolle.

Auch aus dem Abschluss des gerichtlichen Vergleichs im Zustimmungsersetzungsverfahren ergibt sich nichts anderes. Dieser Vergleich kann unter dem Gesichtspunkt der vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht in seiner Wirkung über seinen tatsächlichen Inhalt hinaus ausgedehnt werden. Aus dem Inhalt des Vergleichs ergibt sich gerade nicht, dass der Betriebsrat verpflichtet ist, Herrn B nicht mehr als Einigungsstellenbeisitzer zu benennen.

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Gegenteiliges folgt auch nicht aus § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Die personelle Zusammensetzung einer Einigungsstelle hat mit dem Betriebsfrieden nichts zu tun.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 7 ABR 36/12

  1. zu diesem Rechtscharakter auch bei gerichtlichem Vergleich: BAG 24.08.2006 – 8 AZR 574/05, Rn. 17[]
  2. vgl. BAG 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, Rn. 33, BAGE 116, 254 für die vergleichbare Situation im Revisionsverfahren[]
  3. vgl. BAG 11.09.2001 – 1 ABR 5/01, zu B I 1 der Gründe, BAGE 99, 42; vgl. auch BAG 17.11.2010 – 7 ABR 100/09, Rn. 16 ff., BAGE 136, 207[]
  4. vgl. Richardi in Richardi BetrVG 14. Aufl. § 76 Rn. 49 mit umfassenden Nachweisen[]
  5. vgl. BAG 24.04.1996 – 7 ABR 40/95, zu B 3 c der Gründe[]
  6. vgl. BAG 31.07.1986 – 6 ABR 79/83[]
  7. BAG 14.01.1983 – 6 ABR 67/79, zu II 2 der Gründe[]
  8. vgl. BAG 18.05.2010 – 1 ABR 6/09, Rn. 23, BAGE 134, 249[]
  9. vgl. BAG 14.03.1989 – 1 ABR 80/87, zu B II 3 b cc der Gründe, BAGE 61, 189[]
  10. BAG 23.08.1984 – 6 AZR 520/82, zu I 4 der Gründe, BAGE 46, 282[]
  11. vgl. BAG 14.01.1993 – 2 AZR 387/92, zu C II 4 c der Gründe[]
  12. für diese Fallgestaltung: BAG 24.04.1996 – 7 ABR 40/95, zu B 3 d der Gründe[]